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von klausjans.de
Ja, etwas GRUNDSÄTZLICHES zum RADIO
und zum RADIO IN DER NACHT
Ein Text von Klaus Jans (1998)
RADIOPHILE
UNTERTÖNE
Ein anspruchsvoller Hörerbrief von Klaus Jans
Vorbemerkung:
Die
Welt der Dinge ist ständig auf der Suche nach Geist und
Sinn. Das Fernsehen übernimmt in den 90ern diese Rolle
zunehmend, trägt aber auch in seiner überquellenden
Vielfalt von Bildern ebenso rasant zur Sinnentleerung des Alltages
bei. Wer eine Stunde "Viva" oder "CNN" gesehen
und gehört hat, bleibt mit einem durchgerüttelten Kopf
zurück und erinnert sich bloß an Fetzen von Akkorden,
Farben und Bildschnitten. Wer amerikanische Filme und
Sportübertragungen mit den vielen Werbeblöcken über
sich ergehen lässt, wird müde und wütend
zugleich.
Das Radio hat also guten Grund, sich gegen diese Dominanz zu
wehren
und sich auf die eigenen Qualitäten neu zu besinnen, d. h. in
einem veränderten Umfeld mit neuem Selbstbewusstsein
aufzuwarten. Eine Modernisierung also, die nicht dem Fetisch von
Über-Moderne und Hochgeschwindigkeit hinterherläuft,
sondern eine neue Zuwendung zum Ziel hat. So etwas wird teilweise
versucht, aber in mancher Beziehung mit genau entgegengesetzter
Wirkung. Denn angesichts einer zunehmenden Gleichförmigkeit der
vielen Sender wurde die Bindung von Hörern und Radio
angefressen, wenn nicht gar zerfressen.
Hilflosigkeit ist keine Antwort. Besser ist eine Bestandsaufnahme der vertanen Möglichkeiten. Einige Gedanken dazu sind hier aufgeschrieben.
1. DAS RADIO-LOCH IN DER NACHT
Die meisten Anstalten haben in den letzten Jahren ihre Radio-Sender formatiert, auf (vermeintliche) Zielgruppen ausgerichtet und somit klarere Hörerwartungen über den Tag geprägt. Dies hat einiges für sich.
Dennoch bleibt ein großes, unbeackertes Loch – die Nacht. Die Nacht ist derzeit Musik und nochmals Musik – sei es als "Nachtexpress", "ARD-Nachtkonzert", "Pop-Nacht" oder unter sonstigen Bezeichnungen. Das Fernsehen hingegen sendet und sendet: Filme, Magazine etc. – auch wenn es durchaus Wiederholungen des Vortages/-mittags sind. Das Radio aber bleibt bis auf Musik, Musik, Musik und ein paar Nachrichten nachts stumm. Unverständlich! Denn gerade die Dunkelheit im Bett, dazu die Stimme des Radios zum Übergang von Wachen zu Schlafen ... diese Zeit ist radiomäßig unterbewertet.
Ich weiß noch, wie ich als Kind, wenn ich ins Bett musste, im Dunkeln verzweifelt auf einem kleinen Transistorradio nach etwas anderem als Musik suchte und überglücklich war, wenn ich alle zwei Wochen mal für eine Stunde ein Kriminalhörspiel gefunden hatte. Auch jetzt noch würde ich suchen wollen, aber ich weiß ... ich kann nichts Textliches finden. Höchstens zufällige Bonbons, bei der Deutschen Welle z. B., die wegen der Weltzeitverschiebungen den Tag rund um die Uhr 24 Stunden wahrnimmt ... aber leider etwas piepsend auf der Kurzwelle sendet. Oder ich weiß, dass der Deutschlandfunk an ein paar Tagen "Fazit" von 24.05 bis 1.00 Uhr bringt – ein richtiges Betthupferl. Aber danach? "Domian" vielleicht, wenn ich "Eins Live" vom WDR empfangen kann. Oder die wenigen, leider regional begrenzten Info-Sender. Und samstags die "Lange Nacht" des Deutschlandfunks.
Mehr Text in der Nacht – dies ist mein größter Wunsch!
2. 7 TAGE UND IMMER 24 STUNDEN
Es gibt das gezielte Wort auf den Informationskanälen: Nachrichten und Kurzinfos rund um die Uhr. Ich empfing in Frankfurt den löblichen Sender Bayern 5 aktuell, bis 24.00 Uhr. Dann war Schluss. Dann aber, eines Tages, konnte ich ab 24.00 Uhr auf der Bayern-Frequenz immerhin MDR-Info hören, obwohl mich die plötzliche Verlagerung des inhaltlichen Schwerpunktes von Bayern auf Sachsen etwas verwirrt. Es wird eben mitternachts umgeschaltet. Aber endlich auch Text in der Nacht!
MDR-Info dürfte wohl der erste 24-Stunden-Text-Kanal im Radio gewesen sein. InfoRadio aus Berlin-Brandenburg kam hinzu. Bayern 5 ist jetzt durch den Nacht-Zusammenschluss mit MDR auch rund um die Uhr text-aktiv. Schön, obwohl: Es sind meist kurze Texte und Stückchen, die mehrfach gesendet werden, und die man schnell kennt. Dennoch möchte ich diesen Service nicht mehr missen. Seit meinem Umzug in den Bonner Raum bin ich aber empfangsmäßig davon abgeschnitten. Was jedoch machen die anderen Sender, warum kann man sich nicht auf ein gemeinsames ARD-Projekt einigen? (Gut, gut, da spielt auch Rundfunkpolitik mit – aber es ändert nichts an dem frappanten Textmangel in der Nacht.)
Nun ist Text nicht gleich Text. Es kommt auch auf die Inhalte und damit auf die Qualität an. Beim WDR hat man sich vielleicht bewusst von dieser Info-CNN-Fixierung des Radios gelöst und bietet eine eigene Art von gesprochenem Radio: WDR 5 – auch anspruchsvoll, auch Text. Aber das "Wortradio" WDR 5 (Sollte man nicht unter diesem Titel für diese Welle werben? Oder "Textradio"? Oder "Sinnradio"? Oder "Denkwelle"?) müsste meiner Meinung nach volle 24 Stunden unter einem solchen Etikett in Erscheinung treten. Am frühen Abend ist beim WDR Schluss – dann kommen urplötzlich und wie ein Bruch die fremdsprachigen Sendungen ins Programm. Nachts ist es mit der Textherrlichkeit von WDR 5 ganz vorbei. Und seit September 1997 hat man den reinen Text mit diversen Musiken durchbrochen, um die Durchhörbarkeit zu gewährleisten. Das Projekt muss also wegen der Inkonsequenz der Macher als gescheitert gelten.
Und die anderen Sender? Wo bleibt da der reine Text, der nicht von Klassik und anderen Dingen unterbrochen wird? Denn viele Wellen, vor allem "anspruchsvolle" Wellen mischen (klassische) Musik, Features, Hörspiele etc. zu einem Mix, welcher dann als intellektuell hochwertiges Kulturprogramm firmiert. (Vgl. dazu die jüngste Diskussion um die Hörfunk-Reform bei SFB/ORB und die Gestaltung von "Radio 3".) Das ist dann jeweils eine bunt gemischte Welle, allerdings angeblich anspruchsvoll. Ähnliche Debatten gab es um WDR 3, das unter einer Wellenredaktion ab 2. März 1998 "frischer" klingen soll.
Wieder wird erwartet, dass der (vor allem wohl akademische) Hörer brav die jeweiligen Sendetermine kennt und sich gezielt zum Sinfonie-Konzert oder gezielt zum experimentellen Hörspiel einschaltet. Was ist das für ein Format? Da braucht man ständig ein Programmheft. Und das für Sendungen, die dann nur ein halbes Stündchen dauern? Es fehlt am unkomplizierten 7-Tage-Schema und einer klaren Wellen-Logik, die nicht mehr an die alten Radiozeiten des Einheitsprogramms anknüpfen will.
3. FORMAT MIT SCHEMA
Volle 24 Stunden Text-Radio hieße, ein klares Schema zu
haben,
welches jeden Tag (!), Montag bis Sonntag, also sieben (und
nicht fünf) Tage gleich bleibt. Damit würde man auch auf
veränderte Lebensgewohnheiten, die Auffaserung der
traditionellen Arbeitszeiten und den veränderten Stellenwert des
Sonntags, der kaum noch zum Kirchgang genutzt wird, reagieren. Dies
wäre in einer Zeit des veränderten Ladenschlusses, der ja
auch den generellen Wandel im Freizeitverhalten der Deutschen
symbolisiert, nichts Ungewöhnliches.
In diesem Sinne müsste also das Programm noch stärker und klarer strukturiert werden als bisher. Die Hörer müssen für jeden Tag "blind" wissen, was sie um welche Uhrzeit auf diesem Sender erwartet. Dies könnte bedeuten, dass um 24.00 Uhr (jeden Tag!) ein Hörspiel kommt – und um 3.00 Uhr nachts (jeden Tag!) eine Bildungssendung aus den Geistes-/Sozial-/Naturwissenschaften und um 14.00 Uhr (jeden Tag!) der Sprachkurs. Diesen Rhythmus gibt es ja schon hier und da, z. B. beim WDR die bekannte Sendung "Zeitzeichen", 7 mal pro Woche, zudem auf zwei Sendeplätzen, allerdings: bloß 10 Minuten. Der Ansatz zum 7-Tage-Schema wird noch nicht konsequent genug durchgeführt .... meist ohne Einschluss des Wochenendes – und vor allem: ohne die Nacht!
Warum, so meine pressierlichste Frage, ist die Nacht so radioarm und musikreich? Weil die Hörerzahlen dann kleiner sind? Und so etwas sagt ein öffentlich-rechtlicher Sender, statt diese Lücken klug zu besetzen?! Dabei müsste doch nur jemand auf Knopfdruck Bänder abfahren! Oder digitale Speichermedien zum Tönen bringen! Das kann doch so teuer nicht sein!
Ach ja: Es gibt der guten Sendungen genug, aber sie werden verpasst – oft unwissend, manchmal wissend. Und dann sind die langen Arbeits-Wochen der Journalisten/Redakteure/Publizisten für das gute Feature so schnell und sinnlos verrauscht und im Äther verschwunden. Was dem Fernsehen lieb ist, sollte doch auch dem Radio vergönnt sein: Wiederholen, besonders in der Nacht! Immer wieder! Und auf immer den gleichen Sendeplätzen.
4. VON DEN PROGRAMMEN WISSEN
Die Formatierung der einzelnen Programme entspricht dem Überangebot an Radiosendern und auch Fernsehsendern. Die Hörer sind nicht mehr in der Lage, das vorhandene Angebot täglich neu zu erfassen. Die Hörer und Hörerinnen brauchen stattdessen verlässliche Sendeplätze zur Orientierung.
Format hilft gegen die Verwirrung: Es gibt z. B. jene zahlreichen Mittagsmagazine und -journale mit Politik, Korrespondentenberichten und Flugzeugabstürzen – typisch in der Kernzeit zwischen 12.00 Uhr und 14.00 Uhr. Eine verlässliche Größe im Radio. Aber was dann? Gilt das auch für andere Sendungen und Zeiten? Vielleicht noch für den Bundesliga-Sport am Samstagnachmittag – der kommt immer.
Aber welche Formate könnten Hörer sonst noch erkennen? Regelmäßige Hörer des Deutschlandfunks kapieren zumindest tagsüber (nur wochentags!) den Rhythmus ganz gut. Sie wissen, wann "Umwelt" kommt, wann "Wirtschaft", wann "Kultur".
Aber die Masse aller Sender bringt Musik: Hit-Sendungen sind oft so austauschbar, dass keiner genau sagen könnte, welche Sendung an welchem Sendeplatz auftauchte. Ausnahmen mögen kultige Sendungen wie die Elmi-Radio-Show vom SWF sein. Oder das Hafen-Konzert, sonntags, in der Früh ... auf der Deutschen Welle.
Formate haben in diesen Tagen um so mehr Bedeutung, weil kaum noch eine Möglichkeit besteht, sich über das Radioprogramm zu informieren. Ohne verlässliches, siebentägiges Sendeschema sind die Hörer im Programm-Dschungel verloren.
Die meisten Fernsehzeitschriften haben das Radio (fast) völlig aus dem redaktionellen Teil entfernt bzw. – wenn überhaupt – auf nur spärlichste Informationen zusammengestrichen. Versuchen Sie doch mal, in Erfahrung zu bringen, was sie überhaupt hören könnten! (Ich hatte dieser Tage "TV Hören und Sehen" in der Hand, die immerhin noch eine ganze Doppelseite Radioprogramm bringt, aber vom WDR – zumindest in meiner in Hessen gekauften Ausgabe – interessanterweise nur WDR 3. "Bild + Funk" bringt eine Seite pro Tag mit scheinbar willkürlicher Auswahl der Sender – vom WDR alles von 1 bis 5, von Hessen nur HR 1 und HR 2, auch das mag mit dem Regionalbezug der jeweiligen Ausgabe zusammenhängen.)
Befragen Sie die Tagespresse, darunter die großen überregionalen Flaggschiffe aus Frankfurt, München, Berlin: Gibt es noch so etwas wie ein Radioprogramm? Die FAZ beispielsweise hat auf der Fernsehprogrammseite nur die Kleinstrubrik: "Hörfunk (in Auswahl)", die quer durch Republik vielleicht 20 Sendungen von Klassik bis Hörspiel – zudem nur mit den Anfangszeiten, nicht mit den Schlusszeiten – bekanntgibt. Größere Regionale/Lokale Zeitungen wie die "Aachener Nachrichten" oder die Konkurrenz der "Aachener Zeitung" drucken das Radioprogramm nicht mehr ab, lediglich im Lokalteil gibt es kleine Verweise auf das Lokalradio von Aachen.
Am Frankfurter Bahnhofs-Zeitschriftenstand (üblicherweise einer der größten der Stadt) fanden sich keine speziellen Radio-Programm-Zeitschriften bzw. nur Zeitungen für Funkamateure und Weltempfänger.
So bleiben lediglich die Programmhefte der einzelnen Sender: Stückwerk, teuer und etwas abgehoben. Warum nicht eine nationale Radiozeitung aller Sender?
5. FREQUENZRÄTSEL
Bei den Frequenzen gibt es ähnliche Leere. Man findet sie, wenn man denn eine der so wenigen Zeitschriften mit Radioprogramm gekauft hat, vielleicht im Kästchen des Programms von einem einzigen Tag, nehmen wir den Mittwoch (Bild + Funk) – einmal, sehr klein, für alle Tage abgedruckt. Zudem sind alle Frequenzen eines Senders ganz gleichrangig ... und man muss schon einiges herumprobieren, um die möglichen für den jeweiligen Wohn- und Standort zu finden. "TV Hören und Sehen" schreibt gar: "Die Antennen-Frequenzen bestellen Sie bitte schriftlich beim Leserdienst oder unter Telefon 040/301940". In der "hör zu" fand ich überhaupt keine Frequenzen, was auch an meinem eigenen Unvermögen, sie zu finden, gelegen haben kann. (Das aber besagt schon genug!)
Die Radiohörer und -hörerinnen sind da hilflos – und kämen schon allein aus diesem Grunde nicht auf die Idee, gezielt Sendungen einzuschalten, die sie vielleicht interessieren könnten. Aber zappen, wie vom Fernsehen bekannt, das machen wohl auch nur wenige (siehe zu diesem Thema noch weiter unten!).
Um diesen Gedächtnisverlusten an/über Radio entgegenzusteuern, hat der WDR als größte ARD-Anstalt offensiv mit mehrseitiger (!) Eigenwerbung in einer millionenfachen Zeitungs-Beilage namens "prisma" begonnen. Ein notwendiger und richtiger Schritt. Aber nur einer. Auch hier fanden sich nur einzelne Sendungen, aber kein komplettes Programm ... und keine Frequenzen, allerdings für Letzteres immerhin der Verweis auf eine 0130-Telefonnummer. Seit Kurzem sind diese 3 Seiten in der "prisma" aber auf eine unauffällige Seite zurückgeschmolzen worden. Die Telefonnummer für den Frequenzservice fand ich auch nicht mehr.
Ähnliche Wege probiert der Südwestfunk über eine Radiozeitung, die als "Gong-Radiozeitung" im "Gong" zu finden ist und als Anzeige deklariert ist. (Es sei bemerkt: Mir fehlt natürlich der nationale Gesamtüberblick über alle Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen Sender!)
Andere Sender gehen nur gezielt an die hochinteressierten und zahlungswilligen Hörer: Der Hessische Rundfunk hat eine ausführliche Monatszeitung für 4 DM, "Die Radioprogramme", mit allen Frequenzen auf der Rückseite des Umschlages. Ein gutes Angebot, aber klar minderheitsorientiert: Denn wer bezahlt schon 52 DM pro Jahr, um ausschließlich über das Programm eines einzigen öffentlich-rechtlichen Senders informiert zu sein? Der BR bietet sich gar wöchentlich über die "Radio-Zeitung" seinen Hörern an – aber auch hier nur im Abonnement (Vertriebsservice Nürnberg), zum stolzen Preis von 88,40 DM pro Jahr. Am Kiosk fand ich zumindest nichts.
DeutschlandRadio bietet (für DeutschlandRadio Berlin + Deutschlandfunk) ein schönes monatliches Programmheft auf Spendenbasis.
Im Internet stöberte ich ein bisschen und entdeckte die Frequenzen vom "InfoRadio", die allerdings nur über UKW im Berlin-Brandenburger Großraum zu empfangen sind. Wer über einen Internet-Anschluss verfügt, sollte zumindest dort eines Tages das komplette Frequenz- (und Programmangebot) aller Radios von Deutschland finden können – eine kleine Hoffnung für die technisch interessierte Jugend. (Der Privatsender FFH in Hessen vermeldete mal stolz, pro Monat würden 140.000 Nutzer seine 60-Internet-Seiten abrufen – vgl. FAZ vom 8.4.97)
Auch "DAB" (Digital-Audio-Broadcasting) dürfte dem Frequenz-Unwissen ein Ende machen, weil dann auf dem Display Texte, Fotos, Logos und Daten aller Art zu sehen sein werden. Aber bis zum Bundesstart im Herbst 1997 waren wohl erst ca. 10.000 Empfänger für DAB verkauft, tragbare Empfänger werden bislang nicht angeboten. (Vgl. "Menschen machen Medien" 1/97)
6. DAS RADIOTISCHE SUCHEN
Also zurück zur beschwerlichen Jetzt-Zeit, die von den Radiomachern wohl nicht richtig erkannt wird: Ich habe mir die Mühe gemacht, mit meinem Küchenradio in Frankfurt und dann in Königswinter überhaupt die vielen Radiosender, die ich per einfacher Radioantenne empfange, zu erkennen, sprich: den Namen des Senders zu entschlüsseln – und hatte viele Probleme, festzustellen, auf welcher Frequenz ich eigentlich welchen Sender höre. Die handschriftliche Liste ist bislang unvollendet und hängt noch mit vielen Lücken an meiner Wand. Das war zu viel – ich gab auf!
Unter solchen Bedingungen gezielt ein Programm einzustellen, ist schwierig. Man bleibt dann doch bei drei oder vier bekannten Frequenzen. Aus Bequemlichkeit. Die anderen Frequenzen müsste man sich ja mühsam zusammensuchen, d. h. Programme abhören, auf Senderkennungen warten bzw. auf den Beginn von Nachrichten, um so in einem mühsamen Prozess das Puzzle zusammenzusetzen. (So etwas bringt übrigens auch neue Erkenntnisse: Wer hätte gedacht, dass man auch ohne Kabelanschluss in Frankfurt-Bornheim auf der Frequenz 101,3 WDR 2 oder auf 95,3 SDR 3 hören/empfangen kann? Ohne meine überdurchschnittliche Eigeninitiative wäre ich niemals zu diesen Radiohöhenflügen vorgedrungen.)
Private Sender-Frequenzen lernt man schneller kennen – u. a., weil sie mit gigantischen Preisen und ungewohnten Ideen die Hörer in hektische Aktivitäten hineintreiben. So hatte der "Berliner Rundfunk 91,4" Benzin verschenkt – und zwar 160.000 Liter an 40 Minol-Tankstellen. Die Autofahrer mussten dafür den Spruch: "Ich höre Berliner Rundfunk" aufsagen. Ein anderer Sender verschenkte gar Adelstitel. (Vgl. Spiegel 2/1997) Dafür lernt man die Frequenzen schnell auswendig – hört aber dann auch oft das Radio-Programm, dem es an Qualität mangelt.
Das sogenannte "Digitale Satellitenradio" (DSR) dürfte das Frequenzleben für die interessierte Hörerin auch nicht gerade angenehmer machen, weil hier eine Vor-Selektion der Programme über den Kabelanbieter stattfindet. In Aachen z. B. fanden sich laut mitgelieferter Liste des Kabelunternehmens folgende Programme auf dem Kabel digital vor: BAYERN 4 Klassik, S 2 Kultur, Radio Bremen, HR 2, NDR, STAR SAT digital, Deutschlandfunk, WDR 3, Deutschlandradio Berlin, SR 1, RPR 2, Klassikradio, RTL, Radioropa-Info, MDR-Sputnik, Energy München.
Diese Einspeisungen unterliegen zudem – ähnlich wie beim Fernsehen – der hohen Politik. Der neue Fernsehsender "Phoenix" führte dazu, dass in Hessen das digitale Radio vom Sonderkanal S2 verlegt wurde. Dann können einige Gerätebesitzer – und zwar die ohne Kabelanschluss am Radiotuner – nicht mehr DSR hören. (Von den 150.000 DSR-Hörern dürften 10.000 Hörer Geräte haben, die lediglich einen Satelliteneingang besitzen – vgl. FAZ 8.4.97, Lokalteil.)
Also: Warum wird hier nicht ein notwendiger Service sichergestellt, der eine wichtige Grundbedingung ist, um neue Hörer zu gewinnen?
7. KAUM TIEFE, KAUM KONZENTRATION
Das Radio kann natürlich nie gegen das Fernsehen die Oberhand gewinnen, selbst wenn gute Features, Diskussionen, Hör-Collagen, Essays oder Ähnliches noch so fleißig angekündigt und produziert werden. Das Bild hat immer eine stärkere Macht, wenn man das Bild zur Verfügung hat.
Aber in vielen Fällen (der typischste im Auto) oder bei vielen (Berufs-)Tätigkeiten ist das Fernsehen nicht einsetzbar bzw. nicht erlaubt – das Radio aber doch ... und genau hier erreicht es erstaunlich viele Menschen, manche beim Blumenbinden im Geschäft, manche in der Badewanne, manche beim Tapezieren, manche gar beim Grillen auf dem Campingplatz.
Viele dieser Menschen würden wohl das Radio gerne intensiver nutzen, zur Weiterbildung (Wo bleibt das Bildungsradio?), Belehrung, Unterhaltung – dürfen dies aber nur in ganz bestimmten, von den Sendern "wohlmeinend" vorgegebenen Bahnen: Sport und Musik, Magazin und Musik, Politik und Musik, Interview und Musik, Ratgeber und Musik, nur Musik ... aber selten Text konzentriert.
Und noch weit wichtiger: Selten sind die Text-Sendungen vorhersehbar. Das ist schade. Warum sollte ich auch die Sendung über Chile oder die Geschichte des Staudamms einschalten, wenn sie zumeist dünnflächigen (= wenig) Text mit zu viel Musik bringen wird? Und wenn ich zudem gar nichts von der Sendung weiß, weil ich ja nichts vom Programm weiß! Nein, das lohnt nicht!
Mir bleibt keine andere Wahl, als munter die Sendelauftaste zu betätigen oder die vorprogrammierten Knöpfe durchzudrücken, nach Interessantem zu suchen, und doch kaum Alternativen im Programm zu haben. Die Musik siegt leider immer über die Texte.
Radio ist wohl im heutigen Verständnis immer in erster Linie Musik, also immer "das Nebenbei". Muss das so sein? Ein unumstößliches Gesetz? (Man vermerke: Klassische Musik oder experimentelle Musik ist ja wohl auch nicht so nebenbei zu konsumieren – auch der der moderne Jazz nicht. All dieses wird dennoch gesendet, obwohl man es kaum nebenbei hören kann. Somit scheint dieses "Nebenbei"-Argument, das die Sender beharrlich den Hörern zuschreiben, nur ein vorgeschobenes zu sein.)
8. DIE VERPASSTE AUFZEICHNUNGSOFFENSIVE
Nähern wir uns profanen technischen Dingen: Warum eigentlich gibt es schon so lange für das Fernsehen diese programmierbaren Videorekorder, die alle Sendungen aufzeichnen? Man ging sogar von der reinen Schaltuhr-Systematik ab und produzierte jene Video-Rekorder mit dem ominösen Startsignal. Jetzt ist das ganze als "ShowView" noch weiter erleichtert worden. Schön, schön, aber eben nur für das Fernsehen.
Warum sind aber bislang noch nie Radios produziert worden, die zumindest per eingebauter Uhr und eingebautem Kassettenrecorder mittels Code oder Pfeifton die Aufnahme von Sendungen ermöglichen? Vielleicht weil es keine Sendungen gab, die sich aufzunehmen lohnten, sagen die Macher und Verwalter. Aber hätte man nicht die Radio-Sendungen so vermarkten sollen, dass sie per Speicherung aufgezeichnet werden, also beim Zuhörer ebenso wie beim Fernseher [[Mensch!]] eine Art innerer Zwang zum Aufzeichnen erzeugt wird?
Ich erinnere mich noch gut an die jugendlichen Tage, als ich mit der Pausentaste nachmittags und abends Hits aus dem Radio aufnahm und zugleich über diese manuell-umständliche Methode Nachrichten und Moderationen auf meiner Kassette "rausschneiden" wollte. Aber gegen ein leicht zu programmierendes Kassettenradio hätte ich nie etwas gehabt.
Ein typisches Beispiel wäre vielleicht auch mein Vater, der jeden Sonntag um 10 Uhr auf WDR die Musiksendung mit dem Moderator Charly Wagner hört(e) und zu dieser Sendung eine ebensolche Bindung hat wie zur Bundesliga-Berichterstattung im Fernsehen. Letztere Sendung (Bundesliga im Fernsehen) nimmt er mit Video auf, wenn er nicht zu Hause ist – Charly Wagner, die Radiosendung, aber mangels Vorrichtung nicht. Und Pausentastenaufnahmespiele entfallen ja, wenn man nicht neben dem Gerät sitzt. Zudem kommen sie einem im Internet-Zeitalter antiquiert vor.
Somit bleibt es Jugendlichen überlassen, die Hit-Sendungen abzuhören und per Pausentaste zu Musikkassetten eigener Wahl zusammenzustellen – etwas, das wir früher einmal in der Woche mit dem Grundig- oder Uher-Tonband gemacht haben. Denn in meiner Jugend (in Krefeld) gab es Rockmusik im Radio nur einmal in der Woche, und nur für eine Stunde. Dieser Tonband-Aufnahme-Akt hat in der Rückschau etwas Romantisches, gewiss, aber Lust hätte ich zu diesem anstrengenden Drücken der Pausentaste heutzutage keine mehr.
Vielmehr würde ich liebend gerne das Feature über die Erinnerungen des Schiffkapitäns aus dem Zweiten Weltkrieg aufzeichnen, wenn es dazu entsprechende Einrichtungen an den Radios gäbe und ich auch über die entsprechenden Sendeplätze informiert wäre. Und die neuen CDs, die sich vom Privatmann wie Kassetten bespielen lassen, würden solche Wünsche weiter befördern. Aber die Radiomacher scheinen beim Thema "Aufnahme"/"Mitschneiden" trotz ihrer vielen gesendeten Musik fest zu schlafen.
Hat bei der naheliegenden Idee "Einbau von Schaltuhren in Radio-Kassettenrekorder" damals die Industrie abgewunken? Dann war es aus heutiger Sicht ein Fehler! Oder haben die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten das nicht lautstark genug eingefordert? Dann war es ebenfalls ein Fehler, der dem Radio jetzt schadet.
Warum werden sendefähige Signale nur für Verkehrsmeldungen oder Senderkennungen in den Autos genutzt, aber nicht für Steuerungen z. B. für das Aufzeichnen von Radiosendungen? Ich glaube, da täte sich einiges an Aufnehmbaren auf, wenn es denn auch entsprechende Sendungen gäbe, die dann auch immer am gleichen Sendeplatz kämen und die konzentrierte textliche oder musikalische Information böten ... ganz zu schweigen von dem Bereich Bildung, Weiterbildung, Telekolleg. Und auch unsere ausländischen Mitbürger würden es bestimmt begrüßen, wenn die wenigen Sendungen bzw. Sendeminuten in ihrer Muttersprache sich dank pfiffiger Technik leicht aufzeichnen ließen. Schließlich gibt es nur ein oder zwei Stunden die Woche. Und wenn man zu dieser Zeit arbeitet oder einkauft oder Sport treibt?
9. DIE ZUKUNFT, AUF ABRUF
Zur Aufzeichnungsoffensive, die vom Radio (und das wohl in erster Linie vom öffentlich-rechtlichen) gestartet werden müsste, sollte auch eine Abrufoffensive kommen. Man müsste und wird Wege finden (Beispiel schon jetzt "Campus-Radio"), Sendungen von digitalen Speicherplätzen abzurufen und dann im eigenen Heim bei Bedarf abzuspielen. Was für Wort-Informationen Online gilt, und für Musik-Wort-Text auf CD-Rom, wird sich schnell weiterentwickeln und somit Speicherplätze für Sendungen aller Art schaffen, die ich mir in meine Wohnung klicke, wann immer ich will. Ich denke, dass die ARD-Sender in diese(r) Richtung Vorkehrungen treffen.
Im Prinzip geht schon die telefonabrufbare aktuelle Verkehrsinformation in diese Richtung. Denn das Radio, ein nicht rückspulbares Medium, kann über solche Funktionen von selbstbestimmter Wiederholung bzw. abrufbarer Zusatzinformationen den Charakter des allzu Flüchtigen verlieren. Aber auch hier gilt: Radio hat tausend mal mehr als bloß Stauservice zu bieten! Und viele Politik- und Sozialwissenschaftler wären froh, wenn sie bei Bedarf auf die eine oder die andere mündliche Quelle (z. B. das Interview vom 16.1.56 mit Mr. XYZ) jederzeit zurückgreifen könnten. Schlagerfans würden sich dann vielleicht alle Radio-Interviews von Udo Jürgens oder Marianne Rosenberg zustellen lassen: on-line, digital, via CD (die verschickt wird). Wie auch immer ... in diese Richtung wäre weiterzudenken. Ich gehe auch davon aus: Es wird bereits getan. Wird aber auch genügend getan?
10. VERGESSENE GERÄTE
Die Technik hat aber nicht nur die großen, teuren, glasfaserigen Aspekte, sondern auch die kleinen, eigentlich relativ billigen Seiten. Die Radiomacher müssten die Industrie bedrängen und hier auf Perfektionierung achten. Die Unterhaltungsgiganten sollten selbstbewusst aufgefordert werden, solche (wie z. B. oben beschrieben) und auch andere Geräte auf den Markt zu werfen. Was Mercedes mit Swatch per Auto schafft, müsste doch auch anderweitig möglich sein. Oder eine andere Idee: Die ARD selbst schließt Kooperationsverträge mit Herstellern (GRUNDIG böte sich angesichts der Krise dort an) für Geräte, die aus Sicht der Radioverantwortlichen so, genau so, auf dem Markt sein sollten.
Man müsste also überlegen, welcher Typ von Radio/Radiogerät aus Sicht der Radiomacher und aus Sicht der Radionutzer wünschenswert wäre. Dazu muss man auch den mystischen Aspekt des Zauberkastens Radio beleben. Radio als Ikone für ein Lebensgefühl, wie es mal z. B. durch den – allerdings mehr auf Kassette orientierten – Walkman oder Ghetto-Blaster geschehen ist (oder in den Radio-Anfangs-Jahren durch den legendären und propagandistisch missbrauchten Volksempfänger).
Es drängt sich ein Vergleich zwischen Radio und Fernsehen am kleinen, aber wichtigen Detail auf: Dort beim TV gibt es die Fernbedienung, wohlgemerkt als Standard für mittlerweise fast 100 % der verkauften Apparate, aber hier beim Radio existiert die Fernbedienung scheinbar erst als eine neuere Errungenschaft ... und dann zumeist nur bei den zu größeren Stereo-Haus-Anlagen gehörenden Radios bzw. Receivern.
Warum ist beim Radio dem einfachen Umschalten, dem praktischen Druckknopf, der weichen Taste niemals solch eine Bedeutung geschenkt worden? Weil das Gerät vermeintlich nur neben dem Bügelbrett steht? Bei der Hausfrau? Wer denkt an Berufe wie Maler, Tankwart, Pförtner, Polizist, Fernfahrer, Schneider, Studenten? Wer nimmt diese Zielgruppen wirklich ernst? Oder die Camper, die Schrebergärtner, die Motorradfahrer (Harley mit Radio!) am Baggersee, Sonnenanbeter am Strand?
Warum macht man die Senderwahl und das Umstellen, aber auch lauter/leise Stellen nicht wirklich leicht und benutzerfreundlich? Warum konzipiert man ergonomische Computertastaturen, aber nicht entsprechende Radiogeräte?
Zwar gibt es – auch ohne Fernbedienung – zunehmend programmierbare Speicherplätze, aber auch diese in geringer Anzahl und zudem schwer zu bedienen. Petitessen? Nein, das einfache Radio ist leider gegenüber dem Fernsehen viel komplizierter, so scheint es zumindest. Das ist ganz sicher ein Nachteil. Neuerungen geschehen, wenn, zuerst im Autoradio (typisch wieder bei DAB), und zuerst mit dem rein funktionellen Blick auf die Bedeutung des Radios für den Autofahrer. Das ist zu wenig, zumal das Radio sich selbst zum Service-Ding entwertet.
In meiner Küche steht ein modernes Gerät mit gerade 6 programmierbaren Stationstasten für alle UKW-Sender. Da muss man dann doch wieder Zahlen und Frequenzen kennen, wenn man mehr als 6 Sender hören will. Woher die Frequenzen nehmen? Vielleicht vom Kofferraum des Autos vor mir an der Ampel, wenn es die Frequenzen des lokalen/regionalen Privatsenders wegen eines Gewinnspiels in Aufkleberform mit sich trägt. Aber was ist mit weiteren Frequenzen? Also doch auf 6 Sender beschränken? Angesichts der Senderfülle auf einem UKW-Band ist man nämlich beim automatischen Sendersuchlauf minutenlang beschäftigt, um einmal das komplette Sendeband abzufragen.
Bei meinem Fernsehen aber, einem Billiggerät für 295 DM, sucht sich der Apparat die Sender selber und stellt sie dann – nach meinem "store"-Befehl – auf über 30 Plätzen ein. Die Senderkennung ist inklusive und auf dem Bildschirm in den Ecken ablesbar. Ja, alles scheint beim Fernsehen einfacher zu sein. Dabei müsste solches subjektives Empfinden eher mit dem Radio konnotiert sein, dem Ur-Baby hörbarer Frequenzen. Und vor allem bei den billigen Geräten.
Ich träume z. B. von einem Apparat – in meiner Küche –, bei dem ich nur noch eingebe (vielleicht gar einspreche!): BR 3 oder SFB 2 – und das Gerät sucht mir die beste Frequenz für den gewünschten Sender ... oder sagt mir, ich könne den Sender leider an meinem jetzigen Standort nicht empfangen. Ja dann, ja dann könnte ich wenigstens alles hören, was ich hören könnte, wenn man mich auch wirklich ließe.
10. WO BLEIBEN DIE SERIEN?
Die Serien, die Sitcoms – im Fernsehen. Jeden Tag der "Marienhof", jeden Tag "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" und andere dieser Tagproduktionen mehr. Billigproduktionen, aber doch so gut erzählt, dass die Anhänglichkeit der Zuschauer ungebrochen ist. Ich frage hier: Wo bleibt das Radio? Ja, wo? Es ist mehr als ungewöhnlich und unverständlich, dass Jahre nach der Einführung der "Lindenstraße" im Radio alles beim Alten geblieben ist. Rückzug aufs musikalische Begleitmedium. Warum?
Man hört manchmal auf den schnellen Sendern (so wie SWF 3 oder SR 3) Kurz-Serien, die dann eine Zeit lang täglich drei oder fünf Minuten zwischen den Musikstücken ausgestrahlt werden. WDR 5 hat, was ich erst zufällig nach Studium einer oberflächlichen Programmzeitschrift einzeilig und leider ohne jede weitere Zusatzinformation entdeckte, jeden Tag (allerdings nur Montag bis Freitag) eine "Radiosoap", die exakt von 11.54 bis 12.00 Uhr mittags dauert. Brosamen, achtlos hingestreut. Dabei wäre doch so eine Serie im Radio unvergleichlich billiger als im Fernsehen. Zudem: Gute Schauspieler/Sprecher könnten gleich mehrere Stimmen bzw. Personen darstellen und so einen weiteren Spareffekt bedeuten.
Dennoch: Eine echte halbstündige Radio-Serie sucht man im Radio bislang vergeblich. Dabei müssten sich alle öffentlich-rechtlichen Sender der Bundesrepublik schon längst zu solchen Produktionen zusammengeschlossen haben. Und jeden Tag zur gleichen Zeit müsste sie kommen, jede Nacht zur gleichen Zeit wiederholt werden. Und sie sollte unbedingt länger als 10 Minuten sein.
11. VEREINT SCHLAGEN, SPRICH: SENDEN
Ein Weg, der nun in der ARD klugerweise öfter beschritten wird, ist die Vernetzung von Fernsehen und Radio. Es fing wohl damals mit der Übertragung des "Internationalen Frühschoppens" und diversen Eurovisionssendungen an, und hat jetzt neue Fortsetzungen gefunden, z. B. die WDR-Sendung "Domian" (Fernsehen WDR 3 und Radio "Eins Live") oder das hessische Frühstücksradiofernsehen "Pop und Weck" (Hessen 3 und HR 3, im Moment Sende-Pause!) oder die – allerdings optisch und hörmäßig völlig überladene – "N-Joy"-Morgen-Welle (auf N3 und im NDR-Radio gleichzeitig, auch nur kurzfristig gesendet). Und natürlich – es gibt den Presse-Club "im Ersten" und auf WDR 5!
Hier ist aber viel, viel mehr möglich und machbar. Fernseh-Talkshows der ARD (warum eigentlich nicht auch des ZDF?) wie "Fliege", "Boulevard Bio", "B. trifft ...", "Wortwechsel" und ... und ... ließen sich sehr gut zeitgleich im Radio übertragen. Sie sind nicht so stark vom Bild abhängig. Selbst die ARD-Tagesschau (als Kult-Sendung, die ja auch jetzt im Fernseh-Bereich wieder in einige dritte Programme zurückgekommen ist!) ist auch ohne Bilder radiotauglich.
Solches "Doppeln" (Fernsehen + Radio) hätte zudem einen weiteren Vorteil: Die Bindung an die Sendungen wird verstärkt, weil ich das Haus verlassen kann und z. B. zu meinem Volleyballtraining oder einfach zur Schicht fahre – aber dennoch die Sendung zumindest per Ohr im Radio weiterverfolgen kann. Die gezielte Vernetzung von Radio und Fernsehen stärkt die öffentlich-rechtlichen Sender und stärkt vor allem das Radio selbst.
Denn dann gilt es wieder mehr, es übertrifft die Funktion des reinen Musikverrieselers – Radio wird im spezifischen Sinn tonangebend.
12. STIMMEN WERDEN KÖPFE
Das Radio bleibt meistens blind. Es sind Stimmen, die wir kennen – aber nur selten die Gesichter. Man sollte all diese Gesichter bekannt machen und die Radio-Köpfe so stärker in das Bewusstsein der Menschen eingraben.
Es ist mir schleierhaft, warum ich unter 'zig Fernseh-Zeitschriften am Kiosk wählen kann, die mir ununterbrochen Neues über all die vielen TV-Stars erzählen – aber praktisch nie über die Macher des Radios (wenn man von wenigen Ausnahmen, wie z. B. Carmen Thomas – die aber auch mal im Fernsehen auftrat – absieht).
Vielleicht bevorzugt der eine oder andere Moderator die Anonymität des Mediums – das sei akzeptiert. Da aber andererseits doch so viele ins Fernsehen hinüberwechseln – oder doppelgleisig fahren, muss man vermuten, dass auch in diesem Medium genug Ego-Exhibitionisten zu finden sind.
Im Internet fangen jetzt die Funkhäuser an, ihre Radio-Moderatoren zu präsentieren, oft mit Fotos. Bisweilen findet man sie auch in den hauseigenen Programmheften und -broschüren. Aber dass hier, bei den öffentlich-rechtlichen Anstalten, eine richtige und offensive Propaganda für die Menschen im Radio betrieben würde, möchte doch wohl keiner behaupten?!
Nachbemerkung:
Gewiss! Es wird schon einiges getan und gedacht, um mit dem Radio "wesentlich" zu bleiben. Gewiss! Es gibt Hotlines, Hörer-Telefone, Diskussionsendungen zur Selbstbespiegelung, viele Programmreformen. Gewiss! Und doch hat man den Eindruck, dass einige wesentliche Dinge noch nicht richtig erkannt ... oder noch nicht konsequent genug angegangen und angefangen wurden.
Dabei könnte das Radio wieder so wichtig werden, wenn wir all die Bilder und Überinformationen dieser Tage überdrüssig ausspucken. (Und man denke daran, dass auch Kneipen den Angriff des Fernsehens – und Kinos den Angriff des Videos überstanden haben ... )
Im November 1997 wurde eine Media-Analyse veröffentlicht, nach der das Radio das Fernsehen überrundet hat. 83 % der Deutschen ab 14 Jahre(n) hören täglich zumindest einmal das Radio. Die tägliche Hördauer ist auf fast drei Stunden gestiegen. 200 Millionen Audiogeräten stehen 70 Millionen Videogeräte gegenüber (Vgl. FAZ, 24.11.97).
Das Radio wehrt sich – es lässt sich nicht sang- und klanglos zum Unterton mutieren. Nicht wahr?!
___
(Der Text wurde hier für die Homepage-Variante nochmals durchgesehen und evtl. rechtschreibemäßig korrigiert und auf die neuere Rechtschreibung angepasst.)
EIN TEXT VON KLAUS JANS, geschrieben bis spätestens
8.2.1998.
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