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Ein Text von Klaus Jans aus dem Jahr 2021

 

 

        KURZPROSA

Interessen


        von Klaus Jans

Der Mann will einen riesigen Vorgarten, im neuen Wohngebiet.

Dafür soll die Straße dünner werden. Schmaler oder auch schmäler.


Jedenfalls: mehr Garten, weniger Asphalt.

Es gab heute nämlich eine Versammlung. Gibt es noch.

Nun aber kommt die Frau von Grundstück 24 A. Spricht. Sie will parken. Immer wieder parken. Deshalb sollen die Grundstücke eher kleiner werden, damit immer noch fülliger Platz für Parkbuchten seitlich der Straße bleibt, ja, ja, ja, als unbedingter und ewiglicher Bestandteil des Straßenraums.

Dies aber mögen Umweltschützer aus Germerssuhlheim nicht. Denn ihrer Ansicht nach gibt es schon genug Autos auf der Welt. Jede Parkbucht mehr würde die Attraktivität des Autos steigern. Also lieber weniger Parkbuchten.

Das mag der Verband der Automobilindustrie gar nicht. Er protestiert lauthals. Man brauche Autos. Wer wolle denn jetzt die Autos verteufeln? So brachte sich Uschi Kasfort als Verbandssprecherin ein.

Genau das sieht auch der Verbund der Elektrobetreibungsunternehmen (VdEBU) so. Durch Elektroautos sei das Auto ja gar kein Problem mehr. Also dürfte man Autos auch nicht verdammen. Sie schaden der Umwelt nicht, sie nützen gar, weil man mit den Autos Kranke von A nach B fahren kann, um nur ein Beispiel zu nennen.

Auch der Tankstellenbesitzer von der Köbstraße um die Ecke wollte weiterhin eine stattliche Zahl von Autos. Er müsse sonst schließen, er würde seine Existenz verlieren.

Da kam ein Naturschützer vom "Bund der Ameisenfreunde" auf den Plan. Autos würden der Natur den Garaus machen. Gerade Ameisen seien dadurch gefährdet. Sie würden ja einfach plattgefahren.

Nun beklagte sich der Verband der Reifenindustrie. Die Stimme war voller Ingrimm. Wenn man Worte wie "plattfahren" benütze, würde man eine ganze Industrie in Verruf bringen, und: den Autoreifen per se. Aber das gefährde 400 Arbeitsplätze in Woltersheim.

Wir ahnen: Die Schülergruppe "Kolibri" von der Realschule "Anna Gröhl" protestierte sofort. Der ganze Abrieb von den Reifen, der verbleibe erst auf der Straße, danach würde alles seitlich in die Natur geschwemmt. Über die Nahrungskette käme es dann bei den Tieren und am Ende auch bei den Menschen innen drinnen an. Im Bauch, im Körper. Man würde krank. Krebs.

Sofort meldeten sich die Ärztinnen und Ärzte im Belegdienst. Was sollten die Ärzte denn machen, gäbe es keine Krankheiten mehr? Etwas Krankheit müsste schon sein, damit man was zu tun und zu tätigen habe.

Darauf erklärte sich die Evangelische Kirche ... also die von der Lutherkirche in der Stienenstraße. Wie könnten Ärztinnen und Ärzte sich so äußern? Man wolle Krankheiten? Die Ärzteschaft fordert das? Was? – Man befürworte so letztlich sogar den Krebs. Das sei ja gotteslästerlich.

Da erhoben sich Leute, die an keinen Gott glauben, und sagten, der Einfluss der Kirche in dieser Gesellschaft gehe viel zu weit: "Jeder Mensch hat das Recht auf eine Krebserkrankung."

Nun meldeten sich Apothekerinnen aus der Region. Sie würden gerne Impfstoffe verkaufen. Gegen Krebs gäbe es aber keine Impfstoffe. Da seien ihnen also Sachen wie Corona, Grippe, Gelbsucht viel lieber. Auch sie hätten schließlich Mitarbeiter, die Lohn und Brot und tägliches Geld nötig hätten.

Das mochten die Drogisten nicht. Die Apotheken würden doch eh zu viel verkaufen, was am Ende nichts mit Medizin zu tun habe. Da könne man den Apotheken nicht weiteren Raum zugestehen. Die Drogerien darbten ja sowieso schon.

Da schlug Frau Kläglicher vor, man möge in das neue Wohngebiet auch eine Apotheke einbringen ... und eine Drogerie. Beides. Alte Leute könnten nicht immer gut laufen, oder fahren, die bräuchten etwas "um die Ecke", also auch im Wohngebiet.

Das fanden die Sprecher des Supermarktweltverbandes nicht gut: "Sehen Sie", argumentierten die, "wir brauchen Fläche, viel Fläche. Sobald Sie neue Häuser planen, muss ein großer Parkplatz her. Für den immerzu benötigten Supermarkt. Im Zweifelsfall ist jede Apotheke und jede Drogerie dafür zu opfern. Außerdem können wir Drogerieartikel auch direkt mit in unser Supermarktangebot in Kleinsiffelsheim aufnehmen."

Dieses mochten die Leute von der Partei "Die Graugrünen" nicht hören. Wie hier mit Fläche umgegangen würde, das sei nicht hinnehmbar. Man brauche kein Baugebiet, gar keines. Und schon gar nicht im Landschaftspark "Bergzauber", der touristisch so bedeutsam sei.

Nun kam ein Hochwasser-Experte und sagte: "Wir brauchen freien Boden. Denken Sie an die Katastrophe von 2021, wo war es noch? ... jedenfalls in Deutschland. Da war ja alles weggeschwemmt, Häuser, Brücken, Fundamente. Die Zahl der Toten wird fast 200 oder auch mehr als 300 gewesen sein. Wir brauchen keine Parkbuchten. Wir brauchen Land, wo Wässer hinfließen können."

Da meinte der Betreiber der Parkbuchtenbaustation Deltssiehl: "Wie sollen wir Parkbuchten produzieren, wenn diese nirgendwo genehmigt werden? Wie stellen Sie sich das vor?!"

Auch die Steinindustrie sagte: "Wir liefern die Wacke, also Gestein, wir brauchen den Bau von Parkbuchten, damit sich was tut." Ach ja, auch Baustoffhändler Würgert stimmte da zu.

Nun aber kamen die Bergschützerinnen aus Klobesheim: "Was da abgebaut wird, an unserm geliebten Berg namens Hochheiser, 1217 Meter ist der bekanntlich hoch, noch ist er so hoch, das geht doch nicht. Und alles machen die von der Steinindustrie. Man sollte denen die Wackersteine um die Ohren hauen."

Dies fanden Antigewalttrainerinnen und -trainer unmöglich. Erna und Wilko berichteten von ihren Meditationskursen und anderen Trainings in der Schürfbleichheide, und wie wichtig das sei. Aus ihrer Sicht dürfe man niemandem Steine um die Ohren hauen; werfen auch nicht.
Dies aber beklagte die Polizei sofort. Wenn niemand mehr Steine werfen könnte, würde man die Polizisten auch nicht anständig trainieren können. Was das bedeute? Man hätte eine Polizei, aber die Männer und Frauen seien de facto nicht richtig trainiert, kaum ausgebildet, also eigentlich auch nicht mehr "Polizisten" und "Polizistinnen" zu nennen.

Da weinte der Innenminister. Ja, auch der war heute bei der Versammlung dabei. "Wenn wir keine Polizisten mehr haben, die man so nennen kann, dann können wir das Ministerium auch gleich schließen."

Das mochte aber der Personalrat dieses Ministeriums nicht: "Liebe Leute, da hängen 867 Menschen dran, an einem solchen Ministerium. Wenn ihr keine Steine mehr wollt ... und so alles um die Polizei dadurch letztlich in die Binsen geht, dann sind auch wir verloren."

Woraufhin Apothekensprecher und Drogeriesprecherinnen sofort solches meinten: "Diese 867 Leute kaufen am Ende ja auch bei uns ein. Würden die keine Arbeit mehr haben, müssten wir am Ende mangels Umsatz Apotheken und Drogerien schließen."

Die Supermarktleute klatschten: "Eben! Gut so! Macht doch alles zu! Am Ende brauchen wir nämlich die Fläche. Und auch wir bieten Arbeitsplätze in Hülle und Fülle. Außerdem gibt es bei uns Parkplätze, allerdings keine Parkbuchten. Aber doch Plätze, Plätze, Plätze. – Und Leute, die kaufen!"

Nun meldete sich ein Polier, der für die Randsteinbebauung im öffentlichen Raum so gar sehr viele Aufträge schon abgewickelt hatte: "Randsteine sind für eine Parkbucht essentiell. Wenn wir nur simple Parkplätze haben, hätten wir Randsteinbauer nichts zu tun. Das darf nicht sein. Man muss doch davon ausgehen können, dass in einem neuen Wohngebiet auch sattsam Randsteine zum Einsatz kommen, alleine deshalb, damit wir noch essen und atmen können. Ohne unseren Beruf sind wir nichts!"

Da sagte ein kleines Mädchen, dass Randsteine beim Fahrradfahren immer so stören würden. Auch für Skateboardfahren sei ein Randstein auf der Straße oft nicht gut. Gerade die extra hohen! Überhaupt: Bürgersteige sollten auch nicht sein. Die Straße sollte eher wie eine reine Fläche sein, damit man als kleines Kind schön fahren könne. (Die älteren Jugendlichen hätten doch eine extra Skater-Anlage in der Innenstadt.)

Auch eine Sprecherin der "Westnämlichen Skateboardindustrie" plädierte für Straßen ohne zu hohe Randsteine und gänzlich ohne diese stets auffallenden Bürgersteige. Ansonsten würde man den Verkauf von Skateboards de facto an diese Zielgruppe einstellen müssen. Und das hätte unmittelbar die Einstellung der gesamten Skateboardproduktion zur Folge. Was es bedeute, auch wegen der Arbeitsplätze in und um Griffingen und Grallingen, könne sich jeder vorstellen.

Ein Schreiner sprach, dass diese Skateboarde sinnlos Holz verbrauchten. Der deutsche Schreinerstand würde hingegen saubere Einbauschränke liefern. Man solle auch mal über die Schreiner sprechen. Die würden Holz gut verbrauchen. Richtig gut. Auch im Dienste aller.

"Seit wann stehen denn solche Schränkte auf dem Asphalt in einem Wohngebiet", sagte Manfred Tschechner. "Seit wann?"

"Wir könnten ja für den öffentlichen Asphaltraum Bücherschränke bauen, wo man sich was rausnimmt, und danach was anderes reintut. Kostenlos. Diese Sachen, die könnten wir doch bauen. Davon gibt es schon etlich viele, aber bei Weitem nicht genug ... in all dieser Welt." Frau Rosetzky hatte diesen schönen Gedanken.

"Schön, dann bauen wir also anstatt 200 Parkbuchten in diesem Wohngebiet nun 200 Bücherschränke." So meldete sich der Bürgermeister, und er klang zynisch.

Frau Klebsamer, die bei der nächsten Wahl Bürgermeisterin werden wollte, sagte: "Dann bauen wir eben 100 Bücherschränke ... und 100 Samenschränke, alles aus nachwachsendem sauberen Holz. Und die Samen in den Samenschränken wären dann in erster Linie Baumsamen. Könnte sich jeder von uns nehmen und aussäen. Auch seitlich zur hoffentlich bald richtig schmalen Straße."

Da kam der Gärtner Peter Fuchs auf den Plan: "Die Leute sollten verdammt noch mal ihre Samen und Pflanzen und Bäume nur bei anerkannten Fachbetrieben kaufen." – "Gegen die Samenschränke werden wir protestieren ... bis zum letzten Tag", sagte er zudem noch.

Auch ein Buchhändler aus dem Hauptort Sprengen meldete sich: Man werde 100 Bücherschränke mit kostenlosen Büchern nie zulassen. Nie. Samenschränke, nun ja, Bücherschränke aber nie.

Da kam eine Dame von der Automatenindustrie ans Rednerpult und wollte nun Folgendes: Man müsse Automaten aufstellen, für Bücher, für Samen, auch für tägliche Lebensmittel. Dann könne auch der Supermarkt entfallen. Da, also dort, würde man dann einen Spielpatz bauen – statt den einen klobigen Supermarkt.

Das fand auch eine Sekretärin gut, Frau Gneiss-Üngül, die bei einer Spielgerätefirma gerade Zeitarbeit verrichtete: "Wir suchen händeringend nach neuen Spielplätzen. Parkplätze gibt es mehr als genug." Einige Eltern klatschten, auch die paar anwesenden, eher kleineren Kinder. (Die Jugendlichen waren wohl im Skate-Park in der Innenstadt.)

"Für die Spielplätze könnten wie Ketten herstellen, zum Beispiel ... damit niemand wo runterfällt. Unsere Ketten sind sehr praktische Absperrungen, wenn Sie so wollen." Das war Willbolz Kückerlein, ein absoluter Gigant für Eisenketten und Plastikketten, in jeder Größe, in allen Farben.

So war man endlich bei den Ketten angelangt. Auch bei den Verkettungen. Denn jedes hängt mit allem zusammen. Oder umgekehrt: alles mit jedem.

Surn Yokisch sprach dann noch: "Ketten schwingen hin und her, genau wie unsere Argumente hier." Werner Glinz-Yokisch nickte.


Hallodri Yokisch-Glinz-Gahl-Eversen aber schüttelte den Kopf, bis aus diesem die Federn flogen.

Hin und her, ja, das war fein beobachtet.

Hans Lutzwinninger aber klagte. "Solche vermeintlich versöhnlichen Abschlusserkenntnisse machen uns das Geschäft kaputt! Das geht doch nicht." Er war Mediator, wie alle wussten. Aber was das genau bedeutet, das war irgendwie unklar.

Dem ging es wohl nur ums Geld. So ein unerfreulicher Egoist!



Erstfassung am 24.7.2021, kleine Korrekturen am 5.12.2023 und am 6.12.2023 und am 8.12.2023.


::: ein Kurzprosatext von Klaus Jans :::


Am 6.12.2023, Mittwoch, erstmals offen-öffentlich auf dieser Webpage ins Internet gestellt.







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