::: Ein Text von Ernst Faber aus dem Jahr 1894, hier erstmals 2023
als
offene
Online-Textversion in
heutiger und gut lesbarer Schrift ... und
für alle, die um diese Dinge forschen ...
und/oder für alle, die über die Kuriosa unserer Existenz und
die vielfältigen
Abgründe des Lebens nachdenken.
ERNST
FABER
China in historischer Beleuchtung.
Eine Denkschrift
zu seinem 30jährigen Dienstjubiläum
als Missionar in China von Missionar Dr.
theol.
Ernst Faber in Shanghai.
Seit
1885 wohnte Faber in Shanghai und arbeitete von Shanghai aus.
In China eingetroffen war er am 25.4.1865, an seinem 26. Geburtstag.
Er
war vorher, vor 1895, dem Publikationsdatum hier, etliche
Jahre in Fumun tätig gewesen, im Großraum Kanton, Hongkong,
Macao gelegen, am Perlflussdelta, in der heutigen Provinz Guangdong,
früher Provinz Kanton/Canton/ Kwan Tung. Siehe die heutige Karte
online bei dem nun
folgenden Link.
www.openstreetmap.org/#map=13/22.8148/113.6726
Rück-Auslandsaufenthalte in Deutschland hatte er offenbar nur 1876
(evtl. auch noch bis ins Jahr 1877?) und 1881.
Er
tritt aus seiner (ersten) Missionsgesellschaft, der Rheinischen
Missionsgesellschaft, aber nach theologischen Disputen um die
Missionsarbeit aus. Nach einer Zwischenzeit ohne Zugehörigkeit zu
einer Mission ist er dann ab 1885 neu als Missionar für den und
bei dem Allgemeinen Evangelischen Missionsverein, AEPM (heute bekannt
als Ostasienmission). Dienstsitz Shanghai.
Im
April 1898 zog Faber nach Tsingtau (heute als Qingdao), in die
kurz zuvor
entstandene deutsche Kolonie, die aber formell mit einem
"Pachtvertrag" für ein noch größeres Gebiet namens Kiautschou
(Teil der Shandong-Halbinsel, auch bekannt als Schantung/Shantung)
erlangt
wurde. (Pacht? Keine Kolonie? – Trick 17, würde man da
sagen wollen.) Er sollte dort eine neue Missionsstation für den
AEPM aufbauen.
Von hier aus unternahm er noch Reisen
nach Tianjin, Peking und in die Provinz Shandong. In diesem Jahr
erkrankte er aber auch. Am 26. Februar 1899 starb Ernst Faber in
Tsingtau.
Bei
seinem Tod hatte er rund 32/33 Jahre China-Aufenthalt hinter sich, man
müsste (sofern man präzise Daten hat/hätte) die genauen
Deutschland-Zeiten abziehen und dann alles zusammenrechnen, um die
genaue Aufentshaltsdauer in China zu bestimmen.
Es sind in jedem Fall am Ende über
drei Jahrzehnte, das ist eine sehr lange Zeit. Allerdings: In
Peking, der Hauptstadt, als ein Beispiel, war er in diesen vielen
Jahren, zumindest bis 1895, nicht. (Siehe Seite 61 in diesem Faber-Text
von 1895 [Druck] hier weiter unten auf dieser Web-Page. Zum Lebensende
hin erst war er, offenbar von Tsingtau aus, in Peking.)
Als er den vorliegenden Text ("Doppelflugschrift" = 64 Seiten, normale
"Flugschrift" war und wäre wahrscheinlich 32 Seiten) verfasste,
war das rund vier
Jahre vor seinem Tod, also hatte er sich auch da schon rund 30 Jahre
lang(e) Chinakenntisse (der Buchtitel sagt es ja auch, aber er meint
die formelle Zeit als Missionar, nicht die reine, faktische
Anwesenheits-Zeit in China), "vor Ort" und "im Land" angeeignet.
1900
wurde ihm ein Grabmal auf dem deutschen Friedhof (später
„Europäerfriedhof“ genannt) in Tsingtau alias Tsingtao alias
Quingdao gesetzt.
Die Inschrift
auf dem Grabstein lautete, so las ich:
Das
Grab Fabers verschwand offenbar während
der chinesischen Kulturrevolution 1966–1976.
Der vorliegende Faber-Text hat teilweise Zeitraffer-Elemente, die das
Ganze
zu einem textlichen Kunstwerk und einer "Ungewöhnlichkeit" werden
lassen.
Faber, der auf vielen Seiten hier sein immenses Wissen ausbreitet,
über China, zählt jedoch auf einigen Seiten seiner
"Flugschrift" unendlich
viele Taten, Untaten, Morde, Vergiftungen usw. usf. auf. Zack, zack,
zack. Verbrechen, allesamt geschehen durch und bei unendlich viele(n)
Herrscher(n)/innen, gerne Kaiser/innen, oder Fürsten und
Militärs und Funktionäre(n) ... und Herrscherhäuser(n)
samt Beamten et al.
über viele Jahrhunderte hinweg.
Eine
Kette des Unendlichen, so
fühlt man es. So meint man es zu spüren. Es beginnt auf Seite
15 unten und zieht sich in eben diesem Stil hin bis Seite 26. Eine
Suada! Man könnte aus diesen rund zehn Seiten eine
künstlerische Lesung (Monolog für einen Schauspieler oder
eine Schauspielerin) machen, wonach allen Zuhörenden mit
Sicherheit das Hirn rauscht. Die Welt als ständiges Verbrechen.
Ein Mini-Auszug als Kleinst-Beispiel für den Stil dieser zehn
Seiten folgt
nun.
Das schlimme "Geschehen" geht via Text wie im Flug vorbei,
man behält nur so etwas wie: A tötet B, B wird von C
getötet, C wird
aber dann selber von D vergiftet, während D von E enthauptet wird,
aber E ist später Mordopfer von F ... usw. Ein
absolut ungewöhnlicher Text, der an einigen Stellen eher als
Kunst-Essay-Literatur (mit
zusätzlichen faktischen Info-Elementen) angesehen werden muss.
Klaus
Jans, am 9.10.2023, Montag, und 10.10.2023, Dienstag, und am
11.10.2023, Mittwoch. (Der Faber-Text
wurde erstmals online
gestellt am 9.10.2023.)
Bitte lesen Sie auch ein anderes Buch von Ernst Faber.
ISBN 978-3-96290-038-0
Ernst Faber | Bilder aus China Teil I und Teil II von 1877
Ausgabe in einem Buch, beide Teile.
Beobachtungen eines Missionars mit einem teils verengten, aber auch einem teils wachen (bisweilen interkulturellen) Blick.
22 Seiten LESEPROBE als PDF, ca. 4,5 MB
Ausgabe
in einem Buch, beide
Teile mit
insgesamt 39 Bildern,
die dabei von Faber bezogen auf China (Kultur, Alltagskultur, Land,
Traditionen, Religion, Politik et al.) besprochen werden.
LINK zum Buch 9783962900380
Samt Nachwort von 30 Seiten und kleiner Schreibweisenliste.
DIE NUN FOLGENDE SCHRIFT (DER
FONT) IST GEORGIA, INSOFERN DER BROWSER
VON IHNEN DIESE SCHRIFT AUCH RICHTIG WIEDERGIBT. K. J. Wir beginnen nun mit
dem
Original-Text von "China in historischer Beleuchtung". (Sperrdruck aus dem Original wird
hier in der Online-Version kursiv wiedergegeben. Bedenken Sie, dass I
und Jot derselbe Buchstabe sind, in der Original-Frakturschrift ...
nämlich da immer ein
J.)
Titel = Haupttitel (Seite I
gedanklich)
Sechste (Doppel-) Flugschrift des Allgemeinen
evangelisch-protestantischen Missionsvereins. China in historischer
Beleuchtung. Eine Denkschrift zu seinem 30jährigen
Dienstjubiläum als Missionar in China. Von Missionar Dr. theol.
Ernst Faber in Shanghai. Mit zwei Abbildungen und einer Karte. Berlin.
Druck und Verlag von A. Haack. 1895.
Seite
II (gedanklich) ||| Informationen zum Missionsverein
Der Allgemeine
evangelisch-protestantische Missionsverein wurde, nachdem
er schon im Jahre 1883 durch vertrauliche Versammlungen seiner ersten
Mitglieder
vorbereitet und ins Leben gerufen war, auf der konstituierenden
Versammlung zu
Weimar im Juni 1884 begründet. Er hat folgende Statuten angenommen:
§. 1. Der Allgemeine
evangelisch-protestantische Missionsverein steht auf dem
Grunde des Evangeliums Jesu Christi.
§. 2. Sein Zweck ist, christliche Religion und
Kultur unter den nichtchristlichen Völkern auszubreiten in
Anknüpfung an die bei diesen schon vorhandenen
Wahrheitselemente.
§. 3. Er sucht seine Aufgabe zu lösen:
a) durch
Weckung des Missionsinteresses in den weitesten Kreisen;
b) durch Vereinigung aller derjenigen, welche Mission treiben;
c) durch Förderung des Studiums der nichtchristlichen Religionen;
d) durch Anbahnung einer regeren Diskussion der
religiösen Ideen zwischen
der Christenheit und der nichtchristlichen Welt, insbesondere den
heidnischen
Kulturvölkern;
e) durch Aussendung geeigneter Persönlichkeiten zu
nichtchristlichen Völkern;
f) durch Unterstützung bereits bestehender
Missionsunternehmungen;
g) durch Förderung allgemeiner Kulturbestrebungen in der
außerchristlichen
Welt (Kolonisation, Erd- und Völkerkunde u. dergl.) und Pflege des
christlichen Sinnes in den in derselben lebenden Glaubensgenossen.
§. 4. Mitglied des Vereins kann jeder werden,
welcher die Statuten desselben
anerkennt und einen jährlichen Beitrag leistet.
§ 5. Der Gesamtverein gliedert sich nach
Ländern, Provinzen, Kantonen
oder Ähnlichem in Hauptvereine, jeder Hauptverein nach
Bedürfnis in Bezirks- und
Lokalvereine. Der Gesamtverein hat seinen rechtlichen Sitz in der Stadt
Weimar.
Protektor des Vereins ist Se.
Königl. Hoheit Karl Alexander,
Großherzog von Sachsen-Weimar.
Centralvorstand:
Präsident Prediger Dr.
Arndt in Berlin, Ehren-Präsident
Pfarrer Dr. theol. Buß
in Glarus, Vizepräsident
Prediger Lic.
Dr. Kirmß in Berlin, Centralkassierer
Reichstagsabgeordneter Konsul Karl
E. Weber in Berlin
(Ehrenmitglied des Centralvorstandes), Professor Dr. Bassermann in Heidelberg,
Oberkirchenrat Dr. D. Dreyer
in Meiningen, Konsistorialrat
Dr. Ehlers in Frankfurt a.
M., Professor Dr. Gerland in
Straßburg, Prof. Dr.
H. Holzmann in
Straßburg, Professor Dr. H. Kesselring
in Zürich, Prediger
Lic. Dr. Kind in Berlin,
Professor Dr. O. Pfleiderer
in Berlin (Groß-Lichterfelde), Pfarrer Röhrich in Genf, Konsul R. Schöller in Zürich,
Superintendent
Dr. Spinner in Ilmenau,
Amtsgerichtsrat Adler in
Flensburg, Stadtpfarrer
Bickes in Ludwigshafen,
Stadtpfarrer Schück in
Heidelberg und Senator Wessels
in Bremen. Ehrenmitglieder
sind Prof. Dr. Nippold in
Jena, Professor
Dr. M. Müller in Orford
und Generalsuperintendent Dr. Hesse
in Weimar.
Die Beiträge
der Zweigvereine und einzelne
Gaben nimmt in
Deutschland in Empfang der
Generalschatzmeister Ernst Stolze,
Berlin SW.,
Königgrätzerstraße 99; in der Schweiz Hintermeister-Boßhardt,
Zürich,
Stadelhoferstraße 26.
Anmeldungen zum Beitritt
mit beliebigem Jahresbeitrag nehmen die
Mitglieder des Centralvorstandes und der Zweigvereinsvorstände an.
Alle Zuschriften an den Centralvorstand sind unter der
Adresse des
Predigers Dr. Arndt, Berlin C., Friedrichsgracht 53, einzusenden.
Seite III (gedanklich)
LEER
SEITE IV (gedanklich)
Foto-Portrait zu Ernst Faber (siehe
Bild verkleinert weiter oben auf dieser Web-Page)
Seite
1 (gedanklich) ERNEUT = Wiederholung vom Titel = Haupttitel
Sechste (Doppel-) Flugschrift des Allgemeinen
evangelisch-protestantischen Missionsvereins. China in historischer
Beleuchtung. Eine Denkschrift zu seinem 30jährigen
Dienstjubiläum als Missionar in China. Von Missionar Dr. theol.
Ernst Faber in Shanghai. Mit zwei Abbildungen und einer Karte. Berlin.
Druck und Verlag von A. Haack. 1895.
Seite 2 (gedanklich)
LEER
Seite 3 (gedanklich)
Vorwort. Ein Jubiläum seltener Art konnte unser Missionar Dr.
theol. Ernst Faber in Shanghai am 25. April d. J. feiern, die
dreißigste Wiederkehr des Tages seiner Ankunft als Missionar in
China.
Dreißig Jahre, beinahe ein Menschenalter hindurch, hat Faber
seine
Kraft in den Dienst des schwersten aller christlichen Werke, der
Aussaat des Evangeliums auf dem so harten Boden des chinesischen
Volkes, gestellt. Unsere aufrichtigsten Glückwünsche haben
wir dem treuen Mitarbeiter am Baue des Reiches Gottes über das
Weltmeer gesandt. Möge er noch recht lange unter Gottes Schutz und
Segen zur Erneuerung der Herzen durch die Kraft des Evangeliums in dem
Lande mitwirken, das ihm fast eine zweite Heimat geworden ist! Die
vorliegende Flugschrift, eine Frucht langjähriger Beobachtungen
und Studien Dr. Fabers, ist eine Gabe, die er uns zu seinem
30jährigen Missionsjubiläum gestiftet hat. Wir lassen sie
ausgehen, nicht nur um neue Teilnahme für unsere Mission in China
zu wecken, sondern auch um allen Freunden der Mission das Bild des
Mannes näher zu rücken, der einen wohl- verdienten Ehrenplatz
unter den chinesischen Missionaren einnimmt. Ernst Faber, geboren zu
Koburg am 25. April 1839, erhielt seine Ausbildung zum Missionar im
Missionsseminar der Rheinischen Missionsgesellschaft zu Barmen vom
Jahre 1858 bis 1862. Darauf besuchte er vier Semester hindurch die
Universitäten Basel und Tübingen. Im Laboratorium des
Zoologischen Museums zu Berlin und im Geographischen Institut von Dr.
Petermann in Gotha erwarb er sich naturwissenschaftliche und
geographische Kenntnisse, die ihm später vielfach von Nutzen bei
seiner Missionsarbeit geworden sind. Am 14. August 1864 wurde E. Faber
zum Missionar für China von der Rheinischen Missionsgesellschaft
abgeordnet, am 25. April 1865 traf er in China ein. Sein erstes
Arbeitsfeld fand er in der Kantonprovinz, wo er durch Predigt,
Unterricht und medizinische Praxis missionarisch thätig war. Ende
1880 gab er sein Verhältnis zur Rheinischen Missionsgesellschaft
auf und wirkte seitdem als unabhängiger
Seite 4 (erste gedruckte Seitenzahl)
Missionar in China weiter. Am 30. September 1885 ist Faber in die
Dienste unseres Vereins eingetreten, so dass wir nunmehr seit 10 Jahren
mit ihm aufs engste verbunden sind in dem gleichen Bestreben, dem
größten
Volk der Erde das Licht unseres Evangeliums zu bringen. Zahlreich sind
die Werke Fabers, die er in deutscher, englischer und chinesischer
Sprache
verfaßt hat, wir nennen nur das fünfbändige Werk
über
chinesische und christliche Civilisation, die Bearbeitung der
chinesischen Philosophen
Micius, Licius
und Mencius, ferner die Erklärung des Markus- und
Lukas-Evangeliums
sowie viele Teile des Alten Testaments und zahlreiche Bogentraktate in
chinesischer Sprache, Aufsätze über die anthropologischen
Theorien der Chinesen
und den Konfuzianismus, den Apostel Paulus u. s. w. Wir irren nicht,
wenn wir annehmen, das Dr. Faber einer der fruchtbarsten Schriftsteller
unter den Missionaren Chinas ist und vielleicht das Meiste unter diesen
zur litterarischen Verbreitung christlicher Wahrheiten in China
beigetragen
hat. Im Sommer 1888 wurde er von der theologischen Fakultät in
Jena
ehrenhalber zum Doktor der Theologie ernannt. Seit 1886 wohnt Faber in
Shanghai. Er hat häufig Reisen ins
Innere Chinas unternommen. Im Jahre 1893 nahm er am Religionsparlament
in Chicago teil und sprach dort über den
Konfuzianismus. Zwei
Mal, im Jahre 1876 und 1881, war er auf kurze Zeit in Deutschland.
Hoffentlich ist es uns vergönnt, den Veteranen chinesischer
Missionare bald
einmal von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Der gnadenreiche Gott wolle
ihn auch ferner in frischer Kraft auf seinem Arbeitsfelde erhalten und
ihm viel Frucht seines treuen Wirkens schenken!
Berlin, den 12. September 1895.
Prediger Dr. Arndt
Präsident des Allgemeinen evangelisch-protestantischen
Missionsvereins.
Seite 5
Wer wüßte nicht, das China der älteste Kulturstaat der
Welt
ist? Wer aber von den Lesern wird sich klare Rechenschaft darüber
geben können, was den eigentümlichen Charakter der
chinesischen Kultur ausmacht und wie sich dieselbe zu den Erscheinungen
des christlichen Lebens verhält? Jetzt gerade ist China durch den
Sturmwind von Japan her kläglich zu Boden geworfen worden.
Chinas Kultur erscheint alt und abgelebt, den ernsten und
unabwendbaren Anforderungen des modernen Lebens nicht genügen zu
können. Auch China wird sich notgedrungen entschließen
müssen, mit dem Alten zu brechen und eine neue Ära zu
beginnen.
Leider ist dies in China mit ungleich größeren
Schwierigkeiten
verbunden, als es in Japan vor dreißig Jahren der Fall war. Wie
sich
Chinas Zukunft mutmaßlich gestalten wird, ist eine so wichtige
Frage
auch für die Zukunft Europas, daß es sich der Mühe
lohnt,
einen Beitrag zum Verständnis zu liefern. Die Zukunft ist jedoch
stets ein Produkt der verschiedenen Faktoren, welche in der Gegenwart
wirken. Diese Elementarwahrheit bedarf keiner Erörterung. Das es
dennoch, selbst für den aufmerksamen Beobachter geschichtlicher
Verhältnisse, ungemein schwierig ist, das Kommende mit
annähernder Gewißheit vorauszusagen, hat darin seinen Grund,
daß
selten alle Faktoren, welche in Thätigkeit sind, frühe genug
erkannt werden, daß es gewöhnlich schwierig ist, die
Stärke
der Wirkung jedes einzelnen richtig abzuschätzen, daß die
Aufeinanderwirkung und Gegenwirkung im Leben sich unendlich
mannigfaltig erweist, daß unberechenbare Umstände derartig
eingreifen können, daß schließlich ein ganz anderes
Ergebnis
herauskommt, als der Weiseste vermuten konnte.
Alle in China das
soziale und politische Leben bewegenden Kräfte lassen sich in zwei
Gruppen zusammenfassen. Man kann diese kurz bezeichnen als
Selbsterhaltungstrieb des überlieferten Chinesentums und
Einfluß
von außen durch die Fremden. Diese fremden Faktoren kann man
wieder
unterscheiden in Kaufleute, Politiker, Vertreter der Wissenschaft und
Missionare, vier auseinandertretende Richtungen, die nach verschiedenen
Methoden auf verschiedene Ziele hinarbeiten, alle aber im Gegensatz
stehen zu den althergebrachten Gewohnheiten des Chinesentums. Das
Chinesentum ist selbstverständlich auch nur ein Begriff, dessen
wirkliche Vertreter der Kaiser und seine Familie, die Minister und
Beamten, einschließlich Militär, die Gelehrten oder
Gebildeten,
gewöhnlich Litteraten genannt, die Landleute, Kaufleute und
Gewerbetreibenden sind. Parasiten und gefährliche Elemente sind
auch sehr reichlich vorhanden. Jede Klasse hat natürlich ihre
Sonderinteressen und sucht dieselben entgegen den andern zur Geltung zu
bringen. Der Zustand irgend eines Staats ist jederzeit das Ergebnis der
Ausgleichung der Sonderinteressen der verschiedenen
Körperschaften. Die einzelnen werden durch den Druck der
Verhältnisse genötigt, sich zu Interessengruppen
zusammenzuschließen. Darum sind in China die Gilden unter
Handwerkern
und Kaufleuten, die
Seite 6
Clans und Dorfgenossenschaften unter der Landbevölkerung, die
Vereinigungen der Litteraten und der Geheimgesellschaften,
einflußreiche politische Faktoren. Dieses alles zu verstehen, ist
nicht
möglich ohne Rücksichtnahme auf Chinas Vergangenheit. Eine
eingehende Darlegung des geschichtlichen Werdens der jetzigen
chinesischen Verhältnisse, also nicht nur der politischen, sondern
besonders der Kultur- und Sitten-Geschichte Chinas wäre dazu
erforderlich. Da aber weder der beschränkte Raum einer
Flugschrift, noch meine durch chinesische Arbeiten in Anspruch
genommene Zeit, noch die Umgebung in der Fremde eine erschöpfende
und dabei für den deutschen Leserkreis genießbare Arbeit
ermöglicht, so werden einige Originalskizzen Ersatz bieten
müssen, bis etwas Besseres von berufener Seite geboten wird.
Der
Inhalt meiner Flugschrift ist folgender:
1. Umfang des chinesischen
Reiches.
2. Geschichte der Ausdehnung.
3. Produktion.
4. Staatsorganismus.
5. Selbstverwaltung.
6. Züge aus der
Kaisergeschichte.
7. Die kaiserlichen Frauen.
8. Kaiserliche
Familienangelegenheiten.
9. Die Eunuchen.
10. Minister und Beamte.
11. Kulturgeschichte.
12. Litteratur.
13. Taoismus.
14. Konfuzianismus.
15. Der Tempel des Konfuzius.
16. Buddhismus.
17. Dunkel der Nacht in
der Gegenwart.
18. Sterne der Hoffnung.
19. Morgendämmerung.
20.
Tagesanbruch.
Schlußbetrachtung.
Chinesische Namen werden, soweit nur
möglich, vermieden. Wer solche wünscht, kann die Mehrzahl
finden in S. v. Fries,
Abriß der Geschichte Chinas, Wien 1884. Es ist
ein kurzes aber sehr brauchbares Werk, das ich viel benutzt habe. China
von M. G. Pauthier (Deutsch
von Dr. C. A. Mebold,
Stuttgart 1839)
bietet wichtige Ergänzungen. A short History of China, by Boulger
ist ausführlicher in der neuesten Geschichte. Mayers, The Chinese
Reader's Manual enthält historische Tabellen mit den chinesischen
Zeichen, auch biographische Notizen in 974 Nummern. Desselben
Verfassers Chinese Government ist ebenfalls handlich zum Nachschlagen.
Leider fehlt noch ein gutes Handbuch der chinesischen Geschichte. Die
Benutzung chinesischer Quellenwerke ist sehr mühsam und
zeitraubend. Es war mir deshalb nicht möglich, jeden Satz nach den
Quellen zu prüfen. Dieses ist erforderlich, da die chinesischen
Kompendien nicht frei von Fehlern sind. Aber selbst die großen
autorisierten Ausgaben der Dynastiengeschichten sind nicht ohne
Irrtümer. Das gesamte Material zu bewältigen, ist aber kaum
in einem Menschenleben möglich. Es haben viele Kenner durch
Einzelforschungen den Weg zu bereiten. Mein Bestreben war es, so viel
als möglich nur Thatsachen, und zwar verbürgte Thatsachen,
reden zu lassen. Sollte sich ein Fehler unbemerkt eingeschlichen haben,
so wäre der Verfasser für baldige Mitteilung unter der
Adresse der Verlagshandlung sehr dankbar.
Seite 7
I. Umfang des chinesischen Reiches. Vor etwa 50 Jahren besaß
China
seine größte Ausdehnung, nach bester Schätzung
ungefähr
5,300 000 englische Quadratmeilen (9 englische □ M. = ca. 1 deutsche
□ M.).
Jetzt ist diese Zahl auf ungefähr 5 000 000 □ M. reduziert,
und durch den Friedensschluß mit Japan gehen wieder circa 20 000 □ M.
ab,
es bleibt aber noch immer ein ungeheures Gebiet. China ist, nach
seinem Quadratinhalt gemessen, der dritte Staat der Welt. Das
brittische Reich steht mit 8 851 951 □ M. obenan, dann folgt Russland
mit 8 660 282 □ M.,
während die Vereinigten Staaten von Nord-Amerika mit 3 596 521 □
M. und Brasilien mit 3 217 645 □ M.
hinter China zurückstehen. Das gesamte Deutsche Reich umfast (ohne
Kolonien) 208 590 □ M.,
also noch nicht ein Zwanzigstel der kompakten
Masse der Oberfläche des chinesischen Reichs. Es wären 24
deutsche Reiche erforderlich, die Ausdehnung des chinesischen Reichs
darzustellen, während die Einwohner- zahl Chinas nur achtmal so
groß ist, als die Deutschlands. Das ergiebt eine dreimal dichtere
Bevölkerung Deutschlands, als im Durchschnitt in China vorhanden
ist. Die häufig gedruckte Behauptung der Übervölkerung
Chinas stammt aus oberflächlicher Beobachtung von Reisenden,
welche nur etliche der Hauptverkehrsstraßen Chinas gesehen haben.
Nur
die Flußniederungen sind übervölkert, während im
Innern
ungeheure Gebiete sehr öde sind. Mangelhafte Verkehrswege sind die
Haupthemmnisse der Bevölkerungszunahme in den von den
Wasserstraßen abgelegenen Gegenden. Das chinesische Reich besteht
aus
dem eigentlichen China, der Mandschurei, Mongolei, Turkestan, Rokonor
und Tibet. Die früheren Vasallenstaaten Korea, Birma, Annam und
Cochinchina fommen nicht mehr in Betracht.
Das eigentliche China hat
eine ausgezeichnete Bodenbeschaffenheit. Hohe Gebirgszüge mit
ihren weitgestreckten Ausläufern bergen viel edle Mineralien.
Mehrere gewaltige Ströme und viele kleinere schiffbare
Flüsse, auch zahlreiche Kanäle durchschneiden das Land als
Hauptverkehrsadern. Die ausgedehnten Flußniederungen und Ebenen
sind
außerordentlich fruchtbar und volkreich. Eine langgegliederte
Seeküste bietet viele ausgezeichnete Häfen. Unzählige
Inseln entlang der Küste dienen der sehr ergiebigen Fischerei zur
Stütze. Selbst das Hochland von Tibet und der Mongolei ist zu
Viehzucht geeignet und war in früheren Jahrhunderten viel
volksreicher als jetzt. Das Klima ist gemäßigt und
abgestuft, die
Regenmengen sind fast überall regelmäßig, vom Monsun
abhängig. Alle Teile des großen Reichs, mit sehr
Seite 8
geringen Ausnahmen, sind gut bewässert. China sollte darum
mindestens
die fünffache Zahl seiner jetzigen Bewohner anständig
unterhalten können,
denn es sind nicht nur die Boden- und Klimaverhältnisse
günstiger als in
Deutschland, sondern die Chinesen sind auch durchschnittlich
genügsamer als
die Deutschen. Schon dieses Zahlenverhältnis wirft ein
ungünstiges Licht
auf die chinesische Staatsverwaltung.
Der Anfang der chinesischen Geschichte ist in mythisches Dunkel
gehüllt.
Das Herrschaftsgebiet war dreihundert Jahre vor Konfuzius, also circa
800 v. Chr. noch von sehr mäßigem Umfang am Gelbfluß,
an dessen
Biegung vom südlichen Lauf nach Osten. Es erstreckte sich zu
beiden Seiten des Flusses, aber nicht bis zur Spitze der
Shantung-Provinz reichend,
auch
nach Süden nur etwa die halbe Entfernung zum Yangtze durchmessend.
Die Feudalstaaten, welche zu Anfang der Tschao-Dynastie errichtet
wurden,
waren meist noch barbarische Gebiete, d. h. von teilweise
unabhängiger Urbevölkerung bewohnt. Die Lehnsfürsten
unterwarfen sich aber
ihre Länder allmählich und dehnten so die chinesische
Herrschaft nach allen
Seiten aus.
Nebenbei bekriegten sie einander mehrere Hundert Jahre, bis
schließlich um
220_v. Chr. der König von Tshin (Westen) allen Feudalstaaten und
dem
Herrscherhause ein Ende bereitete. Damit beginnt der chinesische
Einheitsstaat oder vielmehr
der Kampf um die einheitliche Regierungsgewalt,
welcher
mit wenigen Ruhepausen bis in die gegenwärtige Zeit reicht. Die
ganze
Periode der Tschao-Dynastie (1122-221 v. Chr.) war eigentlich eine
ununterbrochene Kriegszeit. Dabei wurden Millionen von Menschen hin-
geschlachtet. Die Vorstellung, daß das chinesische Kaiserreich
seit circa
3000 v. Chr. bestanden habe, ist völlig unbegründet. Daraus,
daß
zu Anfang der historischen Periode, 800 v. Chr. die Urbewohner noch
mächtig waren, nicht nur an den Grenzen und in den
unzugänglichen
Gebirgen, sondern in verschiedenen großen Feudalstaaten, an
Flüssen und am
Meeresstrande, geht hervor, daß das chinesische Reich vor Anfang
der Tschao
(1122 v. Chr.) nur auf ein sehr kleines Gebiet beschränkt gewesen
sein kann.
Der sogenannte Kaiser war etwa das Oberhaupt über eine Anzahl
Familienhäupter oder Geschlechter, welche je nach der Zahl ihrer
Stammangehörigen
verschiedene Rangtitel annahmen resp. erhielten. Es sollen solcher
Fürsten
1800 existiert haben, aber nur die Namen von 124 sind erhalten und
unter
diesen befinden sich 55 Lehnsstaaten der Tschao. Nur etwa 24 dieser
Staaten erlangten einige Bedeutung. Davon lagen fünf nördlich
vom
Gelbfluß, die andern südlich. Erst gegen das Ende der
Dynastie Tschao
überschritt China mit seinen südlichen Reichsgrenzen den
Yangtze. Unter
Seite 9
den folgenden Tshinherrschern erstreckten sich die Grenzen im Osten bis
Korea, nach Norden nicht weit über Peking hinaus. Im Westen
schloß
das Reich nur die östlichen Teile von Kansu uud Szechuan, nicht
weit über
den jezigen Hafenplatz Chungking hinaus, in sich, im Süden bildete
nominell Annam die Grenze. Von Norden her bedrängten mongolische
Stämme die Grenze durch oft wiederholte Einfälle. Man suchte
sich
chinesischerseits zu schützen durch Wälle und Mauern,
welche allmählich zur
großen chinesischen Mauer vereinigt wurden. Der Anfang dazu wurde
schon
um 240 v. Chr. von drei Feudalstaaten gemacht, welche Mongolen zu
Grenznachbarn hatten. Auch noch in der Ming-Zeit, 1547. Chr. wurden im
Nordwesten von Peking 800 Li (chinesische Meilen) Mauer resp. Wall
gebaut. Die große Mauer ist also das Werk von circa 1800 Jahren.
Im Osten bildete seit cira 200 v. Chr. das Meer die natürliche
Grenze.
Im Westen war die Grenze eigentlich nie fest bestimmt. Eine Expedition,
die von 135 v. Chr. an dreizehn Jahre in Anspruch nahm, drang bis ans
Kaspische Meer vor, ohne jedoch bleibende Erfolge zu erzielen. Blutige
Kriege mit den barbarischenVölkern des Westens, den Jung, den
Tanguten,
Turfanen, Turkomanen und Tibetanern ziehen sich durch die chinesische
Geschichte von circa 1000. v. Chr. bis in die allerneueste Zeit.
Daß
die
Mongolen sogar nach Europa vordrangen, bis sie bei Liegnitz 1241 auf
energischen Widerstand stießen, ist allgemein bekannt. Erst die
Kaiser der
Mandschu-Dynastie haben aber die Nordländer, die Mandschurei und
Mongolei, sowie die Westländer, Tibet und Turkestan, von Jlami bis
Kaschgar und Jli dem chinesischen Reiche wirklich einverleibt. Kang Hi
führte in Centralasien Kriege mit gewaltigen Armeen von 1691–1720.
Weitere Kriegszüge in he Gegenden fanden statt 1724, 1729–1734,
1756–1759. Jm Jahre 1768 drang eine chinesische Armee von
200 000 Mann in Birma ein und machte diesen Staat tributpflichtig.
Die Goochas machten 191 einen Einfall in Tibet, wurden aber durch
70 000 Chinesen zurückgetrieben und verfolgt.
Gegen Korea wurden öfters Kriege geführt,
so 108 v. Chr., dann
um 600 n. Chr., 610, 613, 645, 668 etc. Im Jahre 1593 vertrieb
aber ein chinesisches Heer auf Bitten der Koreaner die japanische
Invasion
von dort. Mit Japan hatte China auch sonst oft
Zusammenstöße,
so
660, wo Japan einem in China bekriegten Nordstaat half, aber ohne
Erfolg. Chinesische Unternehmungen gegen Japan scheiterten 1274 und
1281. Im Jahre 1374 (letzte Zahl:
4,
?, hier unsicher, K. J.) wurde aber eine japanische Flotte bei
den
Liu
Kiu Inseln gefangen. Japanische Seeräuber beunruhigten jedoch auch
später noch öfters die chinesische Küste. Im Jahre 1873
landeten die
Japaner eine Expeditionstruppe auf Formosa, da die chinesische
Regierung
sich geweigert hatte, Ersatz zu gewähren für ein gestrandetes
Schiff, dessen
Seite 10
Mannschaft ermordet worden war. Durch Vermittlung der Engländer
verstand sich China zur Zahlung von 500 000 Taels, und die Japaner
verließen Formosa bis auf gelegenere Zeit.
Durch den eben beendeten Krieg hat Japan über China ein
bedeutendes Übergewicht errungen und wird wohl in Zukunft die
entscheidende Stimme in Ostasien führen.
Aus obiger Skizze ist ersichtlich, daß es
zweifelsohne die
Militärmacht war, welche
es China ermöglichte, seine großartigen
Erfolge zu
erzielen. Den überlegenen Heeren der Mongolen und Mandschuren
dagegen
konnte China nicht Stand halten, wurde deshalb so lange von diesen
Ausländern beherrscht, bis auch sie aufgelöst waren in den
chinesischen Brei. (Sic! Brei, K.
J.) Japan siegte ebenfalls durch überlegene
militärische
Tüchtigkeit und zeigt
dieselbe Tendenz, sich mit China zu vermischen. Dabei wird jedoch unter
den jetzt obwaltenden Verhältnissen die japanische
Eigentümlichkeit herrschend
bleiben. Dieses wäre für Ostasien kein Unglück, wenn
Japan
sich dem
Einfluß des christlichen
Geistes immer mehr erschließt.
Ostasien als ein
wohlregierter Staat oder Staatenbund wäre eine Garantie für
den Weltfrieden, während eine Anzahl kleiner Staaten nur Krieg
untereinander,
dazu Eifersucht, wenn nicht Habgier unter den Westmächten mit
möglichen
blutigen Konflikten hervorrufen würde.
Produktion ist immer ein Resultat der Kultur. Unter Kultur versteht
man mancherlei, eine der einfachsten Definitionen ist Dienstbarmachung
der
Natur für menschliche Zwecke. In China gschah das schon von den
ältesten Zeiten an in einer Weise, welche die de
Nachbarvölker weit übertraf. Der Ackerbau wurde stets
hochgeschätzt, besonders zur
Gewinnung
von Getreide, auch von Bohnen, Melonen und anderen Früchten. Viehzucht reicht auch in die
vorhistorische Zeit zurück, es werden
namentlich
erwähnt, Pferde, Rinder, Schweine, Hunde, Schafe und Ziegen,
Geflügel,
die Seidenraupe, etwas später Bienen und ein anderes Wachsinsekt
(Coccos),
auch Fischzucht. Wagen wurden verwendet für die Fortbewegung zu
Lande und Schiffe für die zu Wasser. Bogen und Pfeile, auch
allerlei
Hieb- und
Stoßwaffen, Schilde, Befestigungen der Märkte und
Städte
gehören ebenfalls
der Urzeit an. Mancherlei Gerätschaften für Haus und Feld,
Werkzeuge
zu verschiedenem Gebrauch sind schon abgebildet in den Anfängen
chinesischer
Bilderschrift. Wohnungen zum Schutz gegen die Witterung wie zur
Bequemlichkeit, Gräber und Monumente reichen bis ins 5.
Jahrtausend
(von
jetzt) zurück. Kleidung, obere und untere, innere und
äußere, Mützen,
Schuhe, Schmucksachen, sind wohl eben so alt. Speise wurde damals schon
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am Feuer bereitet und war sowohl vegetabilisch als animalisch. Von
Industrieen waren im Gange: Weberei, Bearbeitung verschiedener
Steinarten und Metalle, Keramik, Tischlerei und sonstige Holzarbeit,
Flechtwaren
von Bambus, Schilf und Grasarten, wohl auch Weiden, Baugewerke,
Waffenverfertiger, Gerber, Felle und Lederwaren, Seiler u. s. w. Von
den Künsten war besonders Musik viel geübt, man hatte
Instrumente von
achterlei Material. Wagenlenken und Bogenschießen galten
ebenfalls als
Künste. Die Kriegskunst hielt sich auf der Höhe der Zeit. Die
Chinesen
übertrafen bis um 1000 n. Chr. alle Nachbarstaaten in Bewaffnung,
Heeresorganisation und Taktik. Die Heilkunst fand Pflege und nahm
allmählich etwa 1500 Arzneimittel aus den drei Naturreichen in
Gebrauch.
Die Schreibekunst entwickelte sich zu einer Litteratur von bedeutendem
Umfang, zu der sich die angrenzenden Nationen nur empfangend
verhielten.
Malerei, Skulptur und Schauspiel fanden auch allmählich
Entwicklung. Von wichtigen Erfindungen seien nur etliche
aufgezählt, davon sind
einige
über 2000 Jahre alt. Der Kompaß, das Schießpulver, die
Buchdruckerkunst, Porzellan, Papier, Tusche und Pinsel,
Holzschneidekunst zu
Illustrationen
und Buchdruck, Branntwein, Thee, Räucherwerk, Feuerwerk,
Fächer, Spiegel,
Schminke, Schirme, Kochöfen, heizbare Betten, Farben, Zucker,
Öle,
Gewinnung und Läuterung von Gold, Silber, Kupfer, Zinn, Blei,
Quecksilber, Zinnober, Eisen, Schwefel; Steinkohle wird mit Erde
vermengt in
Formen gepreßt und so für den Küchengebrauch
vorbereitet. Ferner ist schon
seit Jahrhunderten bekannt die Herstellung von Emaille, Geld, auch
Papiergeld, Kanäle, Brücken, Kettenbrücken,
Fahrstraßen, Maße, Gewichte,
die Wage, Laternen, Lampen, Lack und Firnisse, Stickerei, Glaswaren,
Horn- und Elfenbeinarbeiten, ein Staatskalender, Staatszeitung, Post zu
Regierungszwecken, sowie einzelne Privatpostanstalten, Gasthäuser,
Wasseruhren, astronomische Instrumente, Maschinen zum Bewässern
etc. Als
Lasttiere dienten Pferde, Ochsen, Esel, Maultiere, der Yack und das
Schaf.
Eine Liste sämtlicher Natur- und Industrie-Produkte Chinas, welche
in der
Neuzeit irgendwie Verwendung finden, ließ ich vor etlichen Jahren
nach der
großen chinesischen Encyklopädie anfertigen und erhielt 8093
Namen, nämlich für
Getreide 862, für Bambus 257, für Blumen und Kräuter
1972, für Gemüse
832, für Früchte und andere Bäume 1097, für
Vögel 514, für Säugetiere 251,
für beschuppte Tiere (Fische, Schlangen, Reptilien) 786, für
Insekten 297, für
Industrieprodukte, mineralische 263, botanische 151, animalische 157,
für sonstige
Produkte menschlicher Arbeit 654. Im ganzen zur Botanik
gehörig 5020, zur
Zoologie 1848, zur Industrie 1225. Viele der Namen lassen sich jedoch
nicht
bestimmen ohne Vergleichung des betreffenden Gegenstandes mit andern.
Ein
Museum ist dazu unerläßlich. Viele dieser Produkte sind dem
Auslande
noch unbekannt, manche derselben könnten vielleicht Handelsartikel
werden.
Seite 12
Außerdem giebt es hier noch manche Naturprodukte, deren Wert von
den
Chinesen bis jetzt nicht erkannt ist.
Schon in ältester Zeit hielten in China die Blutsverwandten
zusammen
im Familienverband. Solche
Familien vergrößerten sich
natürlich in
etlichen Generationen zum Clan
oder Stamm. Der älteste
Vater
bildete
das natürliche Haupt. In gemeinsamer Gefahr verbanden sich wohl
eine
Anzahl Stämme unter einem Anführer, bei dem dann die
Würde der Oberherrschaft blieb, zum Wohl des Ganzen, erst durch
Wahl auf den Besten
übergehend, dann erblich auf einen Sohn. Schon der erste
Oberherrscher
der in den Klassikern erwähnte Yao, fand Beihilfe nötig,
suchte sich deshalb
tüchtige Leute aus, wovon jeder ein besonderes Amt resp.
Staatsgeschäft
übernahm. Diese waren, (Sic!
Komma im Original, K. J.) öffentliche Arbeiten, wie
Regulierung
des Wassers,
Aufsicht der Arbeiter, Ackerbau, Unterricht in der sozialen Pflichten,
Rechtspflege, Forstpflege, Religionsübung, Musik und Gesang.
Besondere
Fürsorge
erhielt auch der Kalender. Da man dem Monde folgte, war es nötig,
Übereinstimmung mit dem Sonnenjahr herzustellen, um bestimmte
Jahreszeiten für den Feldbau etc. zu erhalten. Diese uralten
Einrichtungen wurden
später zu sechs Ministerien umgestaltet, Civil-Amt, Finanzen,
Riten, Krieg,
Justiz, öffentliche Werke. Jedes Ministerium hat zwei
Präsidenten und
vier Vizepräsidenten. Über die Ministerien sind zwei
Kabinette, das Großsekretariat, das aus vier Sekretären und
zwei Assistenten besteht.
Zwei
Sekretäre sind Mandschu. Zehn Räte sind beigegeben und etwa
200 andere
Beamte. Die kaiserlichen Siegel, 25 Formen, sind hier aufbewahrt. Der
General-Rat, gebildet aus den Häuptern der Minister und des andern
Kabinetts, besteht erst seit 1730. Seine Beschlüsse werden in der
Peking-Gazette veröffentlicht. Die Mongolei, Tibet, Jli und
Turkestan
stehen
unter dem Kolonial-Amt. Die Beziehungen zu den Westmächten werden
seit Januar 1861 vom Auswärtigen Amt, Tsurgli Yamen, besorgt. Man
berechnet, daß ungefähr 20,000 Beamte aller Grade in Peking
beschäftigt
sind, davon sind drei Teile Chinesen und ein Teil Mandschu. Die
Einteilung des eigentlichen China in Provinzen uni Distrikte war
verschieden
unter verschiedenen Dynastien. Gewöhnlich werden 18 Provinzen
genannt,
für das laufende Jahrhundert. Seit einigen Jahren zählte man
aber auch Jli und Formosa, also im ganzen 20 Provinzen. Davon haben nur
zwei
Provinzen je einen Vizekönig, nämlich Chili um Szechuan,
dreizehn Provinzen sind unter sechs Vizekönige verteilt,
während vier
Provinzen nur
Gouverneure an der Spitze haben. Da die acht Vizekönige auch 12
Gouverneure zur Seite haben, so sind es zusammen 24 hohe
Würdenträger.
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Die Mandschurei hat ebenfalls einen Vizekönig, wird aber
verschieden verwaltet. In sämtlichen Provinzen sind etwas
über 2000
kaiserliche Beamte
im Dienst. Die Provinzialregierung ist in manchen Stücken ziemlich
unabhängig von der Centralregierung. Die Entfernungen von Peking
sind
meist groß und die Verkehrsmittel noch zu ungenügend, als
daß diesem
Mangel baldigst abgeholfen werden könnte. Etwas Besserung hat der
Telegraph schon gebracht. Wie viel aber noch an einheitlicher
Organisation nachzuholen bleibt, selbst bei der Armee und der Marine,
hat der Krieg mit Japan bemerklich gemacht. Die Flotte blieb zerstreut,
nur das
Nordgeschwader kam in den Kampf. So oder ähnlich war es auch mit
dem
Landheer. Wo verschiedene Armeen zugegen waren, fehlte es an
einheitlicher Leitung. Erfolg im großen ist unmöglich, so
lange
jeder höhere Mandarin thut, was ihm recht deucht, ohne die Zucht
und Ordnung, welche
das Ganze zusammenhält.
Die Zahl der Unterbeamten,
welche entweder von jedem Mandarin
nach persönlichem Belieben angestellt werden, oder welche bleibend
Lokalposten füllen und genau mit allen örtlichen
Verhältnissen bekannt den Mandarinen unentbehrlich sind, ist
bedeutend größer als die
Zahl der eigentlichen Mandarine. Daneben ist noch eine große
Anzahl von
Amtskandidaten
in jeder Provinz vorhanden, welche auf Gelegenheit warten, in den
aktiven
Dienst zu treten. Eigentümlich ist, daß viele Lokalbeamte
gar keine Besoldung erhalten, sich daher amtlich ihren Unterhalt und
einen
Reservefonds
verschaffen müssen. Die kaiserlichen Beamten sind auf der andern
Seite
sämtlich zu niedrig besoldet, deshalb auch auf
amtliche Nebeneinkünfte angewiesen. Dieses ganz ungewisse
Einkommen hat natürlich zur Folge,
daß
die Gedanken der Beamten viel zu sehr auf Erwerb gerichtet sind und
häufig genug alles amtliche Streben darauf ausgeht. Die Wohlfahrt
des
Volks wird vernachlässigt und die Stellung Chinas unter den
übrigen
Staaten der Welt erfährt eine nur aufgenötigte
Berücksichtigung.
Was das Volk doch mit dem Mandarinat aussöhnt, ist,
daß der Zugang zu den höchsten Ehrenstellen nicht an eine
bevorzugte
Klasse gebunden
ist, sondern auch dem Bauern und Handwerker offen steht, wenn er die
vorgeschriebenen Examina bestehen kann, was nicht selten der Fall ist.
Erblichen Adel giebt es allerdings auch, derselbe ist aber für
gewöhnlich beschränkt auf die Dauer einer Dynastie und geht
nur auf den
ältesten Sohn
über. Nachkommen eines Kaisers sinken von Generation zu Generation
eine Stufe, bis sie dem Volke ganz gleich geworden sind.
Wenn auch der Kaiser
theoretisch absolute Gewalt hat, so ist seine
despotische Willkür doch vielfach gehemmt durch das Mandarinat,
freilich
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leider oft auch seine besten Pläne. Die Mandarine haben ebenfalls
einen
weiten Spielraum für Willkür und Despotismus, sind aber
wieder gehemmt
nach oben durch Vorgesetzte, nach unten durch Unterbeamte und alle
durchs
Volk. Das Volk findet seine natürliche Vertretung in den
Graduierten.
Manche von diesen haben früher hohe Staatsämter bekleidet,
zogen sich
aber dann wegen der gesetzlichen 27 Monate währenden Trauer um
Vater
oder Mutter, oder aus anderen Gründen zurück. Diese haben
natürlich
großen Einfluß auf ihre nähere und weitere Umgebung.
Manche besitzen
das Recht, Eingaben direkt an den Thron zu machen. Schon darum ist
ihre Stimme von höchstem Gewicht bei den Lokalbehörden bis
zum Vizekönig der Provinz.
Das Volk
hat verschiedene Organisation. Die erweiterten Familien
oder Clans haben ihre eigenen Oberhäupter, auch Centralpunkte in
den
Ahnenhallen, wo die Opfer, Schmäuse und Versammlungen stattfinden.
Die Ältesten können auch Strafen verhängen, besonders
Körperstrafen, Todesstrafe ist nicht gesetzlich, wird aber auch
angewendet. Ausstoß
aus der
Gemeinschaft, was gleichbedeutend ist mit dem Verlust bürgerlicher
Rechte,
kommt häufiger vor. Oft fällt die Clangemeinde mit der
Dorfgemeinde
zusammen, aber es giebt auch viele Dörfer mit gemischter
Bevölkerung, wo also Leute aus verschiedenen Stämmen entweder
in getrennten
Quartieren
oder durcheinander wohnen. Diese wählen dann ihre
Dorfältesten aus den
alten und angesehenen Männern. Viele Dorfsitten, deren Beobachtung
auch
von den Ältesten erzwungen wird, sind oft eine schwere Last
für Unbemittelte.
So die Beiträge zu Götzenfesten, öffentlichen
Schauspielen, unverhältnismäßiger Aufwand bei Heirat,
Geburt von Söhnen,
Begräbnissen etc. Die
Betreffenden müssen oft Haus und Feld verpfänden oder
verkaufen, oder
ihre Mädchen verkaufen, um den unsinnigen Gebräuchen zu
genügen. Wenn
einmal verschuldet, sind diese Leute auch dem Ruin nahe, weil der
Zinsfuß
sehr hoch ist, 36% und darüber. In den größeren
Marktorten und den
Städten sind die Kaufleute unter sich zu Gilden verbunden, wie die
Thee-,
Seiden-, Drogenhändler, auch die Geldgeschäfte. Handwerker,
wie Schreiner,
Schneider, Barbiere etc. haben auch ihre Gilden. An der Spitze der
Gilde
steht gewöhnlich ein höherer Graduierter als Sachwalter vor
den Mandarinen.
Diese Gilden vermögen bedeutenden Druck auszuüben auf ihre
Angehörigen,
das Publikum und die Behörden. Selbst die Diebe und Bettler haben
ihre Zunftvereinigungen. Polizei wird man aber nirgends gewahr.
Wächter
allerdings lassen sich bei Nacht hören und am Tage sehen zum
Schutz gegen
Diebe. Bettel dagegen ist jedermann erlaubt. Reinlichkeit ist ganz
Privatsache. Jeder darf vor der eigenen Thüre kehren, wenn er Lust
dazu
hat,
aber auch die abscheulichsten Kübel mit Düngmitteln davor
aufstellen, wenn
es ihm gefällt, was häufig der Fall ist. Die Toten werden
irgendwo be-
Seite 15
graben, unzählige Särge sieht man aber auch auf offenem Felde
oder auf
Plätzen in den Städten dastehen. Der Geruchsinn bezeugt,
daß dieselben
nicht luftdicht verschlossen sind. Lärm zu machen in seinem Hause
oder
davor auf der Straße, dazu ist jedermann bei Tag und Nacht
berechtigt,
ohne Widerspruch der Polizei fürchten zu müssen. Die Wege und
Brücken
überläßt man in der Regel den eigenen Einfällen.
Hie und da sorgt ein
wohlthätiger Herr oder eine Gesellschaft solcher für deren
Instandsetzung,
aber immer sehr lokal beschränkt. Die Zollhäuser sind eine
Landplage.
Dieses gilt durchaus nicht von den Hafenplätzen, woselbst
Ausländer den
Zoll der fremden Schiffahrt verwalten. Im Innern des Landes sind die
Zollhäuser verpachtet und leider hat man auf einer
Handelsstraße eine große
Anzahl zu passieren, wie etwa in guter alter Zeit auf dem Rhein. Diese
Zollhäuser sind zugleich Schutzstätten gegen das
Eindringen fremder Waren
ins Innere. Die Durchgangsscheine vermindern das Übel etwas, heben
es aber noch lange nicht, da jede Ware doch in die Hände
chinesischer
Händler kommen muß.
Religiöse Gemeinden giebt es nicht bei den
Konfuzianern. Die Buddhisten haben Klöster, die Taoisten
ebenfalls. Die Priester und
Mönche sind
ganz ebenso dem Strafrecht und den Mandarinen unterworfen wie die
Laien.
Wenn man in den Werken, welche über China handeln, liest,
daß der
Taoismus Gelassenheit und
stilles Dulden als höchste Tugend
predigt,
daß der Buddhismus
Schonung des Lebens und Selbstentsagung
fordert,
daß der Konfuzianismus
Liebe und Gerechtigkeit und damit
verbunden
strenge Subordination einschärft, so vermutet man, findet es auch
oft genug
ausgesprochen, daß die Chinesen ein friedliebendes Volk seien,
ihre Geschichte
und ihre sozialpolitischen Verhältnisse viel idealer gestaltet
seien als die betreffenden Zustände in den christlichen
Westländern. Die im
folgenden berichteten
Thatsachen werden den unparteiischen Leser etwas Stoff zum Nachdenken
geben und wahrscheinlich auch manche Veranlassung, vorgefaßte
Meinungen
bedeutend zu berichtigen.
Der letzte Kaiser der Tschao-Dynastie starb 256 v.
Chr. in der Gefangenschaft eines seiner Feudalfürsten. Ein
Attentat auf den
Kaiser mißlingt 227. Der erste Kaiser der Han-Dynastie starb 194
v. Chr. an
seinen Wunden, die er im Kampfe gegen einen Rebellen davongetragen.
Nach dem Tode des kinderlosen Kaisers wurde 73 v. Chr. dessen Neffe
von einem General eingesetzt und nach 27 Tagen wieder abgesetzt. Ein
mächtiger Minister vergiftet seinen Kaiser 6 n. Chr. Im
Jahre 25 floh
der Kaiser vor einem siegreichen Verwandten, wurde aber auf der Flucht
Seite 16
ergriffen und hingerichtet. Ein Bruder der Kaiserin-Witwe vergiftet 147
den jungen Kaiser. Der Kaiser und die Kaiserin-Mutter wurden 190
abgesetzt, erst im Palaste gefangen gehalten, dann getötet. Ein
General
ließ 214 die Kaiserin und ihren Vater hinrichten und gab dann
seine
Tochter dem Kaiser zur Frau. Der Kaiser wurde 313 von einem
Mächtigen entthront und nach einem Gastmahl mit seinen gefangenen
Generälen
und Beamten hingerichtet. Der Nachfolger wurde 317 ebenfalls
hingerichtet.
Der Thronfolger wurde in demselben Jahre mit der gesamten Familie des
Herrscherhauses von einem General ermordet. Der Mörder und seine
Familie wurde darnach auch erschlagen. Von 328–338 war eine
Mordwirtschaft von Thronprätendenten. Diese Greuel gehen noch
etliche
Jahrzehnte weiter bis zur Bildung von sieben Staaten, die einander
bekriegten.
Ein Heerführer ermordet 419 seinen Kaiser. Drei Minister setzen
424 den
Kaiser ab und ermorden ihn bald darauf. Der Nachfolger fiel 453 von
der Hand seines Sohnes. Ein Kaiser wird 465 von einem Beamten, ein
anderer 477 von einem General ermordet. Dieser General zwingt 479
den Nachfolger auf dem Kaiserthron zu seinen Gunsten abzudanken,
ermordet
ihn aber bald darauf und die ganze kaiserliche Familie. Ein
Großonkel
ermordet 494 nacheinander zwei Kaiser, läßt dann auch 7
Vettern und
17 Großneffen abschlachten. Der Kaiser wird 500 von seinem Bruder
abgesetzt und dieser ein Jahr später von einem Statthalter
vergiftet. Ein
General schloß 549 den Kaiser in seinem Palaste ein, und
ließ ihn Hungers
sterben, den Thronfolger ließ er ermorden, desgleichen den
nächsten Kaiser
551. Dieser General, der sich nun selbst zum Kaiser machte, unterlag im
Kampf und wurde hingerichtet. Der folgende Kaiser verlor schon 553
Thron und Leben, sein Sohn wurde genötigt, zu Gunsten eines
Prätendenten abzudanken, dann aber doch hingerichtet. Ein Onkel
ließ
568 zwei
Minister ermorden und stürzte den Kaiser. Im Jahre 588 versteckte
sich
der Kaiser mit etlichen seiner Palastdamen in einen Brunnen vor den
Soldaten des Nachbarstaates, welche seine Hauptstadt eingenommen
hatten.
Er wurde aber entdeckt und endete in der Gefangenschaft. Ein
schwelgerischer Kaiser wurde 618 von einem entfernten Verwandten
ermordet, der
Sohn und Nachfolger ebenfalls nach einem halben Jahr. Dieselben Greuel
geschahen in den abgetrennten Staaten. Ein Kaiser der nördlichen
Wei
fiel 452 von der Hand eines seiner Beamten. Eine Kaiserin vergiftete
um 471 ihren Gatten den Exkaiser. Eine Kaiserin-Mutter vergiftete 528
ihren Sohn, den regierenden Kaiser, und wurde mitsamt dem jungen Kaiser
von einem General ertränkt. Als dieser von dem Nachfolger
beseitigt
wurde, rief der Bruder des gemordeten Generals einen Onkel des Kaisers
zum Kaiser aus, den er 531 erdrosseln ließ. Den nächsten
Kaiser entthronte er bald und setzte dessen Vetter auf den Thron, der
von einem
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andern Statthalter in ein Kloster gesteckt und vergiftet wurde. Ein
anderer Statthalter vergiftete 535 dessen Nachfolger. Ein Usurpator
ließ 559
von dem abgesetzten Kaiserhaus 25 Familien ausrotten, wird selber nach
etlichen Monaten vom Onkel gestürzt und ermordet. Ein Nachbarstaat
machte dann dem Reich ein Ende, und das Herrscherhaus wurde
ausgerottet.
Ein Kaiser versuchte 557 seinen mächtigen Minister aus dem Wege zu
räumen, und wird selber von gedungenen Mördern beseitigt.
Sein Nachfolger, ein Halbbruder, wird von demselben Minister 561
ermordet.
Dieser
Minister wurde aber vom Nachfolger enthauptet. Um 581 wird schon
wieder die ganze Kaiserfamilie ausgerottet. Im Jahre 684 entsetzte die
Kaiserin-Mutter ihren Sohn, ließ Hunderte von Beamten hinrichten,
dazu
auch Glieder des Kaiserhauses. Der Kaiser wurde 710 von seiner Gemahlin
vergiftet. 821 wurde der Kaiser von den Eunuchen beseitigt. Ein
mächtiger Minister mordet 905 den Kaiser und zwingt den Nachfolger
906
zur Abdankung, läßt ihn aber später ermorden. Ein
Kaiser entehrt die
Frauen seiner Söhne und wird 913 von seinem ältesten Sohn
ermordet,
dieser von seinem Bruder, der sich 923 selber den Tod giebt, weil er
vom
Feind in der Hauptstadt eingeschlossen wurde. Im Gefecht mit den
aufrührerischen Musikanten des Palastes verlor 926 der Kaiser sein
Leben.
Ein Prätendent vertreibt den Kaiser 934 und läßt ihn
samt seiner Lieblingsfrau und deren 4 Söhnen, töten. Im
dritten Jahre seiner
Regierung
unterliegt dieser dem Schwiegersohn des gemordeten Kaisers und
verbrennt
sich mit den Reichssiegeln. Um 950 wird der Kaiser im Treffen mit den
Truppen eines aufständischen Generals erschlagen. Ein General
wurde 960
von seinen Soldaten zum Kaiser gemacht und das sechsjährige Kind
vom
Throne gestoßen. Die Minister zwangen 1125 den Kaiser zur
Abdankung
zu Gunsten seines Sohnes. Dieser wird 1126 samt seinen Frauen von
den Goldtataren in die Gefangenschaft abgeführt. Ein Tataren-
(Kin)
Herrscher wurde 1149 von seinem Vetter ermordet, welcher auch seine
Mutter, seinen Onkel, seine Brüder und Vettern tötet, deren
Frauen er in
seinen Harem nimmt; er wurde 1161 von seinen Soldaten ermordet. Ein
Minister ermordet den Kaiser 1213, ein Kaiser tötet sich aus
Verzweiflung
1234. Im selben Jahre wurde der legte dieser Dynastie im Kampfe
getötet, dann noch geköpft. Die Mongolen führten 1276
den
Kaiser und seine Mutter in die Gefangenschaft bis zu deren Tod. Der
letzte Kaiser
der Sung, seine Mutter und ein Minister ertränkten sich 1279 im
Meer.
1324 wurde der Kaiser vom Sohne eines Ministers ermordet, der
dafür
hingerichtet wird. Der Kaiser wurde 1330 mutmaßlich von seinem
Bruder
vergiftet. Der letzte Mongolenkaiser flieht in die Mongolei. Ein
furchtbares Blutbad wird 1402 vom Oheim des Kaisers angerichtet. Der
Kaiser flieht als Mönch und stirbt im Gefängnis. Ein anderer
Onkel
Seite 18
wird 1426 geschlagen. 1450 wird der Kaiser von Mongolen gefangen
und 1451 ausgelöst. Ein Verdacht der Vergiftung des Kaisers durch
die
Eunuchen liegt vor 1620. Der letzte Kaiser der Ming erhängt sich
1644.
Ist es nicht haarsträubend, solche
Menschenkinder, wovon die Mehrzahl recht unbedeutend, manche Verbrecher
waren, alle aber mehr oder
minder unzüchtig lebten, Söhne des Himmels, also
Stellvertreter Gottes
auf Erden, auch „Buddhas der Gegenwart" zu nennen! Daß diese sich
anmaßten, nicht nur die Oberhoheit über alle Fürsten
der Welt zu haben,
sondern auch die unsichtbare Welt zu regieren, Verstorbenen Ämter
und
Würden verliehen oder auch noch an Leichen Strafen vollziehen
ließen!
Die chinesische Kaisergeschichte ist die schlagendste Widerlegung des
Konfuzianismus. Gesunde Reform muß im Kaiserpalaste ihren Anfang
nehmen, sonst
werden sich alle Versuche als vergeblich erweisen. Man beherzige
VII-IX.
Schon der älteste Idealkaiser des Konfuzius, Yao, führte
Polygamie
ein, indem er seine beiden Töchter dem erwählten Nachfolger
zu Frauen
gab. Aber erst 1000 Jahre später wurde das Haremwesen
systematisiert.
Als Kaiserin galt in der Regel nur eine Frau, bei den Mongolen und
Tataren mehrere, bis auch für diese in neuerer Zeit nur eine
gesetzlich bestimmt wurde. Daneben hat jedoch der Kaiser neun Frauen
zweiten
Ranges, 27 dritten, 81 vierten und unzählige weitere niedere
Rangklassen.
Die Zahl übersteigt manchmal 10,000, ist wohl selten niedriger als
2000
bis 3000. Mit jeder darf der Kaiser Umgang pflegen. Täglich hat
eine Anzahl Zimmerdienst bei ihm. Die Kaiserin ist die Oberherrin
über
alle,
steht aber selber unter der Kaiserin-Mutter, solange diese lebt. Diese
Ober-Hoheit ist aber oft nur nominell resp. ceremoniell, denn
gewöhnlich regiert
eine Lieblingsfrau den Kaiser und folglich auch den Palast, manchmal
sogar
das Reich. Einige Beispiele sind erwähnt unter den berühmten
Frauen
Chinas. Der Erfolg des Konfuzius in seinem Vaterlande Lu wurde lahm
gelegt durch 80 hübsche Mädchen, welche ein Nachbarstaat dem
Herzog zum
Geschenke sandte. Konfuzius fand nun kein Gehör mehr und zog 495
v.
Chr. traurig in andere Lande. Kaum glaubwürdig ist die Geschichte
von
der Mutter des allgewaltigen Kaisers, der die Feudalstaaten Chinas
zertrümmerte und als Bücherverbrenner bekannt ist. Seine
Mutter
soll erst
die Nebenfrau eines Kaufmanns gewesen sein, der sie guter Hoffnung dem
Prinzen (Vater) zuführte. Diesem gebar sie den Erbprinzen. Nach
dem
Tode ihres Gemahls nahm sie der erste Gatte wieder zu sich,
fürchtete sich
aber, sie zu behalten und gab sie deshalb einem anderen Manne. Dieser
wurde verraten, und der König ließ ihn von 5 Pferden in
Stücke zerreißen,
die beiden Söhne, welche seine Mutter von ihm hatte, töten,
die Mutter
Seite 19
schickte er in die Verbannung. 27 Beamte, welche deshalb Vorstellung
machten, wurden hingerichtet, erst auf den 28. hörte der
König und rief die Mutter zurück. Die berüchtigte
Kaiserin Lü verstümmelte 194 v. Chr. eine Nebenfrau aufs
unmenschlichste und vergiftete deren Sohn. Als der Kaiser, ihr eigener
Sohn, starb, erhob sie den Sohn einer Palastdame, tötete diese
aber, um selber allen Einfluß zu behalten. Bald darnach ermordete
sie
den Knabenkaiser und regierte selber 187-179 v. Chr. Im Jahre 71 n.
Chr. wurde die Kaiserin krank. Eine Ministerfrau, welche ihre Tochter
als Kaiserin zu sehen wünschte, bestach den weiblichen Arzt, der
Kranken Gift beizubringen und der Plan gelang. Später plante
dasselbe Weib mit ihren beiden Neffen, den Kaiser zu stürzen und
ihren Sohn auf den Thron zu sehen. Das mißglückte, sie und
ihre
Neffen begingen Selbstmord, ihr Sohn aber wurde gefangen und halbiert.
Um 102 n. Chr. wurde eine Kaiserin wegen Zauberei abgesetzt. Der
König des Südstaats, mit Nanking als Residenz, hielt sich
5000 Schauspielerinnen in seinem Palast. seine Herrschaft wurde ihm 279
vom Begründer der Tsin-Dynastie genommen. Im Jahre 300 n. Chr.
vergiftete die Kaiserin den Thronfolger, Sohn einer Palastdame. Der
Kaiser rührte sich nicht, aber sein Bruder drang mit Truppen in
den Palast, tötete die Kaiserin und entthronte den Kaiser, wurde
aber von zwei andern Brüdern besiegt und erschlagen. Eine
Palastdame erstickte den Kaiser 396, weil er sie absetzen wollte. Die
Kaiserin-Mutter vergiftete ihren Gemahl den Exkaiser 471. Eine andere
Kaiserin-Mutter vergiftete 528 ihren Sohn, den regierenden Kaiser, weil
er ihr unzüchtiges Leben tadelte, sie wurde darauf von einem
General ersäuft. Kaiser Yang, (Sic!
Komma im Original, K. J.) 605–617 reiste in Begleitung von
4000 Palastdamen von einer Residenz zur andern. Die allgewaltige
Kaiserin Wu begann ihren Palastlauf als eine untergeordnete Frau des
Kaisers. Nach dessen Tod nahm sie der Sohn und Nachfolger in seinen
Harem. Sie verstand es, sich so in dessen Gunst zu setzen, das sie zur
Kaiserin erhoben wurde. Sie ließ Hunderte von Beamten hinmorden,
setzte den Kronprinzen ab, vergiftete dessen Bruder,
setzte zweimal Kaiser ein und ab, und regierte dann selber bis 705. Sie
lebte mit zwei Liebhabern, die dann ermordet wurden. Dieser Kaiserin
wurde 690 die buddhistische heil. Schrift ,,der Große Wolken
Sutra"
gewidmet, darin wird sie Maitreya, der kommende Buddha, genannt. Sie
verordnete die Verbreitung dieser Schrift übers Reich und gab
manchen Buddhisten-Priestern öffentliche Ämter.
Die folgende
regierende Kaiserin hatte Umgang mit einem Neffen der früheren
Kaiserin. Sie vergiftete den Kaiser 710 und wurde von dessen Neffen
getötet. Eine Prinzessin, welche gegen die Thronfolge
intriguierte, wurde verhaftet und durfte sich selbst entleiben. Eine
Palastdame veranlasst die Hinrichtung der Kaiserin und ihrer drei
Söhne 737. Die berühmte
Seite 20
Yang Kweifi beherrschte den Kaiser völlig, hatte aber ihren
eigenen Liebhaber außerdem. Sie wurde 756 von den Soldaten
umgebracht. Im
Jahre 948 gab die Kaiserin Li ihrem Gemahl den guten Rat, anstatt
neue Steuern aufzulegen, die im Palaste aufgehäuften Kostbarkeiten
zu verwenden, was auch geschah. Keinen Erfolg hatte der ebenfalls gute
Rat
der Kaiserin eines Trennstaates jener Zeit, daß der Kaiser seine
sinnlose
Verschwendung aufgeben solle. Eine Geschichte aus der Zeit um 1000
zeigt die entsetzlichen Greuel, zu welchen die Eifersucht der
Palastdamen
treibt. Die Dame Li gebar einen Sohn. Dame Liy stahl denselben und
zeigte dem Kaiser eine abgebalgte Katze als die Geburt. Der war
darüber
so entsetzt, daß er die Dame Li in den kalten Palast schickte, d.
h. sie entließ. Den Knaben gab Dame Liu einer Sklavin, ihn in den
Fluß zu
werfen. Diese wurde unterwegs vom Obereunuchen abgefaßt, der das
Kind dem Onkel des Kaisers zur heimlichen Auferziehung übergab.
Die
Dame Liu schöpfte später Verdacht und ließ die Sklavin
durch den Obereunuchen peitschen, ein Geständnis zu erzwingen.
Diese ließ
sich jedoch zu
Tode martern, ohne zu gestehen. Der Eunuche vollzog diese Grausamkeit,
um das Kind und sich selber zu retten.
Der tüchtigen Kaiserin wurde 1064 durch den
Staatsminister
gewehrt (Sic!, gewehrt, K. J.),
sich in die Regierung zu mischen. Um 1092 wurde die Kaiserin abgesetzt
und eine Palastdame erhoben. Die Kaiserin säete (Sic! säete, K. J.) 1190
Mißtrauen zwischen
dem Kaiser und dessen Vater, dem Exkaiser. In Westliao leitete die
Schwester 14 Jahre die Regierung, da der Kaiser zu jung war. Sie
führte einen unzüchtigen Lebenswandel und wurde deshalb 1169
von ihrem
Schwiegervater, einem General, getötet.
Die Lieblingsfrau des Kaisers Hien, 1465–1488,
stellte jeder
Palastdame, die Aussicht hatte, die kaiserliche Nachkommenschaft zu
mehren,
nach
dem Leben. Sie ermordete die Mutter des Erbprinzen, der von den
Eunuchen heimlich erzogen wurde. Im Jahre 1621 hatte die Amme des
Kaisers, dessen Mutter bald nach der Geburt gestorben war, die
Herrschaft.
Sie wurde 1628 hingerichtet.
Die Ursache des Erfolgs der Mandschu in China ist
auch auf ein Weib
zurückzuführen. Die Frau des Generals, später
Vizekönigs von Yünnan,
Wu Sankwei war vom Rebellenhaupt Li entführt worden. Dieser hatte
bereits Peking eingenommen und hoffte, daß Wu sich ihm
anschließen würde.
Der rief aber aus Rache die Mandschu zu Hilfe und vertrieb Li. Wu
half dann den Mandschu, China zu unterjochen. Später rebellierte
er, sein
Aufstand wurde erst nach mehrjährigem Blutvergießen
überwunden. Sehr
häufig haben Frauen, besonders die Kaiserin-Mutter oder -Witwe,
die
Regentschaft in China geführt, wenn auch oft friedlich, sicherlich
nicht zur
kräftigen Entwicklung des ungeheuren Reichs, das eine starke Hand
am
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Zügel nötig hat. Kein Heil für China, so lange die
Greuelwirtschaft des Kaiserpalastes
fortbesteht!
Schon im Anfang der Tschao-Periode
verbündeten sich drei Söhne des verstorbenen Königs mit
dem Bruder des entthronten Herrschers gegen ihren Bruder, den Herzog
Tschao, der als Minister für den jungen König herrschte. Das
Unternehmen mißlang und der älteste Bruder wurde
hingerichtet,
1114 v. Chr. Der jüngere Halbbruder ermordet den regierenden
Fürsten von Wei 719 v. Chr. Er und seine Mitschuldigen wurden
dafür in einem Nachbarstaate enthauptet. Der Fürst von Lu
machte mit seiner Gemahlin einen Besuch bei deren Halbbruder, welcher
den Staat Tshi regierte. Dieser verübte Blutschande mit seiner
Halbschwester und ließ ihren Gemahl, der das erfahren hatte,
ermorden.
Da der Staat Lu Genugthuung forderte, wurde der Mörder
hingerichtet. Der schuldige Fürst von Tshi wurde später von
einem Verwandten ermordet, dem 685 v. Chr. dasselbe Schicksal von einem
Beamten bereitet wurde. Ein jüngerer Halbbruder des Königs
führte 648 Unterhandlungen mit barbarischen
Völkerstämmen. sein Plan, sich zum König zu machen,
wurde aber entdeckt, er floh und wurde später begnadigt. Im Staate
Tshi stritten sich 642 fünf Prinzen um die Erbfolge. Der
erste, welcher die Oberhand behielt, wurde ermordet und es mußte
Ordnung durch einen Nachbarstaat geschaffen werden. In einem kleinen
Feudalstaat ermordete 538 ein Sohn seinen regierenden Vater, weil er
die Erbfolge auf den Bruder übertragen hatte. Auch nach dem Tode
des Kaisers brach 520 ein Erbfolgestreit unter zwei Söhnen aus. Im
Jahre 440 v. Chr. folgte der älteste Sohn auf den Thron, wurde
aber schon nach drei Monaten von seinem Bruder ermordet, der fünf
Monate später von dem jüngeren Bruder ermordet wurde, welcher
dann 15 Jahre regierte. Der Erbprinz, welcher gegen den Massenmord der
Gelehrten Vorstellung machte, wurde 213 verbannt und später zum
Selbstmord veranlaßt. Sein Bruder mordete 209 v. Chr. 12 seiner
Brüder und die Familien vieler hohen Staatsbeamten. Zwei
Brüder des Kaisers rebellierten 177 v. Chr., wurden aber besiegt,
der eine entleibte sich, der andere wurde verbannt. Sieben der
kaiserlichen Familie angehörige Fürsten rebellieren 155 und
zwingen den Kaiser, seinen Minister hinzurichten. Sie wurden
später besiegt, drei entleibten sich und vier wurden geköpft.
Der Erbprinz wurde 91 v. Chr. abgesetzt wegen angeblicher Zauberei,
welche als Ursache galt der unruhigen Träume des Kaisers. Da der
Prinz floh, wurde er gefangen und mit seiner Mutter hingerichtet. Eine
Palastdame wurde zur Kaiserin erhoben und ihr Sohn zum Nachfolger
bestimmt. Die Kaiserin mußte aber um 90 v. Chr. auf Befehl des
Kaisers
ihrem Leben ein Ende machen, weil
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er fürchtete, sie möchte nach seinem Tode ihre Macht
mißbrauchen. Der
ältere Bruder des Kaisers und eine Prinzessin verbanden sich 80
mit zwei
Staatsbeamten zum Sturz des Kaisers, wurden aber entdeckt und
entleibten
sich. Die beiden Würdenträger wurden hingerichtet. Ein
kaiserlicher Verwandter erregte Neid wegen seiner militärischen
Erfolge und wurde
deshalb
23 n. Chr. hingemordet. Eine traurige Zeit war das Jahr 300. Die
Kaiserin vergiftete den Thronfolger. Der Bruder des Kaisers drang mit
Soldaten in den Palast, tötete die Kaiserin, schickte den Kaiser
weg und
bestieg den Thron. Zwei andere Brüder bekriegten und erschlugen
ihren
Bruder, sie holten dann den früheren Kaiser wieder herbei. Ein
weiterer
Bruder wurde eifersüchtig auf den ältesten der beiden und
ließ ihn durch
einen fünften Bruder ermorden. Dieser wurde dann durch die anderen
beiden
seines Lebens beraubt. Einer dieser fiel im Kriege gegen einen ferneren
Bruder und schließlich folgte dann noch ein Bruder, der 25. Sohn
des Kaiservaters, auf den Thron. Der Bruder des verstorbenen
Königs eines
Teilstaates beseitigte um 338 den Erben und bestieg selber den Thron,
wurde
aber
von einem Verwandten ermordet, der dann herrschte. Ebenso erging es 349
in
einem anderen Teilstaat. Der Onkel nahm dem König Thron und Leben,
fiel selber nach sechs Monaten durch die Hand eines Verwandten, welcher
zwei
Monate darauf von einem Beamten ermordet wurde. Dieser ließ 350
die alte
Königsfamilie ganz ausrotten. Er selber wurde zwei Jahre
später von
einem Nachbarstaat besiegt und hingerichtet. Im Jahre 355 wird ein
König, der viele Menschen grausam hinschlachtete, durch seinen
Vetter ermordet. Im Nordreich tötete ein Verwandter den Kaiser
409, und
dessen
Sohn erschlägt den Mörder. Der Kaiser wollte 453 seinen Sohn,
den
Thronfolger, absetzen, dieser ermordet den Vater und besteigt den
Thron,
wird aber schon nach 2 Monaten von seinem dritten Bruder gefangen und
hingerichtet. Im Jahre 465 stellte der Kaiser seiner Schwester 36 junge
Männer zur Verfügung, nach etlichen Monaten wurde der Kaiser
ermordet.
Der Neffe des Kaisers nahm 466 den Kaisertitel an; durch den Bruder
des Kaisers gefangen genommen, wurde er enthauptet. Der Kaiser
adoptierte den Sohn eines Günstlings und ließ eine Menge
seiner
Verwandten,
die nähere Ansprüche auf den Thron hatten, ermorden. Ein
Großonkel
ermordete den Kaiser 494 und schon nach drei Monaten dessen Bruder und
Nachfolger. Er bestieg den Thron und ließ 7 Vettern und 17
Großneffen
hinrichten. Ein Onkel stürzt 568 den Kaiser, läßt zwei
Minister ermorden
und setzt sich auf den Thron. Der Kronprinz vergiftet seinen Vater, der
einen andern Sohn zum Nachfolger bestimmen wollte, auch zwei Minister.
Als Kaiser war er der größte Wüstling. Der
weggeschobene Kronprinz konspirierte mit einem andern Bruder, verlor
aber 627 sein Leben. Der
Sohn des Kaisers bricht 710 mit Soldaten in den Palast ein und
tötet
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die Exkaiserin, welche ihren Gemahl vergiftet hatte. Eine Prinzessin,
welche
713 einen Prinzen der direkten Linie auf den Thron bringen wollte, wird
zur Selbstentleibung verurteilt. Wegen Erbfolge ermordet der
übergangene
älteste Sohn 761 seinen Vater. Der Kaiser entehrte 913 die Frauen
seiner Söhne, während diese für ihn gegen einen Rivalen
kämpften. Der
älteste Sohn ermordete dafür seinen Vater, wurde selber aber
von seinem
vierten Bruder getötet, der dann den Thron bestieg und 10 Jahre
später
mit dem Staat zu Grunde ging. Ein Kaiser ließ 926 seine drei
Brüder
und deren Mutter ermorden, damit dieselben ihm den Thron nicht streitig
machen könnten, auf den er illegal durch die Minister gekommen
war. In
demselben Staate vertrieb 934 ein Adoptivsohn des vorigen Kaisers den
Sohn und Nachfolger und ließ ihn samt seinen 4 Söhnen und
deren
Mutter hinmorden. Der Schwiegersohn des gemordeten Kaisers zieht 936
gegen den Usurpator mit Hilfe von Tataren, dieser verbrennt sich mit
den
kaiserlichen Insignien in einem Turm. In dem Freistaat Tshu ermordet
961 der Bruder den König. Da dieser leidenschaftlich tyrannisch
herrschte,
sperrte man ihn ein und erhob seinen Bruder, der es nicht besser
machte,
aber schon 962 von einem Nachbarstaat unterworfen wurde. Ein wahres
Scheusal von Grausamkeit regierte den Süd-Hanstaat 25 Jahre. Sein
Sohn folgte auf den Thron, ohne um den Vater zu trauern. Er wurde
im folgenden Jahre von seinem Bruder meuchlings ermordet. Dieser suchte
seinen Vater noch an Grausamkeit zu übertreffen; der Staat
hörte 971
auf zu existieren. Der König des Freistaates Min wurde 933 von
seinem
Bruder ermordet, dieser bald darauf vom eignen Sohn, der nach drei
Jahren vom Onkel, welcher sein Leben ebenfalls durch Mord verlor. Der
Mörder ging 946 mit dem Staat zu Grunde. Der Herrscher des
Freistaates
Yen ließ seinen Vater einkerkern und seinen älteren Bruder
umbringen,
legte sich 911 den Kaisertitel bei, wurde aber schon 916 vom
Begründer
eines andern Freistaates besiegt und mit seiner ganzen Familie
hingerichtet.
Im Jahre 976 bestieg der Bruder des Begründers
der großen
Sung-Dynastie den Thron auf den Wunsch der Mutter, da die Söhne
seines
Bruders noch zu jung waren. Später bestimmte dieser aber seinen
eigenen
Sohn zum Kronprinzen und brachte seine beiden Neffen durch
Mißhandlung
zum Selbstmord. Im Freistaate West-Hia, ein Tangutenstaat in der
jetzigen Provinz Kansu etc., wurde der regierende König von seinem
Sohn
1048 ermordet, weil er ihm die Braut genommen. Um 1206 wurde der
König von seinem Bruder ermordet. Der Herrscher der Goldtataren
wurde
1149 von seinem Vetter ermordet. Dieser ließ dann auch seine
Mutter,
seinen Onkel, seine Brüder und Vettern hinmorden. Die Frauen der
letzteren nahm er in seinen Harem. Im Jahre 1403 wurde ein Kaiser der
Ming von seinem Onkel verjagt. Dieser sperrte des Kaisers
zweijähriges
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Söhnchen ein. Als der Knabe nach 54 Jahren befreit wurde, war er
blödsinnig. Ein Prinz des kaiserlichen Hauses rebellierte 1519,
wurde
aber gefangen und hingerichtet. Um 1570 raubte ein mongolischer Prinz
die Frau seines Enkels, um sie zu besitzen. Der Enkel begab sich
selber an den
Hof des Kaisers, scheint aber anstatt Recht nur Geschenke gefunden zu
haben.
Ein Attentat wurde 1803 auf den Kaiser Kiahing
gemacht. Man
entdeckte dann eine Anzahl Verwandte des Kaisers unter den
Verschworenen. Im Jahre 1813 wurde der Kaiser im Palaste
überfallen.
Wieder waren Prinzen verwickelt, viele wurden hingerichtet und mehrere
hundert
Angehörige des Kaiserhauses wurden verbannt. Der Kaiser Laokwang
schlug 1831 seinen einzigen 20jährigen Sohn, daß er starb.
Des Kaisers
älterer Bruder strebte 1831 nach dem Thron, was mißlang. Ein
nochmaliger Versuch 1850 hatte keinen bessern Erfolg. Die Regentschaft
von
8 Prinzen der kaiserlichen Familie wurde 1861 beseitigt durch eine
Palastverschwörung, an deren Spize Prinz Kung und die beiden
Kaiserin-Witwen
sich befanden. Jene 8 Prinzen wurden gefangen, einer öffentlich
enthauptet,
die andern endeten privatim durch die seidene Schnur.
In China scheint die Unsitte, Eunuchen zu halten, zu Anfang der
Tschao-Dynastie, 1100 v. Chr., eingeführt worden zu sein und zwar
mit
der Organisation des kaiserlichen Harems. Diese Anstalt wurde
natürlich
von allen Feudalprinzen nachgeahmt. Kastration war eine der fünf
gesetzlichen Leibesstrafen. Später wurden aber nicht nur
Sträflinge
verschnitten,
sondern auch Knaben, welche gekauft oder von ihren Eltern dazu bestimmt
wurden. Manche Eltern wünschten dadurch im Palast einigen
Einfluß zu
erlangen. Die Geschichte berichtet nur übles von diesen Leuten.
Damit
ist jedoch nicht ausgeschlossen, daß es auch edle Personen unter
ihnen giebt
und gegeben hat. Dieses sind jedoch sehr seltene Ausnahmen. Es
gehört
jedenfalls viel sittliche Kraft dazu, ein solches Geschick mit Ergebung
zu
ertragen, bei der Mehrzahl wird das Gemüt verbittert und alle
bösen Anlagen aufgereizt, Vergeltung zu üben an der
menschlichen
Gesellschaft.
Einige Beispiele werden genügen.
Ein Lehnsfürst um 651 v. Chr. hatte eine
Lieblingsfrau und einen
verschnittenen Günstling. Dieser wurde vom Erbprinzen beleidigt.
Er
erbitterte darum durch Lügenberichte diese Dame gegen den
Erbprinzen.
Sie beschuldigte endlich den Prinzen bei seinem Vater, daß er sie
habe
vergewaltigen wollen. Der Fürst befahl dem Eunuchen, den Prinzen
zu
enthaupten. Der aber floh und entkam mit knapper Not. Als er nach
dem Tod seines Vaters den Thron bestieg, ließ er sofort den
Eunuchen
köpfen. Um 250 v. Chr. hielt der Kaiser 3000 Schönheiten
für sich.
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Unter seinen Eunuchen wurde besonders einer berühmt. Er half erst
dem
Minister den Erbprinzen beseitigen, später verhalf er auch dem
Minister
zum Tode.
Er setzte 207 den Kaiser ab und tötete ihn, wurde aber
darauf ermordet. Der berühmteste Historiker Chinas wurde 100 v.
Chr.
auf Befehl des Kaisers verschnitten, nur weil er eine humane
Vorstellung
gemacht hatte. Im Jahre 92 ließ der Kaiser einen mächtigen
General mit
Hilfe eines Eunuchen ermorden. Ebenso erging es einem mächtigen
Minister 159 n. Chr., der mit seiner ganzen Familie hingeschlachtet
wurde.
Ein Gelehrter wurde 169 auf Anstiften der Eunuchen mit über 100
Schülern
hingerichtet. Die Eunuchen ermorden 190 den Bruder der Kaiserin, werden
dann aber von dessen Soldaten alle, man sagt 10 000, niedergemetzelt.
Die Tochter eines Ministers war des Kaisers Nebenfrau. Um deren Sohn
auf den Thron zu bringen, sollte der Kaiser ermordet werden. Ein
Eunuche
brachte um 300 den Mörder in den Palast, dessen Anfall jedoch
mißlang.
Darauf ließ der Eunuche denselben heimlich vergiften, damit
niemand verraten würde. Ein Eunuche wurde 722 nach Annam
geschickt, die
Ordnung
daselbst wieder herzustellen, was ihm auch bald gelang. Um dieselbe
Zeit
half ein anderer Eunuche dem ausschweifenden Kaiser 50 Jahre lang in
seinen Extravaganzen. Ein mächtiger Eunuche ließ 762 die
Kaiserin und
ihre zwei Söhne ermorden, wird aber selber ein Jahr darauf auf
Ver-
anlassung des Kaisers heimlich hingerichtet. Ein Kaiser wird 821
heimlich
von den Eunuchen beseitigt. Dann wird 827 ein Kaiser im trunkenen
Zustand von den Eunuchen ermordet, dessen Bruder ebenfalls. Der
folgende Kaiser wollte die Macht der Eunuchen brechen, aber diese kamen
dem zuvor und machten zwei Minister und deren Anhang, an 1000 (oder
3000?) Personen nieder, setzten dann 841 auch den Kaiser ab. Den
Nachfolger suchten sie durch Vergnügungen in ihrer
Abhängigkeit zu erhalten.
In Verbindung mit einem mächtigen Statthalter ermordeten sie um
900
den Minister und 10 Prinzen. Der Kaiser wollte dagegen einschreiten,
wurde aber gefangen weggeführt und erst nach zwei Monaten von
einem
Offizier befreit, der dabei den Obereunuchen und andere tötete.
Die
Musikanten des Palastes, welche 926 den Kaiser erschlugen, waren
jedenfalls auch Eunuchen. Im Jahre 1064 suchten sie Zwietracht zu
säen
zwischen dem Kaiser und der Kaiserin-Mutter, was den Erfolg hatte,
daß
letztere sich von der Regierung zurückziehen mußte. Ein
Eunuche wurde
1403 auf eine Forschungsreise nach Siam und Bengalen geschickt, ein
zweiter nach Java und Sumatra, ein dritter nach Tibet, den Oberlama
nach Peking einzuladen.
Als der Kaiser 1410 eine Jagdexpedition unternahm,
befahl er dem
General Kang Ping den Palast zu beaufsichtigen. Da dieser böses
Gerede
fürchtete, verschnitt er sich und widerlegte dann leicht die
Anklage, welche
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nach der Rückkehr des Kaisers wirklich gemacht wurde. Der Kaiser
machte
ihn zum Obereunuchen und versetzte ihn nach dem Tod unter die
Götter.
Die Eunuchen verehren ihn seither als ihren Schutzgott und bauten
ihm
einen besondern Tempel.
Um 1443 bekam ein Eunuche die ganze Staatsregierung
in seine
Gewalt. Eine Verschwörung wurde 1510 entdeckt, deren Haupt der
sehr
begünstigte Eunuche war. Er wurde mit seinem Anhang enthauptet und
sein Kopf öffentlich ausgehängt. Um 1522 verursachte ein
Eunuche den
Tod eines Schwiegersohnes des Kaisers durch falsche Anklage. Die
Kaisertochter klärte die Sache auf und der Übelthäter
wurde in
Ölmatte gewickelt
langsam verbrannt. Ein Eunuche öffnete dem Rebellen Li die Thore
von
Peking und wurde dafür von diesem Rebellen enthauptet. Ums Jahr
1621
gab es 12 000 Eunuchen im Palast. Manche Eunuchen wurden sehr reich,
einer hielt über 10 000 Pferde, ein anderer hatte aufgehäuft
140 000 Pfund
Gold, 16 Millionen Pfund Silber, zwei Maß Diamanten, zwei goldene
Kürasse und mehr als 4000 mit Edelsteinen verzierte Gürtel.
Ein Obereunuche kam seiner Hinrichtung 1628 durch Gift zuvor. Sein
Leichnam
wurde vom Volk in Stücke zerrissen, mehrere Tempel, die ihm
errichtet
waren, wurden zerstört. Ein anderer Eunuche erhielt den Oberbefehl
über
die Armee gegen die Mandschu, ließ sich aber bestechen und wurde
erdrosselt.
Ein Obereunuche wurde 1662 geköpft und 4000 seiner Kollegen aus
dem
Balast gejagt. Ein Gesetz erging, daß künftig kein Eunuche
Amt oder
Würden erhalten dürfe. Dessenungeachtet waren die Eunuchen
zur Zeit
Kienlungs wieder so anmaßend, wie je zuvor. Auf die Eingabe eines
einflußreichen Präsidenten wurden alle Eunuchen 1736
untersucht und viele
noch einmal geschnitten, woran die Mehrzahl starb. In der
Verschwörung
der
„Weißen
Feder-Gesellschaft“, welche 1814 beinahe gelungen
wäre,
waren auch Eunuchen beteiligt und über 100 wurden geköpft. In
neuester
Zeit wurden Knaben verschnitten, deren Väter sich als
Rebellenhäupter
auszeichneten, wie Jakub Begs Söhne. Berühmt wurde
kürzlich ein
Eunuche der Kaiserin-Witwe, der als 12jähriger Knabe von seinen
Eltern
gezwungen wurde, sich verschneiden zu lassen. Die Kaiserin erlaubte ihm
viel Freiheit und Geldmittel. 1867 machte er mit einem Gefolge von
30 Personen einen Ausflug in die Shantung-Provinz, daselbst wurde die
ganze Gesellschaft durch den Gouverneur gefangen genommen und auf
Befehl des Prinzen Kung hingerichtet. Nach dem Tode Tungchis 1874
versuchten die Eunuchen, die Herrschaft an sich zu reißen, aber
die Ost-Kaiserin (Witwe) strafte die Häupter mit dem Tode.
Der Kaiser hat vorschriftsmäßig 3000
Eunuchen im Palast
für die
verschiedenen Dienstleistungen. Man behauptet (Stent Journal C. B.
Royal As. S. Vol. XI), gegenwärtig seien es nicht mehr als 2000.
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Außerdem hat jeder Sohn und jede Tochter eines Kaisers 30
Eunuchen
im Haushalt. Jeder Neffe des Kaisers hat deren 20, jeder Enkel 10, ein
Urenkel 6, deren Söhne je 4, also jeder Ururenkel eines Kaisers,
deren es
eine große Anzahl geben muß. Erbadel, d. h. die Nachkommen
der Würdenträger, welche den Mandschu zur Herrschaft
über China
verholfen haben,
sind nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, in jeder Familie 20
Eunuchen zu halten. Im Palaste sind auch 18 Eunuchen, welche als
Lamapriester
fungieren. Diese erhalten ein doppeltes Gehalt, sind aber meist ganz
unwissend. 300 Eunuchen sind Schauspieler. Die übrigen sind in 48
Klassen
geteilt, jede mit einem Vorsteher, alle unter einem Oberen. Die meisten
Eunuchen rauchen Opium. Es sind deshalb 7 oder 8 Opiumhallen innerhalb
der Palastmauern. Alle sind Spieler und verbringen fast alle freie Zeit
mit dieser nichtsnutzigen Beschäftigung.
Jedes dritte Jahr kommt eine Anzahl 14–16
jähriger Töchter
von
Bannerleuten in den Palast als Stickerinnen. Diese bleiben 5 Jahre,
kleiden
sich aber als Männer während dieser Zeit, dann werden sie mit
einem
Geschenk nach Hause geschickt. Auch ältere Frauen sind angestellt
für manche
Dienstleistungen.
Im Rückblick auf die drei Kapitel „Geschichte aus dem chinesischen
Kaiserpalast“,
möchte man die Dichterworte anwenden: „Die
Weltgeschichte ist das Weltgerichte“ und „Alle Schuld rächt sich
auf
Erden“.
Wäre es nicht die größte Wohlthat für
China, wenn dieser
moralische Schandpfuhl ausgeleert würde? Wäre es nicht
weitblickende
Handelspolitik, wenn die enormen Summen, die in diesem Sumpfloche
vermodern, zur Verbesserung der Verkehrswege zu Lande und Wasser
Verwendung fänden, ja der Kaiserhof dazu genötigt würde?
Das chinesische
Volk (nicht seine Böcke) würde solche That
beglückwünschen.
Der Eindruck, welchen der unbefangene Leser aus einer Unzahl von
Büchern, welche über China handeln, bekommt, ist, daß
die chinesischen
Staatsdiener, wenn nicht alle,
doch der Mehrzahl nach ausgezeichnete
Leute sind, intelligent und gelehrt, da sie die schwierigen
Staatsprüfungen
bestehen konnten, daß sie dazu voll seien der Weisheit und Moral
des
Konfuzius. Diese Moral betont
ja hauptsächlich den
persönlichen Charakter,
daß man sich angemessen benimmt in allen Lagen des Lebens, dann
die
Subordination, stets den Befehlen der Oberen, besonders dem Kaiser,
unbedingten Gehorsam zu leisten. Die chinesische Geschichte
bestätigt
diese Annahme durchaus nicht. Wirklich tüchtige und
zuverlässige
höhere Beamte
waren stets nur Ausnahmen, Bösewichter dagegen die Regel. Die
große
Mehrzahl hatte überhaupt keine Bedeutung, weder nach der guten
noch nach
der schlimmen Seite. Diese lebten, versahen ihre Geschäfte zur
Zufrieden-
Seite 28
heit ihrer Oberen, gewöhnlich auch zur eigenen Befriedigung,
sorgten für
möglichst zahlreiche Nachkommenschaft und starben. Seither hindern
sie das
Land und den Fortschritt durch ihre Gräber.
Aus der klassischen Periode seien nur wenige
Beispiele erwähnt,
der
,,Frühling – Herbst" des Konfuzius berichtet deren viel mehr. In
dem
Feudalstaate Sung ermordete 682 v. Chr. ein General wegen Beleidigung
den regierenden Fürsten. Der Fürst eines anderen
Feudalstaates wurde
606 v. Chr. vom Neffen seines Ministers ermordet. Im Staate Tshi
mordete 547 der Staatsminister seinen Fürsten und dann drei
Geschichtschreiber, weil diese darauf bestanden, die Unthat in die
Annalen
einzutragen.
Ein General ließ 505 v. Chr. die Leiche des Königs von Tshu
aus dem
Sarge nehmen und durchpeitschen, weil der Verstorbene seinen Vater
hatte
hinrichten lassen. Ein Minister ermordete 480 in Tshi seinen
Fürsten,
weil derselbe die mächtige Familie (Clan) des Ministers vertreiben
wollte.
Im Nachbarstaate Tsin erlangten drei Ministerfamilien die Macht und
teilten den Staat unter sich, wurden auch 402 v. Chr. vom Kaiser mit
ihrem Raub belohnt. In einem der Teilstaaten wurde um 400 der
Minister durch einen gedungenen Mörder beseitigt. In Tshi wurde
390
der regierende Fürst von seinem Minister entthront, dieser
übernahm selber
die Herrschaft und vererbte sie auf seine Nachkommen. In dem
Feudalstaate
Tshin wurde ein verdienter Minister des Hochverrats angeklagt. Er floh
in einen Nachbarstaat, wurde aber ausgeliefert und 324 von 5 Pferden
zerrissen. In dem nördlichen Feudalstaate Yen wurde der Fürst
313 von
dem Minister gezwungen, zu seinen Gunsten abzudanken. Der Nachbarstaat
Aussehen des Textes von Faber in der
Original-Frakturschrift, Druck des Jahres 1895, Auszug aus Seite 28.
Bildausschnitt samt Verkleinerung erstellt von K. J. [X]
Tshi benutzte diese Wirren zu einer Invasion und ließ den
Minister
mitsamt dem Fürsten hinrichten. Damals wurden zwei
Staatsmänner
berühmt
durch die Bündnisse, welche sie zwischen verschiedenen Staaten zu
stande
brachten, ohne jedoch Bleibendes zu erreichen. Ein treuer Minister
ertränkte sich 298, weil er zurückgesetzt wurde. Das bekannte
Drachenbootfest verbindet damit seinen Ursprung. 27 Ratgeber wurden 237
nacheinander hingerichtet und dennoch hatte ein 28. den Mut, denselben
Rat
vorzubringen, nämlich des Kaisers Mutter aus der Verbannung
zurückzurufen,
und dieser hatte Erfolg. Einige Jahre später beging der Minister
dieses
Kaisers im Exil Selbstmord, ein anderer Minister wurde eingekerkert und
vergiftet. Der Erbprinz und ein verdienter General wurden 209 durch
den mächtigen Minister Li beseitigt. Dieser wurde zwei Jahre
später mit
feiner ganzen Familie hingerichtet. Hohe Staatsbeamte wurden 209 mit
ihren Familien hingeschlachtet, nur weil sie im Verdacht standen, die
Thronfolge nicht zu billigen. In demselben Jahre schon begannen mehrere
Truppenführer, sich den Königstitel beizulegen. Diese
bekämpften einander
ein Jahrzehnt. Selbst der erste Kaiser der Han hatte noch bis ans Ende
Seite 29
seiner Regierung 194 v. Chr. Krieg mit solchen Königen zu
führen. Er
ließ mehrere hinrichten. Die Südprovinz, Kanton und andere
Gebiete,
hatten sich durch einen solchen König fast unabhängig
gemacht, wurden dann
113 unterworfen und geteilt. Die Familie des Generals, der sich den
Hunnen ergeben hatte und für den der auf S. 25 erwähnte
Historiker
plaidierte, wurde 99 dem Tode geweiht. Zwei Staatsbeamte wollten 80
den Minister ermorden und den Kaiser absetzen, wurden aber
entdeckt und
hingerichtet. Die Familie der Kaiserin-Mutter behielt den
Ministerposten von
32 v. Chr. bis 23 n. Chr. Der letzte dieser Ministerdynastie wurde
durch
Aufständische besiegt, wobei der Kaiserpalast verbrannte, er
selber wurde auf der
Flucht in Stücke gehauen. Viele treue Staatsmänner wurden 147
hingerichtet durch den Bruder der Kaiserin-Witwe. Er brachte 57
Verwandte
auf hohe Posten, wurde dann aber auf Befehl des Kaisers samt seiner
Familie von Soldaten niedergemacht. Von 184–265 war fast ununterbrochen
Krieg von Generalen gegeneinander. Das Reich war in drei
Staaten geteilt und die Rebellen der gelben Turbane verwüsteten
außerdem
das Land mehrere Jahre. Der Oberbefehlshaber der Armee zog 322
gegen die Hauptstadt, so daß der Kaiser aus Angst starb. Ein
anderer
General ahmte das Beispiel 327 nach, fiel aber 328 nach harten
Kämpfen.
Ein Beamter ermordete 350 seinen Kaiser und dessen ganze Familie, wurde
aber 352 hingerichtet. Ein mächtiger General setzte 371 den Kaiser
ab
und dessen Onkel dafür ein. Ein Minister beginnt 420 eine neue
Dynastie,
nachdem er einen Kaiser ermordet, einen andern zur Abdankung gezwungen
und manche Staatsbeamte aus dem Weg geräumt hatte. Drei Minister
setzen 424 den Kaiser ab und ermorden ihn, werden aber dafür vom
Nachfolger hingerichtet. Der Oberbefehlshaber der Truppen ermordet den
Kaiser 477, zwingt den Nachfolger zur Abdankung und setzt sich selber
479
auf den Thron, läßt dann den Exkaiser und seine Familie
hinmorden. Viele hohe Beamte wurden 500 hingerichtet, nur weil sie dem
Kaiser
mißfielen. Ein General schloß 549 den Kaiser in seinen
Palast ein,
so daß
er Hungers starb. Derselbe ließ auch den Adoptivsohn des Kaisers
ermorden, sowie den nächsten Kaiser. Er setzte dessen Bruder ein
und
ab,
und bestieg 551 selbst den Thron, wurde aber geschlagen und
hingerichtet.
Ein hoher Beamter richtet 557 einen Rivalen hin, setzt den Kaiser ab,
zwingt den von ihm selber eingesetzten zur Abdankung und gründet
eine neue
Dynastie. Aufstände und Räuberbanden gab es 613 an vielen
Orten.
Damals war China in mehrere Staaten zerteilt, die Zustände aber
überall
dieselben. So ertränkte in einem andern Teilstaat ein General 528
den
Kaiser und seine Mutter, wird aber 530 ermordet auf Anstiften des neuen
Kaisers. Der Bruder des Gemordeten entführt darauf den Kaiser und
läßt ihn erdrosseln, setzt einen Nachfolger ein und wieder
ab, von andern
Seite 30
Statthaltern besiegt, giebt er sich 531 selbst den Tod. Ein Statthalter
vergiftet 535 den Kaiser. Der Sohn dieses Statthalters setzt 550 seinen
Kaiser ab und gründet selber eine neue Dynastie. Noch mehrere
andere
kurzlebige Dynastien wurden um diese Zeit von rebellischen Ministern
gegründet. Ein mächtiger Minister ließ 557 seinen
Kaiser, weil dieser ihn
beseitigen wollte, durch gedungene Mörder umbringen, so auch
dessen Nachfolger, bis er selber 572 hingerichtet wurde. Um 618 gab es
elf verschiedene Revolutionshäupter, die sich Kaiser und
Könige
benannten, 622
kamen drei weitere hinzu, welche der Begründer der großen
Tang-Dynastie
alle zu überwinden hatte. Die Kaiserin-Witwe ließ 690
Hunderte von
Beamten hinrichten. Die Kaiserin-Gemahlin köpfte 710 die
fünf höchsten
Würdenträger des Reichs. Ein Befehlshaber und Günstling
erobert 756
die Hauptstadt und nannte sich Kaiser, wurde aber schon 757 vom eignen
Sohn ermordet. Dieser wird von einem seiner Untergebenen gemeuchelt,
der den Thron besteigt. Sein Sohn ermordet ihn, und diesen ermordet
763 ein Untergebener. Ein Minister ließ 762 die Kaiserin mit
ihren
2 Söhnen ermorden und wurde dafür im folgenden Jahr auf
kaiserlichen
Befehl gemeuchelt. Mehrere Statthalter rebellierten 784. Dasselbe
ereignete sich 815. Ein berühmter Minister, der den Kaiser von
buddhistischem
Aberglauben abriet, wurde degradiert und um 820 auf einen abgelegenen
Posten befördert. Ein Militäraufruhr brach 822 aus, mehrere
Statthalter
werden ermordet. Dasselbe wiederholte sich 860 und 868. Eine Rebellion
wütete von 874–878, bis es gelang, die Massen zu zersprengen und
den
Anführer hinzurichten. Die Aufständischen sammelten sich aber
wieder und
eroberten, unter einem neuen Anführer, die Hauptstadt, welche erst
883
zurückerobert wurde. Die unzufriedenen Rebellen ermordeten darauf
ihren
Führer, hielten sich aber noch als eine Anzahl kleiner
Räuberbanden bis
in den Anfang des 10. Jahrhunderts. Mehrere Statthalter befehdeten
sich einander von 890 an, was 907 das Ende der Dynastie
herbeiführte.
Der Thronprätendent gab 30 Staatsbeamten und 9 kaiserlichen
Prinzen
den Tod. Fünf kurze Dynastien führten aber noch einen
50jährigen Krieg.
Der Kaiser ließ 925 mehrere Beamte, die ihm Vorstellungen
machten, hinrichten. Der Kommandant der Garde hilft 925 bei einer
Palastrevolution
und wird dafür 927 hingerichtet. Ein Statthalter gründet 901
eine eigene
Dynastie, ein Minister desselben stürzt dieselbe 937 und nimmt
selber den
Kaisertitel an. Der Kaiser läßt 948 drei unbescholtene
Minister hinrichten,
nur weil sie dagegen waren, daß Staatsämter an alte
Militärs gegeben
würden. Zwei Generale werden 955 wegen Nichterfolg hingerichtet.
Zwölf
Staaten trennten sich ab von 890–979 und verursachten viel
Blutvergießen. Ehrgeizige Statthalter standen an der Spitze.
Ein
Minister
entthront 937 zwei Kaiser und setzt sich selber auf den Thron. Zu
Anfang
Seite 31
der großen Sung-Dynastie, 960, gab es noch 6 abgetrennte Staaten,
die
unterworfen werden mußten. Freischaren trieben ihr Wesen in
Südchina
um 1042, im Norden gab es 1039–1044 Krieg mit einem sich
loslösenden Staat. Der König desselben, dessen Vater vom
Kaiser
mit dem
Königstitel beehrt worden war, erkannte die chinesische Oberhoheit
nicht mehr
an. Der geniale Minister Wang Ansche veranlaßte 1092 die
Entlassung,
respektive Deportierung, von über 800 Beamten, um brauchbare
Werkzeuge
für Durchführung seiner Pläne in die Ämter zu
bringen. Um 1101 wirkten
die Kronräte noch in diesem Sinn, wurden deshalb die 6 Räuber
genannt.
Die Goldtataren machten 1127 einen Staatsbeamten zum Kaiser über
China, der jedoch so allgemeinen Widerspruch fand, daß er den
Thron
sofort wieder aufgab. Ein Minister verdächtigte 1140 einen
erfolgreichen
General, so daß derselbe samt Familie hingerichtet wurde. Durch
den Zwist
zwischen dem Oberkommandanten und einem hohen Offizier wurde um diese
Zeit eine große Niederlage der kaiserlichen Truppen durch die
Goldtataren
herbeigeführt. Intriguen eines Ministers gegen einen andern werden
auch
1195 berichtet, der berühmte Chu Hi wurde infolge davon seines
Amtes
entsetzt. Ein Militärkommandant, der 1206 zu den Tataren
überging und
auch vier chinesische Distrikte überliefern wollte, wurde von
seinen Soldaten
ermordet. Im selben Jahre wurde auch der Staatsminister enthauptet und
sein Kopf in das Lager der Tataren geschickt als die Ursache der
Friedensstörung. Der Kronprinz wurde 1225 durch den Minister
vergiftet. Mehrere Beamte ermordeten 1321 den rechtschaffenen Minister.
Rebellenbanden erheben sich seit 1348. Der Sturz der Dynastie erfolgte
1367, aber erst 1371 war der Friede überall hergestellt.
Im Jahre 1381 mußte schon wieder ein Aufstand in Yunnan
unterdrückt
werden. Viele Beamte wurden 1403 samt ihren Familien hingerichtet,
weil sie sich dem Kaiser als Usurpator nicht fügen wollten. Ein
ausgezeichneter Minister wurde 1580 nach seinem Tode von Feinden
verleumdet,
seine Familie deshalb verbannt und ihr Vermögen konfisziert. Zwei
Rebellionen unter verschiedenen Häuptern brachen 1629 aus, und
auch
der
große Seeräuber Koringa kämpfte gegen den Kaiser. Das
Ende der Dynastie wurde 1644 dadurch herbeigeführt. Die
Kämpfe mit den
verschiedenen Thronprätendenten dauerten aber noch bis 1672. Der
Vater des
Seeräubers und Eroberers von Formosa, der sich schon 1628
unterworfen
hatte, wurde 1661 mit zwei Söhnen hingerichtet, weil er seinen
Sohn
Koxinga nicht zur Unterwerfung bewegen konnte. Koxinga starb 1681 und
sein Sohn übergab sich und Formosa 1683. Einer der Regenten,
während
des Kaisers Minderjährigkeit, wurde des Hochverrats angeklagt. Der
14jährige Kanghi, welcher eben die Regierung selber in die Hand
genommen hatte, ließ ihn 1667 mitsamt seiner Familie hinrichten.
Der
Seite 32
Aufstand des Vizekönigs von Yunnan, der bis dahin das meiste
beigetragen
hatte, den Mandschu zur Herrschaft zu verhelfen, begann 1673. Nach
dessen Tod wurde der Kampf vom Enkel weitergeführt, bis er sich
1682
nach dem Verlust seines Hauptquartiers den Tod gab. Alle Offiziere und
Beamte seines Anhangs wurden hingerichtet, manche unter Martern. In
Turkestan gab es häufig Unruhen. Mit den Eleuten hatte der Kaiser
von
1691–1697 anstrengenden Krieg zu führen. Nur Uneinigkeit im Lager
des Feindes verschaffte den Chinesen den Sieg. Der feindliche
Anführer
Galdan hatte seinen Bruder ermordet und die Braut von dessen Sohn
sich angeeignet. Dieser Neffe rächte sich durch kriegerische
Angriffe und später durch ein Bündnis mit den Chinesen. Als
Galdan sich
endlich vergiftete, drang Kanghi auf Auslieferung seines Leichnams,
dessen Gebeine
er
zerstreuen ließ. Der Neffe kam später auch in Konflikt mit
China, er
eroberte und plünderte Lhassa 1709, brachte auch den Chinesen bei
Hami
Niederlagen bei, so daß eine neue Mandschu-Armee erforderlich
war, Hami
wieder zu erobern. Er behielt seine Autorität bis zu seinem 1727
erfolgten Tod. Sein Sohn beherrschte das Gebiet mit Geschickt. Die
Chinesen bekriegten ihn 1729–1734 ohne Glück. Nach seinem Tode
1745
brachen Unruhen im eignen Lager aus. Der chinesische Kaiser sandte 1756
eine Armee von 150,000 Mann, welche erst siegte, dann aber aufgerieben
wurde. Der Oberbefehlshaber wurde vom Feinde hingerichtet, 4 Generale
wurden ihres Mißerfolgs wegen zum Gericht nach Peking beordert.
Erst
1759 war das Gebiet unterworfen. Ein kleiner Aufruhr kam 1764 vor. Dann
begannen Unruhen 1812, welche 1822 zum Aufruhr wurden. Kaschgar
ging verloren, wurde aber wieder erobert und der Anführer
hingerichtet.
Auf Formosa brach 1721 ein Aufruhr aus. Die
Hauptstadt wurde
genommen und alle Beamten des Lebens beraubt. Durch Militär vom
Festland wurde die Ordnung wieder hergestellt. Von 1786–1787 war
wieder Rebellion, bis der Führer gefangen und hingerichtet wurde.
Der
Statthalter von Yunnan wurde 1746 nach Peking gerufen und hingerichtet,
weil es ihm nicht gelungen war, Räubereien zu verhindern. Ein
Aufstand
der Miaotsz 1771 verursachte viel Blutvergießen. Der
Anführer ergab
sich auf des Kaisers Wort, wurde aber doch samt Familie in Peking
hingerichtet. Der in Pamir siegreiche General fiel in Ungnade und wurde
ohne Ursache öffentlich hingerichtet. Die Tibetaner erhoben sich
1749 und
massakrierten alle Chinesen, wurden aber bald wieder unterjocht. Ein
Staatsminister hatte 80 Millionen Taels angesammelt und wurde deshalb
1796 enthauptet. Geheimgesellschaften machten Attentate auf den Kaiser,
1803 und 1813. Auf Formosa brach 1830 wieder ein Aufstand aus,
auf Hainan ebenfalls. Der Miaotsz-Aufstand von 1832 wurde nur mit
Mühe unterdrückt. 1846 gab es wieder Unruhen in Kaschgar.
Seeräuber
Seite 33
regten sich 1849 bei Kanton. Die Taiping-Rebellion verwüstete
mehrere Provinzen 1850–1864. Die Nienfi hausten zur selben Zeit in
etlichen Nordprovinzen. Die muhammedanischen Panthays beherrschten
Yunnan 1855–1873, ihr Ende war ein verräterisches Blutbad in der
Regierungsstadt, wobei 30,000 ermordet wurden. Eine
gleichzeitige muhammedanische Rebellion der Tungani verheerte Shansi
und Nachbargebiete 1862-1878. Jakub Beg machte sich in Kaschgarien
unabhängig 1866–1877.
Man wird nach Durchlesung dieser Skizze
geneigt sein anzuerkennen, daß es China an wichtigeren Dingen
fehlt als
an modernen Waffen und Maschinen. Es fehlt vor allem die
Zuverlässigkeit und überhaupt der moralische Charakter
seiner Beamten.
XI. Einiges aus der Kulturgeschichte
Chinas.
Die
älteste Zeit hatte
patriarchalische Zustände, das
Familienhaupt wurde zum Haupt des Stammes. Der mächtigste
Stammfürst erlangte dann durch begünstigende Umstände
eine Art Oberherrschaft über die andern Stammfürsten. Durch
die Tschao, welche ein Stammfürstengeschlecht waren, aber 1120 v.
Chr. durch Gewalt sich der Oberherrschaft bemächtigt hatten,
wurden allmählich 55 erbliche Lehnsfürsten eingesetzt. Damit
entwickelten sich die Feudalstaaten, welche allerdings die barbarischen
Urbewohner allmählich ihrer Herrschaft und Kultur unterwarfen,
aber auch mehrere Jahrhunderte lang fast ununterbrochen Krieg
untereinander führten, bis um 230 v. Chr. einer alle andern
verschlungen hatte. Beamte werden schon frühe (Sic! frühe, K. J.)
erwähnt, welche
den Hauptstaatsfunktionen vorstanden (siehe oben unter IV). Der geniale
Minister eines der dominierenden Feudalstaaten förderte um 680 v.
Chr. den Wohlstand seines Landes durch neue Erwerbszweige,
Salzgewinnung, Bergwerke etc., wie auch durch Handelsstraßen. Wie
barbarisch die Feudalfürsten auch wohl hausten, beweist die That
des Gewalthabers 640 v. Chr., der einen der Fürsten als Opfertier
schlachten ließ, nur weil er zu spät zur Versammlung
gekommen war.
Mit dem nächsten Gewalthaber oder Führer der
Feudalfürsten, der 623 v. Chr. starb, wurden ein Sohn des
Verstorbenen, drei Kinder aus der Familie und 177 andere Personen tot
oder lebendig in die Gruft gesenkt, um ihm in der andern Welt zu
dienen. Diese barbarische Sitte wurde erst von dem als
Bücherverbrenner berüchtigten Kaiser um 220 abgeschafft, aber
in der Ming-Periode erneuert, dann 1457 wieder abgeschafft. Eine Reform
des Verwaltungs- und Finanzsystems wurde 371 durch einen genialen
Minister im Staate Tshin angestrebt. Er führte statt der
frühern Fron ein Steuersystem ein, das nur leider bald in
Vergessenheit geriet, denn 1070 wurde der Versuch erneuert. Ferner
erkannte er die Notwendigkeit fester Beamtengehälter, weiter
verordnete er die Haftpflicht von je 10 Familien
Seite 34
für einander, auch teilte er den Staat in Distrikte etc. Sein
Grundsatz war
Strenge in den Strafen, also Abschreckung. Eine allgemeine
Volksentwaffnung
wurde 219 angeordnet. Das Gesetz, wonach die ganze Familie mit dem
Verbrecher leiden mußte, wurde 179 v. Chr. abgeschafft, besteht
aber trotzdem bis heute fort, wie zahlreiche Beispiele beweisen.
Geldprägung
wurde
177 dem Volke freigegeben. Die allgemeine Wehrpflicht wurde zur selben
Zeit abgeschafft, dagegen Militärkolonien an den Grenzen
eingerichtet. Der
Verkauf von Staatsämtern wird hier zuerst erwähnt. Im Jahre
1333
wird gesagt, daß es geschah Reis zu erlangen, um den vielen
Notleidenden
zu helfen. Leider ist dieses Reizmittel von Ämtern und Titeln noch
heute
erforderlich, um größere Beiträge zur Linderung von
schreienden Notständen
zu erlangen. Ein trauriges Armutszeugnis für den barmherzigen Sinn
und den Stand der Mildthätigkeit in China! Die Strafe der
Leibesverstümmelung, an Nase, Ohren und Füßen, wurde
167
abgeschafft und durch
Haarabschneiden und Bastonade ersetzt. Die Todesstrafe wurde
beschränkt,
Landestrauer für den Monarchen auf drei Tage verkürzt. Eine
Gelehrtenakademie wurde 136 gegründet und Professoren angestellt.
Diese
ging, wie
es scheint, bald ein, wurde aber 502 erneuert, dann noch einmal 640.
Der Ursprung der Staatsprüfungen fällt ins Jahr 134 v. Chr.
Der
Weinstock wurde 112 v. Chr. aus dem Westen nach China gebracht. Eine
Forschungsexpedition in den Westen nahm 10 Jahre in Anspruch. Die
neuerrichteten Lehnsstaaten wurden 113 wieder abgeschafft. Die
Zeitrechnung,
d. h. der Kalender, wurde 104 wieder mit den 12 musikalischen
Tönen in
Harmonie gebracht. Solche Harmonie des Universums ist ein Axiom der
konfuzianischen Philosophie. Schwere Folter in der Untersuchung von
Angeklagten anzuwenden, wurde 67 v. Chr. verboten (besteht aber noch
immer).
Ein Pavillon wurde 53 im kaiserlichen Garten errichtet und darin die
Bildnisse
der hervorragenden Staatsmänner aufgehangen. Auch um 627 n. Chr.
ließ der
Kaiser die Bildnisse von 24 Kronräten in einem seiner Paläste
aufhängen.
Das alte Agrarsystem der
gleichmäßigen Bodenverteilung
(Neunfeldersystem) wurde 9 n. Chr. wieder eingeführt, desgleichen
die
Sklaverei abgeschafft (besteht aber auch heute noch fort). Mongolische
Nomadenstämme
wurden angesiedelt und ihnen, wenn sie seßhaft geworden,
dieselben Rechte
erteilt wie den Chinesen, ja die Möglichkeit geboten, in den
chinesischen
Staatsdienst zu treten. Ein Kanal wurde um 605 gebaut zwischen dem
Gelbfluß und dem Yangtze, allerdings zum Vergnügen des
Kaisers, der seine Drachenschiffe durch 80,000 Mann fortbewegen
ließ. An
diesem Kanal
bauten andere Dynastien weiter und 1291 wurde derselbe seiner ganzen
Länge nach erneuert. Die Steuerrückstände wurden 821
erlassen und die
Armee vermindert, um finanzielle Erleichterung zu verschaffen. Der
Kaiser
erleichterte die Lage des Volks, wo er konnte, 951–954. Den mit Vieh
Seite 35
aus Staatsmitteln Versorgten erließ er die hierfür
fälligen Abgaben, den
Pächtern von Staatsdomänen übergab er die Felder als
Eigentum. Er
erließ die jährlich dem Kaiser dargebrachten Geschenke,
ließ sogar alle
Pretiosen aus dem Palaste entfernen und zerschlagen. Auch die
Unterthanen
der Nachbarstaaten unterstützte er mit Feldfrüchten nach
Mißernten. Sein
Nachfolger, 955-960, ließ an allen öffentlichen
Gebäuden die Statuen eines
Feldarbeiters und einer Spinnerin errichten, um zu den
Agrikulturarbeiten
anzuspornen. Eigentümliche nationalökonomische Reformen
suchte ein genialer
und deshalb berüchtigter Minister um 1070 durchzuführen. Er
zwang
alle Grundbesizer Staatsvorschüsse im Frühjahr zu nehmen und
im Herbst
nach der Ernte mit 20% Zinsen zurückzuzahlen. Allgemeine
Wehrpflicht
führte er wieder ein. Die Grundsteuer war in der langen Kriegszeit
bedeutend erhöht worden, so daß der Kaiser 1296–1307 drei
Zehntel davon
erließ. Er unterstützte auch das Volk in
Unglücksfällen freigebig. Steuern
und Frondienst, beides bestand also wieder mit einander, erleichterte
der
Kaiser 1426. Derselbe unterzog auch den Strafkodex einer Revision und
regulierte das System der öffentlichen Prüfungen. Das
Rasieren des
Vorderkopfes und Tragen des Zopfes wurde von 1644 an durch den ersten
Mandschukaiser in China ein- und strenge durchgeführt.
Schon aus diesen flüchtigen Andeutungen ist ersichtlich, daß
es in China
nicht an guten Ansätzen fehlte. Die Neuerungen waren jedoch
fast alle
sporadisch, d. h. vereinzelt, nicht unterstützt von
gleichmäßigem Fortschritt
auf allen Gebieten. Manche Neuerung war schon deshalb nicht heilsam,
weil nicht im Zusammenhang stehend mit dem Gesamtleben der Nation.
Man ist in China zu sehr daran gewöhnt, das Bestehende als gut
anzusehen, und besonders
wenn es lange bestanden hat.
Fühlt man Mißstände, so führt man dieselben auf
Abweichungen von den
guten alten Einrichtungen zurück. Man sucht deshalb den Lauf der
Geschichte etliche hundert Jahre, wenn nicht Jahrtausende,
zurückzudrängen,
ein Unternehmen, das schon oft versucht worden ist, aber sogar in China
sich stets als eitel erwiesen hat.
XII. Zur chinesischen Litteraturgeschichte.
Die
eigentümliche chinesische Schrift beruht auf etwa 100
ursprünglichen
Zeichen, welche Figuren von so vielen Dingen darstellen. Diese
einfachen
Figuren wurden dann kombiniert, d. h. zwei oder mehr Figuren wurden
zu einem Zeichen zusammengesetzt, das einen Begriff darstellte. Selbst
damit konnte man jedoch noch keine Gedankenreihe in der Schrift
wiedergeben. Man brachte darum den gesprochenen Laut, das phonetische
Element,
in der Schrift zum Ausdruck. Mit der phonetischen Schrift ist erst die
Seite 36
Möglichkeit einer Litteratur gegeben. Der Anfang der phonetischen
Schrift
in China kann nicht weit über 800 v. Chr. hinaufreichen,
höchstens könnte
man annehmen zu Anfang der Tschao-Periode, um 1100. Aufzeichnungen
in der älteren Bilderschrift waren jedoch vielleicht seit mehr als
1000 Jahren
früher auf Stein oder Metall etc. vorhanden. Leider ist es jetzt
noch nicht
möglich, mit einiger Sicherheit über diese ältesten
Denkmäler zu reden, weil
die Überreste aus dem chinesischen Altertum noch nicht methodisch
aufgesucht,
resp. ausgegraben sind und die wenigen gelegentlichen Funde nur in
notdürftig illustrierten Beschreibungen zugänglich sind. Es
besteht kein Museum,
woselbst man die Gegenstände selber sehen und mit andern
vergleichen könnte.
Sehr zu bedauern ist, daß die Chinesen ihr Schriftsystem nie
gründlich durchdacht haben. Anstatt, wie die Japaner, die Silben
zu fixieren,
oder,
wie in alphabetischer Schrift, auf die Laute der Sprache
zurückzugehen,
überließ man die Lautbezeichnung dem Zufall. Man erhielt
dadurch eine
übergroße, nicht mehr zu bewältigende Anzahl von
Schriftzeichen, welche sich
jährlich mehrt. Von dieser Schrift wurde auch die
Sprachentwicklung
beeinflußt. Die Weiterbildung wurde gehemmt. Da jedes
Sprachzeichen
ein Wort darstellt, so wurden alle Wörter aus der ältesten
Zeit festgehalten,
neue Begriffe aber dem ersten beigefügt, dann wurden Begriffe
abgetrennt
und durch andere Zeichen dargestellt. Es bildeten sich auch
feststehende
Redensarten, bildliche Ausdrücke, Synonyme in verschiedenen Teilen
des
weiten Sprachgebiets u. dgl. Die Schrift blieb aber fürs Auge
geschrieben,
nicht fürs Gehör berechnet. Das Phonetische blieb dem
Figürlichen untergeordnet. Für die Staatszwecke Chinas, von
der primitiven Zeit
herunter
bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts, war diese Schrift ein
hinreichendes
Mittel der Gedankenkommunikation. Man konnte in verständlicher
Weise
mitteilen, was man wünschte, unabhängig von den gesprochenen
Sprachen
und Dialekten des chinesischen Reiches und der Nachbarländer.
Dieses war
jedenfalls der Grund, daß keine der alphabetischen Schriften,
welche nach
China kamen, daselbst Verbreitung fand. Die Buddhisten brachten
Sanskrit
und Pali und übersetzten, aber ohne ein Alphabet aufzustellen
für Translitteration von Namen und Wörtern, aus ihren
heiligen Schriften
ins
Chinesische. Man begnügte sich, Silben durch einzelne chinesische
Zeichen
wiederzugeben und die Aussprache durch An- und Auslaut, d. h. durch
zwei
chinesische Zeichen zu bestimmen, ohne jedoch absolute Genauigkeit zu
erreichen.
Nach dem Sui-Katalog (circa 600 n. Chr.) gab es unter den 1950
buddhistischen
Werken etliche, welche von Lautschrift handelten, aber es scheint,
daß auch
diese sich auf An- und Auslaut beschränkten, z. B. king = ki und
ying.
In Tibet wurde das Sanskritalphabet modifiziert für die
tibetanische Schrift
verwertet. Die Mongolen bildeten sich ihr Alphabet nach dem
Uigurischen,
in welchem das Syrische der Nestorianer verwendet ist. Die Mandschu
Seite 37
folgten den Mongolen mit wenig Änderung. Beide Völker
schreiben aber perpendikulär (von oben nach unten),
wahrscheinlich, weil das handlicher ist für den Pinsel und
vielleicht auch zu Ehren des Chinesischen, die Zeilen aber folgen von
rechts nach links. Die Nachbarstaaten, Korea und Japan im Osten, Siam
und Birma im Westen, gebrauchten ebenfalls alphabetische Schrift (resp.
Silbenschrift in Japan). Durch die Nestorianer war syrisch,, durch die
Muhammedaner Arabisch, durch eine jüdische Kolonie Hebräisch
nach China gedrungen, trotzdem blieb China bei seiner alten Schrift und
behielt das Übergewicht bis zur Berührung mit den
Westmächten. Jetzt ist diese Schrift ein Haupthindernis geistigen
Fortschritts.
Die Litteratur in chinesischer Schrift ist sehr
umfangreich, man könnte leicht über hunderttausend Bände
zusammenbekommen. Gewöhnlich teilt man die Masse in vier Gruppen.
1. Die Klassiker oder heil.
Schriften, nämlich der Konfuzianer.
Das sind 13 Werke von ungleichem Umfang. Die Kommentare und
Abhandlungen darüber füllen viele tausend Bände. Die
Wörterbücher, deren es umfangreiche giebt, z. B. eins, das
über 100 Bände umfaßt, werden auch hier eingereiht. 2.
Geschichtswerke. Diese Gruppe
ist sehr reichhaltig, gewöhnlich in
15 Abteilungen geteilt. Geographie, Biographie, Staatshandbücher
und Altertumskunde ist hier mit eingeschlossen. In diesen Bänden
ist viel wertvolles Material enthalten für Ortsbeschreibung,
Produktion, Naturereignisse, Geschichte fast jeder bedeutenden Stadt,
Klosters, Mannes, der Urbevölkerung, der umwohnenden Stämme
und mancher Nachbarstaaten. 3. Philosophen.
Der chinesische Ausdruck
entspricht jedoch nicht unserem Begriff. Wissenschaften, soweit man im
Chinesischen davon reden kann, sind hier mit eingeschlossen, auch die
Künste. Man findet also Schriften über Militärwesen,
Agrikultur, Medizin, Jura, Malerei, Musik, aber auch
Encyklopädien, Konfuzianismus, Taoismus und Buddhismus. Vom
Konfuzianismus sind hier nur Werke über Moral und Staatsweisheit
aufgenommen, während vom Taoismus und Buddhismus auch deren
heilige Schriften eingereiht sind. Die heiligen Schriften des
Buddhismus füllen mehrere Hundert Bände, die gesamte
buddhistische Litteratur mehrere Tausend, die taoistische Litteratur
steht wohl an Zahl nicht viel zurück. 4. Die schöne
Litteratur, Poesien und
Aufsätze etc. ist noch am wenigsten
bekannt.
Ausgeschlossen davon sind Dramen und Novellen, sowie andere
Tageslitteratur, welche verächtlich behandelt wird. Aufnahme
findet nur, was politischen und moralischen Inhalts ist, nicht das rein
Ästhetische. Diese gesamte Litteratur zeichnet sich deshalb
aus durch einen guten moralischen Sinn und Geist, womit nicht behauptet
ist, das der moralische Standpunkt, sowie das Ideal überall das
höchste ist. Der Ideengehalt ist am tiefsten in den taoistischen,
klassischen Werken. Die übrige Litteratur bietet manche gute
Beobachtungen über die Natur und das
Seite 38
Menschenleben, besonders über den Verkehr der Menschen unter
einander,
in den sozialen Zusammenhängen und im staatlichen Organismus. Die
tieferen Fragen der menschlichen Natur werden kaum berührt.
Nicht das
Ewige, sondern das Zeitliche und dieses wieder in seiner
ausschließlich
chinesisch staatlichen Erscheinung beherrscht das Denken der zahllosen
chinesischen Autoren. Die Einwirkung der Litteratur des Westens macht
sich schon in den neuesten Publikationen bemerkbar. Der christliche
Sinn und Geist,
der ja schon im Semitischen und Arischen, sowie im Hamitischen
(ägyptisch)
seine siegreiche Kraft bewährt hat, wird sich auch im Chinesischen
als Schöpfer
eines neuen Lebens beweisen. Diese Wirkung steht jetzt in ihren
Anfängen.
XIII. Der Taoismus.
1)
Man nennt gewöhnlich Laotsz
(Sic! Laotz, K. J.) als
Stifter. Das ist jedoch nur wahr
in demselben Sinne als Konfuzius der Stifter des Konfuzianismus ist.
Man
sollte sagen, daß Laotsz der Hauptvertreter (oder Organisator ?)
des
Taoismus sei. Der Taoismus faßt in sich die Urreligion Chinas und
alle Richtungen des altchinesischen Geisteslebens, welche im
Konfuzianismus
kein Unterkommen fanden. Dahin gehören besonders die verschiedenen
naturphilosophischen Versuche und im Zusammenhange damit der Glaube an
die
Möglichkeit der Überwindung des Todes durch Beihilfe des
Unsterblichkeitstrankes. Der Mensch geht darauf mit Leib und Seele ins
ewige Leben ein,
lebt ein höheres Dasein, erhaben über die Gesetze der
Materie, in schönen
Grotten, auf den heiligen Bergen, oder auf den Inseln der Seligen u. s.
w.
Es ist merkwürdig, daß ein solcher Glaube, der entfernte
Verwandtschaft
hat mit dem christlichen
Auferstehungsglauben, unter den
nüchternen
Chinesen von der ältesten bis in die neueste Zeit Anklang finden
konnte.
Man erwähnt Tausende von Personen, welche diesen Zustand der
Unsterblichkeit erreicht haben sollen mit Namen, und von vielen wird
die
Lebensgeschichte erzählt. Es wird sogar behauptet, daß
über
Hunderttausend
dieses Ziel erreicht hätten. Der berüchtigte Kaiser, welcher
220 v. Chr.
die konfuzianischen Bücher verbrennen ließ, war dem Taoismus
ergeben.
Er ließ 217 einen taoistischen Gelehrten mit etlichen Tausend
Kindern
beiderlei Geschlechts übers Meer nach Osten fahren, die drei Berge
(Inseln)
der Religion aufzusuchen. Auch Goldmachen, Zauberei und Magie wurden
schon frühe im Taoismus geübt. So überredete ein Adept
um 133 v. Chr. den Kaiser, aus Zinnober Gold, aus Schnee Silber machen
zu
können.
Dieser Alchimist starb auf einer Reise nach den Inseln der Religion.
Als
der Kaiser später seinen Sarg öffnen ließ, befanden
sich nur dessen Kleider
darin. Der Aufstand der Gelbmüßen 184 n. Chr. war
taoistischen Ursprungs. Die blutigen Wirren dauerten fort, bis 224 ein
neues
Herrscherhaus auf den Thron kam. Kung Ming, der Hauptheld der
Kriegsgeschichte
Seite 39
jener Zeit, war ein taoistischer Zauberer. Ein geköpfter General
derselben Periode wurde zuerst vom Taoismus zum Kriegsgott erhoben,
aber Buddhismus und Konfuzianismus wetteiferten bald in dessen
Anbetung. Er ist jetzt der Nationalgott der Chinesen. Im Jahre 446
ließ
ein dem Taoismus ergebener Kaiser viele Buddhistenpriester töten
und ihre Tempel und Klöster zerstören. Zwischen 550 und 560
wollte der Kaiser des Tshi-Staates den Buddhismus und Taoismus mit
einander vereinigen. Er ließ 4 Taoisten hinrichten, weil sie sich
weigerten, die Tonsur anzunehmen und Buddha anzubeten. Damit ging die
Union durch. Ein Kaiser der Tschao 561–578 verbot sowohl Taoismus als
Buddhismus. Er lies sowohl die Bücher als Bilder zerstören
und zwang deren Bekenner zum Abfall. Ein Zwangsunionsversuch wurde
wieder 1119 gemacht.
Im Jahr 666 erhielt Laotsz den Titel „erhabener
und tiefer Kaiser" und göttliche Verehrung. 674 wurde auf
kaiserlichen Befehl das älteste taoistische heilige Buch als
Textbuch in die Schulen und für die Prüfungen
eingeführt. 824 starb der Kaiser am Lebenselixir, ebenso der
Kaiser 846. Letzterer gründete zwei hohe Staatsämter für
die Taoisten. 859 wurde schon wieder ein Kaiser an den Folgen des
Elixirs hingerafft. Ein Kaiser der Sung 998–1022 ergab sich allem
taoistischen Aberglauben. Seither hat der Taoismus wenig Einflus auf
den Kaiserhof ausgeübt. Der erste Mongolenkaiser Kublai Khan, (Sic! Komma, K. J.) ließ
nach seinem verunglückten Krieg gegen Japan alle Bücher der
Taoisten, mit Ausnahme des Taotz-Kanons (Sic! Taotz, K. J.), auf
Anstiften der Lamapriester
verbrennen, etwa um 1282. Um 1403 ließ der Kaiser alle
Bücher der
Taoisten, welche vom Unsterblichkeitstrank handelten, verbrennen. Aber
von 1488 ab beschäftigte sich der Kaiser wieder mit Herstellung
des Elixirs. Um 1540 sandte der Kaiser in alle Provinzen nach diesem
Ewigkeitsmittel.
Der taoistische Papst erfreut
sich noch heute
derselben Würde, die sein erster Vorgänger im Jahre 423 n.
Chr. vom Kaiser mit dem Titel „Himmels-Präceptor" erhielt.
Diese Würde blieb seither erblich in der Familie. Man nimmt an,
das dieser Papst Oberherr sei über die Götter und Geister,
welche im Reiche angebetet werden, das er sie auf kaiserlichen – nicht
Gottes! – Befehl einsetzt und absetzt, befördert und degradiert.
Er
giebt den Göttern eine Audienz am ersten jeden Monats, wozu alle
vom Himmel, aus der Unterwelt, dem Meer etc. herbeikommen. Er ist im
Besitze des Zauberschwerts, womit er böse Dämonen bezwingt
und
sie in irdene Krüge verschließt. Er regiert als
Stellvertreter des
Jaspis-Gottes auf Erden. Die Taoistenklöster erhalten auch ihre
Licenz von ihm. Die Taoistenpriester dürfen verheiratet sein.
sie sind besonders bekannt als Exorzisten und Verfertiger von
Zaubermitteln, Amuletten, auch von Medizinen.
Der taoistische
Götzendienst ist wenig verschieden vom buddhistischen.
Seite 40
Eine Trimurtia steht an der Spitze des Pantheons, dann kommt der
Jaspisgott. Er wurde erst im 12. Jahrhundert unserer Zeitrechnung
durch den Kaiser zum höchsten Gott unter den Göttern erhoben.
Unter
ihm stehen die vielen Sterngötter, der 28 Sternbilder, der 60
Cyclussterne,
der 129 glück- oder unglückbringenden Sterne, dann die
Götter der
5 Elemente, der Naturerscheinungen, der Krankheiten, der Medizin, der
Tiergötter, wie Fuchs, Tiger, Drache u. s. w., der Litteratur,
besonders
auch die unzähligen Lokalgottheiten, an deren Spitze die
Stadtgottheiten
stehen. Die religiöse Gemeinschaft der Taoisten ist
ausschließlich klösterlich.
Aufs Volk wirkt der Taoismus durch seinen Götzendienst,
Exorzismus
und besonders durch Orakel. Gepredigt wird nicht. Belehrung geschieht
schriftlich.
Die älteren heiligen Schriften
des Taoismus gehören zum
tiefsten,
was die chinesische Litteratur besitzt. Es erscheinen immer wieder neue
Kommentare. Leider fehlt es noch sehr an gründlichen kritischen
Ausgaben,
die Texte haben im Laufe der Zeit nicht unbeträchtlich gelitten.
Von
neueren taoistischen Produktionen sind besonders zwei populär
durch moralischen
Inhalt und durch Betonung der Vergeltungslehre, teilweise mit
abschreckenden
Ausmalungen der Höllenstrafen.
Überblickt man die Geschichte des Taoismus in der Vergangenheit,
so
kann man kein günstiges
Prognostikum für die Zukunft stellen.
Die
innere Entwicklung ging aus der Fülle in die Leere, aus dem Lichte
der
Wahrheit ins Dunkel des Aberglaubens. Auch die Machtstellung der
taoistischen Päpste blieb ohne Resultat. Obschon dieselben nahezu
1500 Jahre
ihre Würde bekleiden, berichtet die chinesische Geschichte von
keinem dieser
Häupter des Taoismus, daß er einem kaiserlichen
Wüstling strafend entgegengetreten sei, noch daß er einen
wilden Rebellen vom blutigen
Unternehmen
bekehrt habe zu friedlicher Genügsamkeit. Da sind die
römischen Päpste wie
auch die byzantinischen Patriarchen doch ganz andere Faktoren in der
Geschichte.
XIV. Der Konfuzianismus.
Obschon
dieser seine Wurzeln ebenfalls im chinesischen Altertum hat,
ist er doch wesentlich eine Reaktion gegen die damals, im 6.
Jahrhundert
v. Chr., herrschende Religion und Moral, also eine Reformbestrebung.
Das
Verhältnis ist sehr ähnlich dem des Protestantismus zum
Katholicismus.
Konfuzius wollte nichts Neues,
sondern das Alte in humaner Reinheit.
Er war durchaus nicht antireligiös. Einige Aussprüche werden
von bücherschreibenden Ausländern viel zu häufig
mißbraucht.
Darüber, was man
unter Koufuzianismus zu verstehen hat, entscheiden mit
unwidersprechlicher
Gewißheit die heiligen Schriften des Konfuzianismus. Man
bezeichnet dieselben
gewöhnlich als die chinesischen Klassiker. Es sind deren dreizehn.
Davon
sind acht ins Englische übersetzt, zwei weitere (Chow li und J li)
ins
Seite 41
Französische und drei wären noch zu übersetzen. Man
findet in diesen
13 Klassikern bereits ein sehr verzweigtes System religiöser
Gebräuche,
auch etliche Versuche theoretischer Erklärung, aber allerdings
kein dogmatisches, noch weniger ein wissenschaftliches System. Man
unterschied
schon
frühe drei Gruppen von Gottheiten, solche des Himmels, der Erde
und der
Menschen. Außerdem war der Ahnenkultus sehr ausgebildet. Opfer
mancherlei Art wurden zu den festgesetzten Zeiten nach genau
vorgeschriebenem Ritus dargebracht. Orakel wurden gefragt vor jedem
Unternehmen,
selbst den geringfügig scheinenden. Das häusliche wie das
öffentliche Leben
war und ist bis heute durchwoben von religiösen Gebräuchen.
Jeder der
13 Klassiker ist ein Beleg dafür, aber in besonderer Fülle
tritt das Gesagte in den drei Werken über Riten (li) zu Tage,
ferner in den
drei Erläuterungen (chüen) zum Frühling–Herbst
(Annalen von
Lu), besonders
von Tso. Allerdings legte Konfuzius und seine Schule viel Nachdruck auf
Moral, doch Laotsz und seine Schule nicht minder. Man übersieht
häufig,
daß nicht das das Unterscheidende des Konfuzianismus vom
chinesischen
Altertum war, die Moral gegen die Religion zu stellen, sondern die
Moral
der Aktivität, der Handlung zu betonen gegenüber der des
Gehenlassens,
der Passivität, resp. des Indifferentismus. Weiter machte der
Konfuzianismus Front gegen den Sensualismus und gegen den
Vulgär-Eudämonismus in der Politik. Der Konfuzianismus geht
von den edlen Anlagen
der Menschennatur aus, welche er zur Herrschaft bringen will im
persönlichen Leben, in der Familie und im Staat. Das Prinzip der
Autorität,
also der Wille, nicht die Naturnotwendigkeit beherrscht die Moral und
Politik des
Konfuzianismus. Allerdings ist dieser Wille nicht der eigne Wille oder
Freiheit, sondern die Geltung des Willens von Mitmenschen, von
Vorgesetzten, also Subordination, Unterordnung des eignen Willens. In
der
Familie gilt der Vater, in der Gemeinde (Dorf etc.) das Alter, im
Staate
der Kaiser, über alle das Altertum, besonders dessen
gegenwärtige Stimme
in den Klassikern oder heiligen Schriften.
Im Konfuzianismus wie im Taoismus sind Religion, Moral und
Politik innig verschlungen, von Physik ist kaum die Rede, sie ist
jedenfalls
jenen drei Gebieten ganz untergeordnet. Dadurch, daß Konfuzius
die alte
Litteratur sammelte und seiner Schule zu Textbüchern
überlieferte, half er
seiner Sache zum Siege. Es vergingen allerdings noch Jahrhunderte, bis
die Herrschaft schließlich errungen war, aber der nationale
Gedanke, der sich
in seiner Schule verkörperte, brach sich unwiderstehlich Bahn.
Erst wurde
der alte Rivale Taoismus überwunden, in langem Ringen, wobei der
Konfuzianismus auch noch manche Veränderung durch die geniale
Regsamkeit
und eindringende Gegenwirkung des Taoismus erfuhr. Noch während
dieses
Kampfes erschien auch schon der andere große Rivale, der
Buddhismus,
Seite 42
von Indien her. Gegen diesen behauptete der Konfuzianismus ebenfalls
siegreich das Feld, aber nicht ohne weitere Umgestaltung zu erfahren.
Es
sind also zu unterscheiden der Konfuzianismus 1. der Klassiker, 2. der
taoistisch veränderte, 3.
der buddhistisch
beeinflußte und
4. eine modern kritische
Richtung durch Einwirkung des Westens.
Die erste Periode ist die der Originalproduktion in klassischer Form,
ethisch und ritualistisch zugleich. Die zweite Periode ist exegetisch.
Der
Geisterdienst ist aber schon entartet zum Götzendienst, den
Riten wird teilweise eine magische Bedeutung zugeschrieben. Dualismus
und Elementenlehre werden ausgebildet. Das Schicksal oder Fatum wird
stärker
betont,
darum erlangt Astrologie und Wahrsagekunst größeren
Einfluß. Wundersucht erstickt jede kritische Regung. Die dritte
Periode ist
metaphysisch,
besonders naturphilosophisch, denn alles wird aus Urkraft und Urmaterie
abgeleitet. Betrachtung und Erforschung der Natur und ihrer stets
wirkenden Gesetze wird vernachlässigt, darum wird das Studium
immer
mehr
zur antiquarischen Gelehrsamkeit und Phrase. Die Exegese steht im
Dienst
der Theorie. In neuester Zeit sucht man grammatisch-exegetisch zu
verfahren.
Damit in Verbindung steht ein Anfang von Textkritik. Realkritik ist
nicht
ganz abwesend, aber noch sehr vereinzelt.
Was dem Konfuzianismus in China zur Herrschaft verhalf, ist unstreitig
sein Verdienst um die Klassiker.
Diese enthalten das Beste,
was
der chinesische Geist hervorgebracht hat, sind also der entsprechendste
Ausdruck des chinesischen Ideals. Das heißt mit andern Worten,
der
Gedanke
des Chinesentums findet sich verkörpert in den Klassikern und hat
seine
reinste persönliche Gestaltung in Konfuzius. Was die Klassiker
auszeichnet
vor andern Produkten chinesischer Zeitgenossen, ist die Erkenntnis des
rein
Menschlichen im Zusammenhang mit dem Staatsganzen. Die älteren
taoistischen Werke sind vielfach tiefer und geistreicher, aber oft
einseitig individualistisch an Skepticismus streifend, oder auch
sozialistisch, den
Staat
nur als Organismus anerkennend für materielle Wohlfahrt, nicht in
erster
Linie als Pfleger aller ethischen und intellektuellen Anlagen, sowie
überhaupt
aller Güter des menschlichen Lebens, der idealen nicht minder als
der
materiellen. In seiner Moral schwankt der Taoismus zwischen den
Extremen
sensualistischen Epikuräertums und asketischen Einsiedlerwesens.
Die chinesischen Klassiker sind also durchaus nicht zu
unterschätzen
in ihrem Wert
für China. Der Konfuzianismus predigt eine moralische Weltordnung,
welche der einzelne nicht ungestraft durchbricht, ethische
Selbstvervollkommnung, worin der Weise sein Glück allein findet.
Das war stets ein
Antrieb zum Kampf mit den Versuchungen der Sinnlichkeit. Leider bot der
Konfuzianismus nicht auch die Kraft zur Überwindung, darum zeigt
die
Geschichte Chinas ein Bild des Niedergangs, nicht des Aufschwungs. Der
Foto aus dem Faber-Buch von 1895,
Foto-Benennung "Ein Taoistenpriester und zwei Zöglinge." ||| Die
Fotoseite war unpaginiert nach Textseite 64 in die Publikation
eingebunden. Die
Druckvorlage stammt (siehe rechts unten in dem Oval) von "Gaillard".
Wir kennen andere Bilder von Gaillard, auch Bildpostkarten. Es ist
Edm./Edmund Gaillard in Berlin. Das museum-digital.de weiß zu
Gaillard: „Kunstanstalt und Kunsthandlung in Berlin, stellte u. a.
Fototypogravüren her.“ Ich selber fand im „Berliner Adressbuch
für 1894“, Theil I., Druck und Verlag von W. & S.
Loewenthal, Seite 359, Gaff bis Gall: Edm. Gaillard, Königliche
Hofkunsthdl, Kunstanstalt f. moderne, auf Photografie beruhende
Reproduktion, SW (stünde für Postbezirk Südwest), Lindenstr. 69. Inhaber ist E. Gaillard, und II. finden wir auch = 2. Stock.
Eine Art von A steht zudem noch für Fernsprechanschluss. Er ist
noch auch kurz in „III. Verzeichniß der Einwohner Berlins nach
ihren Beschäftigungen und Gewerben“ auf Seite 208 zu finden. In
heutiger Sprache: ein „Repro“-Betrieb, früher vielleicht auch noch
"Klischee-Anstalt" genannt. Auch im Jahr 1932 z. B. ist diese Firma von
Gaillard bzw. eine Firma unter dem Namen Gaillard immer noch existent,
aber jetzt (nur? auch?) als Druckerei-GmbH aktiv. – Edmund Gaillard
selbst, übrigens auch Erfinder (!), starb 58-jährig, bereits
am 15.6.1900, so meldet das „Börsenblatt für den Deutschen
Buchhandel ...“, allerdings erst am 6.5.1901. K. J.
Seite 43
Taoismus versenkt sich in den Gang der Natur, faßt auch den Geist
als
Natur, aber als reinste und feinste (ätherisch). Er will die
Materie in
den Geist erheben mit ethischen Mitteln, aber teilweise auch mit
sinnlichen.
Leider hat es der Taoismus weder zu gesunder Naturwissenschaft noch zu
erhebender Geisteswissenschaft gebracht. Er führte jedoch seine
Naturphilosophie, seine Dualkräfte, Elementenlehre, Zahlenmystik
etc. in
den Konfuzianismus ein. Auf die Politik hat er teilweise günstig
gewirkt
durch seine Betonung des Naturlaufs und der persönlichen Freiheit.
Der Buddhismus predigt die
Eitelkeit der Welt. Seine Moral hat
weniger positiven Gehalt als die konfuzische, aber er wirkte auf den
Konfuzianismus einerseits durch die Bedeutung der Meditation, also
geistiger
Betrachtung gegenüber der That, d. h. Abkehr des Geistes von der
Außenwelt. Weiter imponiert in noch höherem Grad seine
konsequente Vergeltungstheorie nach dem Tod. Der Tod ist nur eine
Durchgangspforte
in eine andere Form des Lebens. Sonst wirkt der Buddhismus
zersetzend
auf den Staat, konnte deshalb auf die praktischen Staatsmänner
Chinas keinen Eindruck machen. Weiteres siehe unter XVI. Die
regierenden
Kreise Chinas erkannten im Laufe der Jahrhunderte auch immer deutlicher
die Bedeutung ihrer Klassiker und ihres Konfuzius. Die Klassiker wurden
die Textbücher in den Schulen und für die Staatsexamina.
Jedermann,
der eine Stellung im Staatsdienste hat, oder als Lehrer thätig
ist, oder
sich darauf vorbereitet, kennt den Inhalt der Klassiker (doch nicht
aller 13)
auswendig, dazu auch die autorisierten Erklärungen. Solcher Leute
giebt
es etliche Millionen in den Provinzen Chinas. Noch zahlreicher sind
solche
Personen, welche, ohne ihre klassischen Studien zu vollenden, einen
Beruf
des Erwerbslebens ergriffen haben aber doch etliche der Klassiker
auswendig
wissen. Dagegen ist eingehende Bekanntschaft mit den taoistischen und
buddhistischen heiligen Schriften eine große Seltenheit selbst in
den betreffenden
Klöstern. Unter 1000 Kennern der konfuzianischen Schriften ist
ferner kaum einer zu finden, welcher Buddhismus studiert hätte,
mit dem
Taoismus
ist man dagegen besser bekannt, da dessen Hauptwerke der
Nationallitteratur
angehören. Die populären Ermahnungsschriften des Buddhismus
sind am
weitesten verbreitet und nicht ohne Wirkung auf die Massen. Immerhin
kann es keine Frage sein, daß der Konfuzianismus und nicht der
Buddhismus dem chinesischen Geist seinen Stempel aufgeprägt hat.
Dieses
war möglich,
da der Konfuzianismus selber die kräftigste Ausgeburt dieses
Geistes ist. Man
mag Mongolen und Tibetaner, Siamesen und Birmaner mit Recht Buddhisten
nennen, die Chinesen sind Konfuzianer,
trotz des buddhistischen
Flitters,
der ihnen anhängt und der manchen europäischen Gelehrten die
Augen geblendet hat.
Seit China im Wechselverkehr steht mit den übrigen Staaten der
Welt, muß natürlich das Chinesentum, resp. der
Konfuzianismus sich messen
Seite 44
und wird gemessen mit dem Christentum und dessen verschiedenartigen
Ausprägungen. Darüber siehe die Abschnitte XVIII–XX.
XV. Der Tempel des Konfuzius.
Charakteristisch
für den Grad der Verehrung des Konfuzianismus in
China ist die Geschichte des dem Konfuzius geweihten Tempels.
Merkwürdig ist, daß kein Kaiser der Tschao-Dynastie den
Konfuzius der Beachtung wert hielt, trotzdem Konfuzius es sich
angelegen sein ließ,
die gesunkene
Kaisermacht wieder zu befestigen. Erst der Gründer der
Han-Dynastie besuchte 195 v. Chr. das Grab des Konfuzius, der 481
gestorben war, also
fast 300 Jahre nach dessen Tod. 50 Jahre später wurde der erste
Tempel
im Geburtsort des Konfuzius errichtet. Im Jahre 1 n. Chr. ließ
der
Kaiser einen Tempel bauen, worin dem Konfuzius und dem Herzog von
Tschao Opfer dargebracht wurden. Im Jahre 72 opferte der Kaiser dem
Konfuzius und seinen 72 Schülern. Etwas später unter
demselben Kaiser
fand die Feier unter Musikbegleitung statt. Im Jahre 178 wurde ein
Bildnis statt der Namenstafel aufgestellt. Blutige Opfer wurden dem
Konfuzius 267 in der kaiserlichen Akademie und in seinem Geburtsort
vieteljährlich (Sic!
Druckfehler >>vietel<< so im Original, K. J.)
dargebracht. 472 erschien ein Edikt, worin es den
Frauen
verboten wurde, im Tempel des Konfuzius um Kinder zu beten. Um 480
wurde in der Hauptstadt ein Tempel errichtet. Im Teilstaat Nord-Tshi
wurde in jeder Regierungsstadt ein Tempel errichtet und seine
Lieblingsschüler mit Konfuzius verehrt. Im Jahre 624 wurde
Konfuzius zum
Genossen des Herzogs von Tschao gemacht. Einige Jahre später
wurden
Tempel befohlen in jeder Präfektur und Kreisstadt, auch 22
Ehrwürdige
kanonisiert zur Teilnahme an den Opfern. Im Jahre 712 wurde noch
ein anderer Schüler zum Genossen erhoben. Einige Jahre darauf
wurde
die Klasse der 10 Weisen im Tempel eingeführt. Thonfiguren wurden
960
statt der hölzernen gebraucht. Mencius wurde 1084 als dritter
Genosse
beigefügt. Im Jahre 1267 wurden die vier Genossen bestimmt, wie
dieselben noch heute in den Tempeln fortbestehen (der Enkel des
Konfuzius
ist
der vierte). Ein Tempel wurde dem Konfuzius in Peking 1306 gebaut.
Die Opfer wurden 1368 halbjährlich festgesetzt, und zwei
Seitenhallen
wurden jedem Tempel beigefügt für die Altäre der
Schüler. Im Jahre
1530 wurde eine allgemeine Revision des Tempels vorgenommen, auch
Holztafeln mit Namen wieder für die Thonbilder eingeführt.
Der Kaiser
verordnete 1645, daß der oberste Civilmandarin an jedem Orte die
Feier
leiten solle. Kanghi befahl auch den Militärmandarinen
teilzunehmen. Er
erhob auch Chu Hi unter die Weisen, später wurde noch einer
beigefügt, die
Zahl auf 12 gebracht. Die Ordnung wurde seither noch mehrere Male
verändert. Der Tempel enthält jetzt außer Konfuzius die
vier Genossen.
Seite 45
Sie sind gewissermaßen seine spezielle Tischgesellschaft, alle
vier stehen im
Range von Heiligen oder Makellosen. Dann folgen die 12 Weisen; es sind
das anerkannt tüchtige Konfuzianer. Dann kommen die 79
Ehrwürdigen.
Darunter sind viele, von welchen nur die Namen bekannt sind, über
ihren
Charakter und ihre Leistungen dagegen schweigt die Geschichte. Die 66
Mustergelehrten stehen zuletzt. Das sind zusammen 161 Namen. Mit
dem Tempel in Verbindung steht, entweder hinten oder auf der Ostseite,
eine
Ahnenhalle für Konfuzius (Sic!
Ohne Apostroph, K. J.) Vater seit 1008. Seine Vorfahren sind
dort bis zur
fünften Generation aufwärts aufgestellt seit 1724. Die
Väter der vier Genossen
und der fünf Begründer der Sungphilosophie sind auch da zu
finden seit
1437 und ein Halbbruder des Konfuzius seit 1857. Dieses sind 15
Personen mit den obigen 161 zusammen 176 Mitgenossen der Ehren des
Konfuzius und Teilhaber an den Opferfestlichkeiten in den circa 2000
Tempeln,
welche dem Konfuzius in China geweiht sind. Daß aber auch diese
Ehre
eitel ist, haben manche Tafeln erfahren müssen, die für immer
entfernt
wurden, andere wurden auf Jahre oder Jahrzehnte entfernt, dann wieder
aufgenommen, andere wurden erhöht oder erniedrigt.
Die Nachkommen des Konfuzius
wurden auch vom Kaiser geehrt.
Das Familienhaupt hat den Rang eines Herzogs erblich. Die Gesamtzahl
der Nachkommen beläuft sich auf Tausende. Sie sind die
Wächter des
Grabes ihres Ahnherrn und seines Tempels an seinem Geburtsort. In
der Nähe des Grabes von Konfuzius sind die Gräber der
Häupter seiner
Stammlinie, über 70 Generationen, ein Friedhof einzig in seiner
Art.
Dieser Kultus hat für den oberflächlichen Betrachter etwas
Imponierendes.
Wenn wir aber fragen, welchen Einfluß hat diese älteste
Adelsfamilie auf
die Geschicke Chinas ausgeübt? so (Sic! Klein und ohne Komma folgt: so, K.
J.) suchen wir vergebens in der
chinesischen
Geschichte danach, aus dem einfachen Grunde, weil nichts darüber
zu sagen
ist. Wächter des Grabes, der Modergebeine, aber nicht des Geistes
und
der Sittenstrenge des Meisters sind diese Herzoge der Kung-Familie
gewesen durch die Jahrhunderte und sind es noch. Wohl gab es einige
Gelehrte von Bedeutung unter ihnen, aber keiner erhob eine
Prophetenstimme
in sittenverderbter Zeit, um dem Ruin seines Volkes zu wehren, keiner
trat
auf als Helfer der Armen und Unterdrückten in Zeiten der Tyrannei,
keiner predigte
die ideale Berufung der Nation, wenn China zertreten war unter den
Füßen
der kriegerischen Barbarenvölker. Wenn irgendwo zeigt sich in
dieser Nachkommenschaft am Grabe des Konfuzius, daß der
Konfuzianismus erstorben
(Sic! Nicht verstorben, und:
erstorben extra durch
Sperrdruck, hier kursiv dargestellt, betont, K. J.)
ist; er
gehört der Vergangenheit an, ist nicht mehr eine Lebenskraft der
Gegenwart.
XVI. Der Buddhismus.
Es
unterliegt wohl keinem Zweifel, daß China schon in den
ältesten
Zeiten, wahrscheinlich schon in der prähistorischen Periode, vom
Auslande
Seite 46
mancherlei Gutes empfangen hat. Die astronomischen Bezeichnungen
für
die Planeten, Monate, die Cyklusbestandteile, zwölf Namen und
zehn, die
Schriftzeichen dafür, die Zahlzeichen u. dgl., die
Seidengewinnung, die Haustiere, Metallarbeit u. s. w. werden schon im
ältesten Altertum als
bekannt
vorausgesetzt und mythologischen Herrschern zugeschrieben. Jedenfalls
ist es
beachtenswert, daß alles Gute von einem Kaiser herstammt oder auf
kaiserlichen Befehl von einem Minister. Der Überlandweg von China
zu den
Kulturländern des Westens konnte wohl nur durch Turkestan nach
Persien
und von da nach Indien führen. Vielleicht auch von Persien nach
Chaldäa
und Arabien, möglicherweise von da weiter nach Ägypten. Aber
Sicheres
über diese urältesten Beziehungen ist bis jetzt nicht
bekannt. Dasselbe gilt
vom Seeweg durch die Straße von Malaka nach Indien und weiter ins
Arabische und Persische Meer. Ob buddhistische
Missionare schon im
3. Jahrhundert v. Chr. von Indien nach China kamen, ist ebenfalls
fraglich. Dreihundert Jahre später erlangte jedoch der Buddhismus
die
kaiserliche Gunst und damit allmählich weite Verbreitung im Reich
und
darüber
hinaus. Im Jahr 335 erhielten chinesische Unterthanen die Erlaubnis,
Mönchsgelübde auf sich zu nehmen. Der Mönch Fa Hien
machte 399
eine Reise nach Indien und kehrte 414 zurück. Sein Reisebericht
ist mehrfach übersetzt. Auf ein Edikt des Kaisers wurden 426 die
Götzen und
Bücher der Buddhisten zerstört, auch viele Priester
getötet. Erst 451
wurde Erlaubnis erteilt, in jeder Stadt einen Tempel zu errichten und
40–50 Priestern, mit jedem in Verbindung zu stehen. Der erste
Kaiser, der den Buddhismus selber annahm, war Hien Wen, welcher
466–471 einen Teil Chinas regierte und blutige Kriege führte. Er
ließ
467 eine 43 Fuß hohe Buddha-Statue anfertigen, dazu wurden 100
Zentner
Bronze und 6 Zentner Gold verwendet. Er dankte bald ab zu Gunsten
seines 5 jährigen (Sic! Hier
mit Leerzeichen zwischen 5 und jährig, sonst solche Angaben meist
zusammengeschrieben, K. J.) Sohnes, um sich ganz dem Buddhismus
zu widmen.
Dessen ungeachtet ließ er den Günstling seiner Gemahlin
umbringen, wofür
diese ihn vergiftete. Zu Anfang des 6. Jahrhunderts gab es über
3000 Buddhisten aus Indien in China. Sie fanden gute Aufnahme.
Mehrere Priester wurden 515 hingerichtet, weil sie angeblich Zauberei
trieben. Im Jahre 518 ging ein Priester nach Indien, um Bücher zu
sammeln und brachte 175 buddhistische Werke zurück. Kaiser Wu der
Liang-Dynastie wurde 527 Mönch. Er beherrschte nur einen Teil
Chinas
und erlitt, von einem Rebellen im Palaste eingeschlossen, den
Hungertod.
Die Kaiserin-Mutter vergiftete 528 ihren Sohn, den regierenden Kaiser,
weil
er ihr unzüchtiges Leben tadelte. Sie war trotzdem eine eifrige
Buddhistin,
hatte auch eine mehrere hundert Fuß hohe Pagode errichten lassen.
Auch
Kaiser Wu der Tschen-Dynastie, 557–559, war ein Buddhist, was ihn
nicht hinderte, den 16 jährigen Kaiser, der zu seinen Gunsten
abgedankt
Seite 47
hatte, hinrichten zu lassen. Der berühmte Mönch Hientsung
begann seine
Reise nach Indien 629. Er brachte von da 657 Werke zurück. Dann
übersetzte er mit 12 Mönchen, während 9 andere
revidierten. Zu der Zeit
gab es 3716 Klöster in China. Die heiligen Schriften wurden 684 in
einer Sammlung vereinigt. 12,000 Priester wurden 714 gezwungen in
die Welt zurückzukehren, auch wurde das Schreiben von Büchern
sowie die
Verfertigung von Götzen und Tempeln verboten. Ein Kaiser der
großen
Thang-Dynastie, 763-780, erklärte in einer Aula die buddhistischen
Schriften
vor Hunderten von Zuhörern. Er verlieh einem Priester den
Fürstentitel. Zu seiner Zeit drangen die Tibetaner ins Reich und
verbrannten
den Kaiserpalast. Etwas später, 806-820, begünstigte ein
Kaiser erst den
Buddhismus, besonders den Reliquiendienst, 819 wurde ein Buddhaknochen
mit großer Feierlichkeit empfangen. Dann begünstigte
derselbe noch mehr
den Taoismus, wurde aber zuletzt seiner Mordlust wegen von den Eunuchen
hinweggeräumt. Der Kaiser, welcher 841–846 regierte, ging aus
Abneigung gegen den Buddhismus zum Taoismus über. Er befahl 845
den
Mönchen, das Haar wachsen zu lassen d. h. also wohl die
Rückkehr in die
Welt. Es gab damals 44,660 Tempel und Klöster, welche eingezogen
resp. zerstört wurden, damit waren verbunden 260,500 Mönche
und Nonnen
und 150,000 Sklaven. 3000 Nestorianer-Mönche teilten dasselbe
Schicksal.
Sein Nachfolger restituierte den Buddhismus, verbot aber 852 doch den
chinesischen Unterthanen, in ein Kloster zu gehen. 860-873 beschenkte
der
Kaiser die Mönche reichlich, schrieb selber heilige Bücher ab
und ließ eine
Reliquie des Buddha aus einem entfernten Kloster herbeiholen. Seit 915
befindet sich die Insel Puto südlich von Ningpo als kaiserliches
Geschenk
im Besitz der Buddhisten, der Tientai-Berg, ebenfalls in der
Chekiang-Provinz, schon seit dem 4. Jahrhundert. Beide sind mit
Klöstern
übersät
und berühmte Wallfahrtsorte. Der Kaiser von 955-960 ließ die
bronzenen
buddhistischen Götzenbilder einschmelzen und daraus Münzen
prägen. Über
30,000 Tempel wurden eingezogen, auch allen Mönchen
Selbstverstümmelung
und Selbstpeinigung verboten. 965 brachte ein Mönch 40 Bände
buddhistischer Bücher, die auf Palmblätter geschrieben waren.
Von
1055–1101
herrschte bei den Liao (Nordreich) ein eifriger Beförderer des
Buddhismus,
der große Summen dafür ausgab. Unter den Mongolenkaisern
wurde der
Buddhismus besonders begünstigt. Es gab zu dieser Zeit 42,318
Tempel
und Klöster und 213,148 Mönche innerhalb der Grenzen des
Reichs. Die
Zahl der Abschnitte (kuen) der heiligen Bücher wurde von 4271 auf
4661
erhöht. Ein Priester wurde 1260 zum Oberhaupt aller Lama und
kaiserlichen Ratgeber ernannt. Damit wurde der Lamaismus in China eingeführt.
Die Übersetzung der buddhistischen Schriften aus dem
Tibetanischen
Seite
48
und Sanskrit ins Mongolische mit Uigurschrift wurde 1294 beendet. Eine
weitere Übersetzung geschah 1324. Unter der Regierung von
1308–1311
erging der kaiserliche Befehl, daß jedem, der einen Lama schlage,
die Hand
abgehauen, wer einen beschimpfe, die Zunge ausgeschnitten werden solle.
1324 hatten die Mönche die Befugnis, Postpferde zu requirieren,
welche
das Volk liefern mußte und Mundvorrat dazu. Die Mönche
führten zur
Zeit ein sittenloses Leben und hatten großen Einfluß bei
den Prinzessinnen.
1329–1332 wurde der Großlama mit den größten Ehren im
Kaiserpalast
empfangen, die Höflinge mußten ihm auf den Knieen dienen.
Die heiligen
Schriften wurden 1290 mit goldenen Lettern geschrieben, wozu 3200 Unzen
Gold verwendet wurden. Eine neue Ausgabe von 1317 enthielt 3900 Unzen
Gold in den Schriftzeichen. Um diese Zeit wurden auch reiche Geschenke
an die Klöster gemacht. Im Jahre 1330 schickte der Kaiser 2000
Unzen
Gold zu Abschriften der heiligen Schriften. 1332 wurden auf
kaiserlichen Befehl
umfangreiche buddhistische Werke in uigurischer Schrift mit Gold
geschrieben.
1403 wurden 1800 Mönche, die vor dem 40. Jahre eingetreten waren,
aus den Klöstern genommen. Fünf eherne Glocken, jede 120,000
Pfund
schwer, wanderten in die Münze. 1450 wurde verboten, daß
mehr als
60 Acer Land (6000 □ Fuß)
einem Tempel zugehörten. Die beiden
Kaiser
von 1465–1487 und 1488–1505 waren eifrige Anhänger des Buddhismus.
Auch der von 1522–1566, welcher zugleich dem Taoismus anhing und
den Konfuzius degradierte. Die Zahl der Mönche belief sich auf
530,000.
Schun tschi, der erste Kaiser der Mandschu-Dynastie,
schor sich das
Haupt nach dem Tode seiner Lieblingsfrau 1661. Der Oberlama von
Tibet hatte den Kaiser schon 1653 besucht, der ihm den Titel Dalai-Lama
d. i. Ocean-Lama gab, weil seine Einsicht tief und unergründlich
sei wie
der Ocean. Wann der regierende Kaiser von China den Titel „Buddha
der Gegenwart" annahm, ist mir nicht bekannt. Dadurch erhält der
Kaiser
die Obergewalt über den Dalai-Lama, nicht nur im Leben, sondern
auch
nach dessen Tode, da er ihm die Neugeburt in einem Kinde zu verbieten
vermag,
was man gedruckt lesen kann in der Peking Gazette 1877. Die 16
Moralsätze des Kanghi, sowie die Erläuterungen durch seinen
Nachfolger und
andere sprechen sich scharf gegen den Buddhismus aus und warnen das
Volk allen Ernstes vor der Teilnahme davor. Trotzdem begünstigte
auch
Kienlung den Buddhismus in freigebiger Weise. Man findet seine
Büste
in vielen Buddhistentempeln, wo ihr Weihrauch geopfert wird, wie den
andern Götzen und Schülern Buddhas. Buddhistenpriester
werden zusammen
mit Taoisten sogar bei manchen staatlichen religiösen Feiern
verwendet. —
Durch die Taiping-Rebellion wurden Tausende von Klöstern und
Tempeln
zerstört und wahrscheinlich viele Mönche dem Tode
überliefert. Man findet
Seite 49
noch an manchen Orten die Steintrümmer, aber anderwärts find
die Stätten schöner wieder aufgebaut, auch durch andere
derartige Anstalten vermehrt. Leider giebt es darunter nur sehr wenige,
wo die Insassen geistig regsam sind. Das Herplappern der Litaneien
stumpft die Leute ab. Ein großer Prozentsatz ist dazu dem Opium
ergeben. Auch ihre sonstige Moral steht nicht in gutem Rufe. Aufs Volk
wirken sie besonders als Litanisten bei Leichenfeierlichkeiten und
durch Indienststellung der Hölle, woraus sie Verstorbene zu
erretten vorgeben. Die heiligen Schriften der Buddhisten sind fürs
Volk viel zu schwer verständlich, nur einzelne Gelehrte
vermögen den Sinn nach längerem Studium zu entziffern. Die
populäre Litteratur betont besonders verdienstliche Werke,
wodurch begangene Schuld ausgetilgt wird. Man hat Skalen aufgestellt,
worin für jede Handlung der Betrag des Verdienstes oder der Schuld
in Zahlen angegeben ist. Es kann danach jedermann seine
Ewigkeitsrechnung selber führen. Findet er heraus, daß er
Schuld
auf sich hat, so sucht er unter den guten Handlungen diejenigen aus,
welche mit geringster Mühe die höchsten Treffer bringen. Ja
es wird niemand schwer fallen, nach diesen Schablonen die Vorsteher der
Vergeltung zu seinen Schuldnern zu machen. Daß es der Tod edlen
sittlichen Strebens ist, alles Gute zur Geschäftssache zu machen,
bedarf keines Beweises. Die Pole des buddhistisch-religiösen
Lebens sind Furcht vor Strafe resp. den Folgen böser Handlungen
und selbstgerechter Dünkel, wenn man seine Skala günstig
glaubt. Da ist kein Raum für Liebe weder gegen Gott noch für
die Menschen. Es hat ohne Zweifel der Buddhismus auf die Völker
seines Bekenntnisses sittenmildernd gewirkt, aber der Einfluß
wird von Stubengelehrten weit überschätzt.
Die Mongolen unter Timur,
und bis heute, sind keine solchen sanften Lämmer, die Lama in
Tibet und Peking nach allen Berichten ebenfalls nicht. In Chicago
hörte ich einen berühmten japanischen Buddhisten, der tiefer
Glut des Fremdenhasses öffentlichen Ausdruck verlieh. Die Sitten
des chinesischen Kaiserhofes hat der Buddhismus trotz aller erfahrenen
Gunst nicht veredeln können. Es floß wie immer das Blut der
Ermordeten, Hingerichteten, der im Kriege Erschlagenen, es starben die
Zehntausende an Hunger, Seuchen, Überschwemmungen u. dgl., was
durch weise Maßnahmen hätte verhindert werden können.
Ferner ist ein großer Teil des Einflusses,
welcher vom Buddhismus
ausging, dem zuzuschreiben, daß die buddhistischen Glaubensboten
zugleich Träger der indischen Kultur waren. Die sogenannte
buddhistische Architektur, die Malerei und Skulptur, selbst viel
Gedankeninhalt der buddhistischen heiligen Schriften sind alle
indischen Ursprungs, haben nur buddhistische Färbung angenommen.
Leider wird diese wichtige Thatsache in den Urteilen über den
Einfluß des Buddhismus nicht beachtet, darum der buddhistischen
Seite
50
Religion zugeschrieben, was mit Recht der indischen Kultur
angehört. Das
Gleiche gilt vom Muhammedanismus
als Religion und Träger der
arabischen Kultur. Man kann etwa sagen, daß der chinesische
Buddhismus
bestehe aus 5 Teilen Chinesentum, nämlich 3 Teilen taoistisches
und 2 Teilen
konfuzisches; aus 3 Teilen indischer Kultur und etwa 2 Teilen
eigentlichem
Buddhismus. Der chinesische Buddhismus ist gegenwärtig in einem
recht
jämmerlichen Zustande, durchaus nicht geeignet, frische
Lebenskraft den
Millionen Chinas einzuhauchen. Er hat das Gute geleistet, die Gedanken
an ein künftiges Leben und Vergeltung in demselben wach zu halten,
aber
Fröhlichkeit des Glaubens und beseligende Liebe kennt der
Buddhismus nicht.
Es ist gar manches anders geworden im Laufe der Zeit, als es im
goldenen Zeitalter des Altertums war! Daß jene goldene Zeit auch
nur eine Fiktion ist, das begreift kein chinesischer Gelehrter. Der
Gedanke
entspricht eben dem konfuzianischen Staatsideal resp. Idealstaat. Die
wirklichen Zustände wichen stets mehr oder minder bedeutend davon
ab.
Ein Zusammenhang zwischen dem Jetzt und der Vorzeit ist aber noch
immer vorhanden, in China sogar sehr bemerkbar, wie sonst nirgends in
der Welt. Es sei hier nur auf einige Thatsachen hingewiesen. Eine
genaue Beschreibung und Erörterung jeder Sitte würde mehrere
Bände füllen.
Der Kaiser
ist als solcher noch immer Oberpriester wie im ältesten
Altertum. Er hat jährlich mindestens 43 verschiedene Opfer
darzubringen,
welche in drei Rangklassen geteilt sind. Zur ersten gehören drei
verschiedene
Opfer dem Himmel resp. Höchsten Gott, eins der Erde, eins den
Ahnentafeln sämtlicher verstorbenen Kaiser der Dynastie, eins dem
Feld-
und
Fruchtgott (Schutzgott der Dynastie). Vor jedem dieser sechs Opfer
hat
der Kaiser drei Tage zu fasten und abgesondert zu wohnen. Zum zweiten
Grad gehören 9 Opfer, nämlich für Sonne, Mond, die Namen
der
früheren Kaiser (von Fuhhi an 190), dem Konfuzius, Agrikulturgott,
Seidengott, den Himmelsgöttern, Erdgöttern und dem
Jahresgott. Für
jedes dieser Opfer sind zwei Fasttage vorgeschrieben. Zum dritten Grad
gehören 28 Opfer, nämlich für die Wolken-, Wind-,
Regen-, Donner-, Berg-,
See, Fluß-, Weg-, Thor-, Fahnen-, Kanonen-, Sternen- u. s. w.
Götter.
Für diese ist nur je ein Fasttag vorgeschrieben. Immerhin hat
damit der Kaiser
64 Fasttage im Jahr. Dazu kommen noch etliche bei
außerordentlichen
Veranlassungen. Wie der Kaiser in seiner Hauptstadt, so hat jeder
Mandarin in seiner Residenz jährlich bestimmten Opfern beizuwohnen
und
dabei Ceremonien zu verrichten, z. B. zweimal jährlich im Tempel
des
Konfuzius, im Tempel des Kriegsgottes, der Litteraturgottheit, der
Himmelskönigin, des Jaspisgottes, des Drachengottes,
Flußgottes u.
s. w., der
Seite 51
Stadtgott, Getreidegott, Distriktsgott und die Lokalgottheiten
überhaupt werden nicht von Mandarinen angebetet, welche im Rang
über denselben stehen. Es richtet sich alles nach den Titeln,
welche vom Kaiser verliehen sind.
Vom Volk werden fast ausnahmslos
angebetet die Götter des
Reichtums.
Deren kleine Schreine sieht man in
jedem Laden und oft auch vor der Hausthüre. Der Küchengott
fehlt in keinem Haushalt. Besonders ist aber der Ahnenkultus allgemein
verbreitet. Die Ahnen werden als die eigentlichen Schutzgeister des
Hauses und des Stammes betrachtet. Es finden Ceremonien
für sie statt im Hause, in der Ahnenhalle und am Grabe. Man hat
einen reichhaltigen Festkalender, wohl an 50 größere und
kleinere
Götzenfeste werden jährlich gefeiert, manche mit
Schaugepränge und Prozessionen verbunden, auch mit
Theatervorstellungen. Besonders dadurch übt der Götzendienst
eine solche Zaubermacht auf die Menge aus, daß er ihr bietet,
woran sie
sich ergötzen kann. Es sind das auch die einzigen Gelegenheiten,
wo
sich Frauen, verheiratete sowohl als junge Mädchen, in der
Öffentlichkeit zeigen können. Dieses geschieht trotz mancher
Verbote von seiten der Regierung. Sonstige öffentliche
Belustigungen des Volkes giebt es nicht, außer am Neujahrsfest,
das
aber auch religiösen Anstrich hat. Auch die Drachenboote und das
Laternenfest sind götzendienerisch. Papierdrachen und
Federballschlagen sind Vergnügungen für Knaben und
Jünglinge. Gesellige Schmausereien sind unter den Männern
beliebt, auch Zusammenkünfte in Theehäusern bei Thee oder
Fusel. Die Trunksucht ist gar nicht so selten, tritt aber nicht in die
Öffentlichkeit.
Der Genuß des Opiums stammt nicht aus dem
Altertum, läßt sich auch nicht aus den Klassikern
rechtfertigen
(Tabakrauchen auch nicht), nimmt aber doch jährlich zu. Die
Einfuhr wird allerdings geringer wegen des hohen Zolls, der Anbau im
Innern hat sich jedoch seit einem Jahrzehnt vervielfacht. Etliche
Nordprovinzen treiben bereits Opiumausfuhr in andere Provinzen, ebenso
Szechuan im Westen. Mittel- und Südprovinzen gehen ebenfalls mit
dem Anbau voran. Der Konsum nimmt in den Gegenden der Produktion so zu,
daß selbst Frauen und Kinder daran teilnehmen. Die Folgen werden
sich
bald zeigen. Es wird weder der Wohlstand des Landes, noch die physische
Kraft, noch die sittliche und geistige Entwicklung der Bewohner durch
Opium gefördert. Japan war weise genug, dieses Übel von
seinen Grenzen fern zu halten. Was aber Japan vermochte, wäre
für China auch möglich gewesen bei ernstem Willen. Es trifft
daher die Schuld hauptsächlich China selber. Damit will ich die
englische Opiumpolitik nicht rechtfertigen, wie überhaupt keine
Handelspolitik, welche nur Geld, aber nicht höhere, humane
Interessen anerkennt. Es rächt sich solche Politik gewöhnlich
in kurzer Zeit. Ein schneller Gewinn, der die Verarmung eines Volkes
verursacht, schädigt den Handel. Eine gesunde
Seite
52
Handelspolitik sollte darauf achten, daß durch den Verkehr die
Produktionskraft des Volks erhöht würde, denn nur dadurch ist
fortgehender Aufschwung des Handels erreichbar.
Schlimmer noch als Opium und andere Laster wirkt
aber gegenwärtig
in China die veraltete
Erziehungsmethode. Was gut war vor
1000 und mehr Jahren, als die Nachbarstaaten alle in barbarischen
Zuständen lebten oder ihre Kultur von China entlehnt hatten, was
gut
war,
als China etwa ein Zehntel der jetzigen Bevölkerung in seinen
Grenzen zu
ernähren hatte – das taugt jetzt nicht mehr unter den ganz anderen
Verhältnissen. Der Chinese lernt nur das Lesen, Schreiben und
Litterarisches,
besonders Phraseologie. Darin besteht die ganze Schulweisheit. Nichts
von Realien oder was man etwa so nennen könnte, veraltetes Zeug,
das
mehr schadet als nützt. Die Schwierigkeit der chinesischen
Schrift ist schon
(XII.) hervorgehoben. Ein großer Prozentsatz der
chinesischen Bevölkerung,
besonders der Frauen, lernt überhaupt nicht lesen. Viele lernen
nur soviel,
als für ihr Geschäft nötig ist, können aber kein
Buch verstehen. Die
Begabteren unter den Geschäftsleuten bringen es aber so weit,
leichte
Lektüre, vielleicht auch eine Zeitung mit einigem Verständnis
lesen zu können.
Die eigentlichen Gelehrten arbeiten nur für die Examia (Sic! Examia, K. J.). Sie
müssen etliche
der Klassiker ganz auswendig wissen, die autorisierte Erklärung
dazu ebenfalls, sonst hauptsächlich die Technik der
Aufsätze und
poetischen Stücke.
Chinesische Geschichte wird aus Kompendien gelernt, ebenso allgemeine
chinesische Litteratur. Es ist ein ungeheurer Memorierstoff, den der
chinesische
Gelehrte zu bewältigen hat. Das ist seine Stärke. Aber der
Stoff ist
nicht gesichtet und darum beschwerend, wird nicht geistig durchdrungen
und
beherrscht, ist darum auch nicht förderlich fürs Leben.
Vieles, das mit
vieler Mühe gelernt wird, hat gar keinen Wert, sollte also von
Anfang an
ausgeschieden werden. Anderes ließe sich kürzen und dadurch
seine Aneignung
und Gebrauch erleichtern. Ferner ist vieles falsch, das sollte durch
Wahres
ersetzt werden, anderes ist ungenau, das der Berichtigung bedarf, oder
ungenügend, wo Ergänzung nötig wäre. Aus den alten
Werken saugt der
Chinese seine Selbstüberhebung und Verachtung aller Ausländer
als Barbaren.
Seine Vertrautheit mit der alten Litteratur macht es ihm
unmöglich,
Fremdes unbefangen zu prüfen und sich über Vortreffliches zu
freuen. Auch
wird sich immer mehr zu erkennen geben, daß die chinesische
Schrift, sowie sie jetzt ist, die Hauptbarriere bildet gegen
wissenschaftliche
Durchbildung der
chinesischen Jugend. Diese Schrift ist ganz gut, wenn der Mensch sonst
wenig oder nichts zu lernen nötig hat. Wenn aber alles im Leben
von
realer Durchbildung abhängig ist, so kann die Schrift nicht
Selbstzweck
bleiben, sondern muß jenem Hauptinteresse sich unterordnen. Die
einfachste Schreibweise ist die beste.
Seite
53
Der Aberglaube aller Art, Geomantie, Astrologie, Wahrsagerei,
Zauberei, Gespensterfurcht, Tagewählerei, Omina, Amulette,
magische Symbole u. dergl. beruht ebenfalls auf ungenügender
Realbildung. Es
ist erstaunlich, was für dummes Zeug das chinesische Volk glaubt,
und
wie es
über den ärgsten Unsinn in Aufruhr geraten kann. Viel geplagt
sind aber
die Chinesen besonders durch ihren Ahnenkultus. Man kann sagen,
daß sie
lebenslang Knechte deshalb sind. Wir müssen davon wohl
unterscheiden die kindliche Ehrerbietung den lebenden Eltern
gegenüber. Diese kann
nicht
genug eingeschärft werden. Über die Verstorbenen dagegen kann
nur die
christliche Religion Trost und Licht geben. Bei dem Herrn sein,
verklärt
und in Gemeinschaft aller Seligen, in vollem Genusse der himmlischen
Güter und frei von jeglichem Erdenweh das ist erquickende
Hoffnung.
Ihre Begründung hat dieselbe in der völligen Offenbarung
Gottes als
Liebe. Das persönliche Wesen des Menschen hat seinen Ursprung aus
der
Liebe Gottes und diese verbürgt eine herrliche Vollendung des
persönlichen
Daseins in Ewigkeit, wie Gottes Liebe ewig ist.
Die populäre Religion der Chinesen kennt nur Mangel in der andern
Welt, diesem Mangel muß von den lebenden Nachkommen abgeholfen
werden.
Darauf gründen sich alle Thatsachen des allgemein geübten
Ahnenkults.
Es steht dies im Gegensatz zu der buddhistischen Doktrin des Karma und
der Metempsychose. Das ist ein weiterer Beweis, daß das
chinesische Volk
nicht buddhistisch ist. Aber allerdings benutzt man teilweise
buddhistische Ceremonien, um den Verstorbenen aus der Hölle zu
helfen. Der
eigentliche Ahnenkultus hat keine Hölle ewiger Pein, das Fortleben
im
Jenseits steht unter denselben Bedingungen wie auf Erden. Es giebt auch
drüben
Mandarine mit ihren Gerichtshöfen, Gefängnissen, Peinigungen
und Exekutionen. Da sind denn auch Bestechungen nötig wie auf
Erden.
Das Heidentum ist trostlose Nacht, troß der
vereinzelten
Lichtstrahlen,
die hie und da hindurchblitzen.
China liegt am Boden. Die Mandschu sind verweichlicht, die Mandarine
verrottet, die Gelehrten versteinert, die Soldaten feige, das
Volk unwissend, der Pöbel versumpft und frech. Was ist da zu
machen? Man
muß reformieren! Das ist leicht gesagt, geht aber sehr langsam,
weil nicht
ohne Widerstand im Leben. Es sollen nur etliche Gedanken Erwähnung
finden, welche durch dreißigjährige Bekanntschaft mit den
Thatsachen des
chinesischen Lebens im Verfasser angeregt wurden. Der Übersicht
wegen
sind sie in wenige Sätze zusammengefaßt.
I. Nutzbarmachung
1. aller Naturmittel, 2. aller
Arbeitskräfte.
II. Abstellung 1. der
Ausschweifung im Kaiserpalast und bei den Vor
Seite
54
nehmen, 2. der Verschwendung durch Götzendienst etc., 3. der
Notstände im
Volk, 4. der Laster, Opium, Spiel etc. III. Vorbeugung 1. durch
Erziehung, 2. Sanitätseinrichtungen, 3. Kommunikationsmittel, 4.
Militärschutz.
IV. Förderung des Wohlbefindens
aller: 1. Rechtspflege, 2.
Steuern
und Zölle für die Bedürfnisse des Staats, 3. Sitten und
Gebräuche ein-
fach, 4. Heirat und Kindererziehung, 5. Freie Religion, aber ohne
gemeinschädliche Ausartung, 6. Regulierung des Armen-, Kranken-
und
Versicherungswesens.
Zu I. China trieb Ackerbau, Viehzucht, Bergbau und
Industrie schon
in vorhistorischer Zeit. Es unterliegt aber keinem Zweifel, daß
China auch
darin in allen Stücken hinter den Westländern
zurückgeblieben ist. Es
ließen sich leicht alle Produkte vervielfältigen. Die
Schätze unter der Erde sind ja noch kaum berührt. Das
würde Gelegenheit geben, viele
unbenutzte
oder in verkehrter Weise verbrauchte Arbeitskräfte produktiv zu
machen.
Es ist auffällig,
daß dieser wichtige Gedanke im
Staatsleben, auch der
Westländer, noch so wenig verwertet wird. Arbeitskräfte sind
viel wichtiger
als Gold. Dennoch erlaubt man einem bedeutenden Prozentsatz brach zu
liegen, allen, die keine bestimmte Berufsthätigkeit haben, den
Faullenzern (Sic! 2 mal l = Ell,
K. J.) reich
und arm. Natürlich ist unter Arbeit nicht nur Handarbeit
verstanden,
sondern auch Geistesarbeit, wissenschaftliche Bestrebungen,
Wohlthätigkeit u. dgl., überhaupt jede Beschäftigung zum
eigenen Wohl
und zum
Besten anderer. Bettel ist Mißbrauch der Arbeitskraft, noch mehr
natürlich Diebstahl, Schmuggel u. dgl. Leider werden, besonders in
China,
viele
Arbeitskräfte auf Irrbahnen gedrängt, da die Gelegenheit und
Anleitung zu
produktiver Arbeit fehlt. Dafür sollte der Staat durch ein
Arbeitsministerium sorgen mit einer ausreichenden Zahl von
Unterbeamten, deren
Pflicht
es wäre, jedem Arbeitsfähigen auch entsprechende
Beschäftigung zu verschaffen. Es wirkt demoralisierend, wenn
kräftige Leute nach
Arbeit suchen
und lange Zeit nicht finden können. Es ist das sehr oft nicht
sowohl
Schuld der einzelnen, als der Staatsverwaltung. Weitere Schwierigkeiten
werden erzeugt durch die schon weit vorgeschrittene Organisation der
Arbeit
in den großen Fabriken der Westländer, auch im
Großbetrieb des Ackerbaus,
der Viehzucht etc. Jemehr der Großbetrieb den Kleinerwerb
verschlingt,
desto einfacher werden wieder die Verhältnisse nach manchen
Seiten. Es kommt zu einheitlicher Leitung der Hauptindustrien, nicht
mehr nur in
Stadtzünften, sondern in Vereinigung derselben Zweige in ganzen
Staaten.
Jetzt schon spricht man von englischer Kohle und japanischer etc., von
deutschem Eisen und englischem, von amerikanischen Maschinen,
englischen
und
deutschen, von chinesischem Thee und indischem. Es ist der Weltmarkt
zu berücksichtigen, d. h. der Verkehr aller Staaten untereinander.
Da hilft
keine Gefühlspolitik, sondern nur gründliches
Verständnis der bestehenden
Verhältnisse in allen Ländern der Erde.
Seite
55
Wenn aber auch nach diesen zwei Seiten, der Heranziehung aller
Naturmittel und Verwendung aller Arbeitskräfte das Mögliche
in befriedigender Weise geschähe, so könnte doch China nicht
zur
Blüte kommen
ohne gründliche Behandlung der vier Punkte von II. Was für
Unheil der
kaiserliche Harem und die damit verbundenen Eunuchen schon gestiftet
haben,
ist aus der historischen Skizze VII–IX ersichtlich. Monogamie muß
strenge (Sic! strenge, K. J.)
durchgeführt werden. Es ist eine Schmach für die
Westmächte und
deren Kultur, daß solche Zustände, wie sie in China und
ähnlich in der
Türkei herrschen, überhaupt geduldet werden. Man mache Ernst
mit den
moralischen Voraussetzungen gesunder staatlicher Verhältnisse.
Auch die
Korruption der Mandarine beruht zum Teil auf der Vielweiberei. Die
notwendigen Kosten zahlreicher Familien- und Frauen-Anhängsel
nötigen den Beamten,
Erpressungen zu üben, um sein Haus zu versorgen, womöglich
auch gegen
eine ungewisse Zukunft. 2. Die Verschwendung an Material, welches
jährlich
für die Götzen verwüstet wird, ist ungeheuerlich,
die Speiseopfer ungerechnet,
welche nach der Ausstellung vor den Götzen oder den Ahnen von den
Darbringern verzehrt werden. Was aber verbrannt wird an Kerzen,
Räucherwerk, Papiersachen (Nachahmungen von Geld, Geräten,
Häusern,
Tieren etc.) und Seidenstoffen, ist im jährlichen Betrag viele
Millionen
Dollars.
Berechnet man dazu, wie viele Menschen dadurch von nützlicher
Arbeit abgehalten werden, dann die Kosten der Tempel, welche gar keinem
andern
Zwecke dienen, so wird man Milliarden rechnen dürfen. Ich
betrachte Geld durchaus nicht als ein höchstes Gut für die
Menschheit,
sondern nur
als Mittel, den höchsten Zwecken zu dienen. Das aber ist eben der
Fluch
des Götzendienstes, daß den höheren und
höchsten Interessen der Menschen
dadurch geschadet wird. Mit Götzendienst ist überall
religiöse und sittliche
Erniedrigung verbunden. Allgemeiner Götzendienst ist aber
auch der wirtschaftliche Ruin eines Landes. Dasselbe gilt von den in
China noch
bedeutenderen Ausgaben für den Ahnenkultus. Außer dem, was
verbrannt
wird, kommt da noch in Betracht, was alles in den Sarg und ins Grab
beizulegen Sitte ist, ferner die Gräber, welche nicht auf
Friedhöfe beschränkt
sind, sondern überall vorkommen, auch in den besten Feldern und
Gärten,
dann sind da eine Anzahl Mausoleen, wovon eins wohl mehrere Millionen
Dollars kostet. Die Ahnenhallen wollen wir nicht rechnen, da sie auch
als
Schulen und Versammlungsorte (der Dorfgemeinde) dienen.
Unter 3. ist alles einbegriffen, was das Volk
bedrängt, ohne
daß der
einzelne helfen kann. Teuerung und Hungersnot kommen fast jährlich
vor
in irgend einem Teile Chinas, Überschwemmungen ebenfalls. Von
Krankheiten treten epidemisch auf die Pocken, Cholera und Pest.
Kleinere und
größere Aufstände, Räuber und Piraten giebt es
auch jährlich irgendwo im
Lande und auf der See, manchmal an mehreren Orten zugleich. Wilde
Seite
56
Tiere sind nicht häufig, aber Tiger, Leoparden, Bären,
Wölfe und auch
Giftschlangen machen sich in einzelnen Gegenden manchmal bemerklich.
Zu 4. Über das Opium ist oben (XVII) schon
geredet worden. Daran
kann kein Zweifel sein, daß Opium als Genußmittel kein
Segen für China
ist. Abgesehen von dem schädlichen Einfluß auf Körper
und Geist, ist schon
der Zeitverlust beim Rauchen ein bedeutender. Der Geldschaden ist
unberechenbar, weil das importierte Quantum, wofür circa 70
Millionen
Dollars
ins Ausland gehen, gering ist im Vergleich zum Verbrauch von
einheimischem
Produkt, was vielleicht schon zehnmal mehr beträgt. Wenn
dafür auch nicht
Geld ins Ausland geht, so wird doch der Boden und die Arbeit anderer
Kultur entzogen. Sonstige Genußmittel wie Tabak, Branntwein und
Thee
werden auch nicht weniger konsumiert. Die Spielsucht ist ein nationales
Übel und wird sich nur dann beseitigen lassen, wenn für
bessere Unterhaltung resp. Erholung gesorgt wird. Nicht nur, daß
die Spieler
viel
kostbare Zeit vergeuden, sie kommen so unter die Gewalt dieser
Leidenschaft,
daß sie für anstrengende Arbeit die Neigung und
Fähigkeit verlieren, dann
auch alle Habe, Weib und Kind aufs Spiel setzen und, ist alles
verloren,
nur zwischen Selbstmord oder einer Verbrecherlaufbahn die Wahl haben.
Der Schaden, pekuniär und moralisch, ist schwer zu berechnen. Es
sind
noch andere schwerwiegende Mißstände vorhanden, welche aber
hier nicht
besprochen werden können.
Daß es nicht genug ist, Übel zu beseitigen,
sondern
dafür gesorgt
werden muß, daß dieselben nicht wiederkehren, ist alte
Erfahrungsweisheit.
Dies führt uns zu
III, den Vorbeugungsmaßregeln.
Obenan steht 1. die Erziehung.
Man vergleiche darüber das im vorigen Kapitel Gesagte. Was eine
gute
Erziehung für den Geist, sind 2. entsprechende
Sanitätseinrichtungen
für den Körper. China steht darin nicht besser als irgend ein
Barbaren-
reich des dunkeln Kontinents. Man findet nirgends Vorsorge für
frische
Luft, klares Wasser, Reinlichkeit in den Straßen und
Häusern, nicht einmal
der Kleider und Haut der Menschen und Tiere. 3. Um eine dichte
Bevölkerung möglich zu machen und dabei die
übermäßige Anhäufung an begünstigten Stellen
zu verringern, sind gute Verkehrsstraßen
und Verkehrs-
mittel nötig. Es wird dann auch das Wohnen im Innern
ermöglicht,
wenn andere Umstände es wünschenswert machen. Auch Teuerung
und
Hungersnot läßt sich schnell beseitigen, Handel und Verkehr
wird erleichtert
und die Sicherheit von Person und Eigentum größer. 4.
Daß auch ausreichende Militärmacht, gut ausgerüstet und
geübt,
vorhanden sein muß,
nicht nur zum Schutz gegen das Ausland, sondern auch gegen innere
Unruhen und einzelne Ausschreitungen, liegt nun einmal in der Natur des
Zusammenlebens großer Menschen-Massen. Der Staat muß
Sicherheit
Seite
57
gewähren der Person und dem Eigentum jedes seiner
Angehörigen, nicht nur innerhalb der Staatsgrenzen, sondern auch
außerhalb, womöglich auf dem ganzen Erdball. Dagegen
muß auch
jeder Verbrecher gewiß sein, daß er nicht ungestraft gegen
die Gesetze
sich vergehen kann. Nur darin liegt die Bürgschaft für
Frieden und Wohlstand im bürgerlichen Leben.
Zu IV. 1. Das
Wohlbefinden aller erfordert aber auch weiter eine wohlwollende und den
Rechtssinn befriedigende Verwaltung der Justiz. Nicht nur, daß
Bosheit
und Willkür in Schranken gehalten werden müssen, es tauchen
fast täglich Schwierigkeiten auf im modernen vielfältigen
Verkehrsleben, welche friedlich geregelt werden müssen oder
allmählich zu Krisen führen würden. Daß 2. Steuern
und
Zölle, überhaupt alle Abgaben, für das öffentliche
Wohl bestimmt sein müssen und nicht dazu dienen dürfen,
Beamte zu bereichern, ist eine Elementarwahrheit, aber in China wohl
kaum in einer Generation zu erreichen. Das ganze Finanzwesen liegt fast
hoffnungslos im Argen. 3. Manche Sitten und Gebräuche, wie bei
Hochzeiten, Begräbnissen, Neubauten, Neujahrsfeier u. dgl. sind
mit kostspieligen und zeitraubenden Ceremonien verbunden, denen der
einzelne sich nicht ohne Gefahr entziehen kann. Gegen die Tyrannei
ausgearteter Volkssitten kann nur eine weise Staatsregierung mit
Erfolg, wenn auch in möglichst schonender Weise vorgehen.
Daß 4.
Verheiratung in reifem Alter ermöglicht wird, sollte eine
Bestrebung humaner Staatskunst sein. Es ist nicht erreichbar, daß
ein
bestimmtes Einkommen, ausreichend zur Erhaltung einer Familie,
für jedermann die Bedingung werde. Mit den Armenschulen
könnte sehr wohl einfache Verköstigung verbunden werden.
Damit würde sich der Staat Tausende kräftiger Leute
heranziehen und das aufgewendete Geld noch dazu an Gefängnissen
und Krankenhäusern ganz oder teilweise ersparen. 5.
Religiöses Leben gedeiht
in der Freiheit am besten und
ist
für den einzelnen wie für den Staat am heilsamsten. Der Staat
soll durchaus nicht religionslos sein, aber niemand eine bestimmte Form
aufnötigen. Allerdings hat sich der Staat gegen
Auswüchse zu verwahren, dahin gehören Götzendienst,
Mönchswesen, Prozessionen in den Straßen etc. Dagegen sollte
keine
Religion gehindert sein, auf Propaganda abzielende Vorträge in
dazu geeigneten Räumen zu halten. Religiöse Kritik und
Polemik muß ebenfalls frei sein, nur nicht frivoler Art, welche
das
Heilige verspottet und den religiösen Sinn verlegt und
schädigt. 6. Eine möglichst allgemeine Übung des
Wohlthätigkeitssinns ist natürlich wünschenswert und
sollte ermutigt werden. Aber da viel mehr bleibender Segen gestiftet
wird unter einsichtsvoller Leitung, so ist dafür durch geeignete
Organe zu sorgen, ohne die Freiheit der Bewegung zu lähmen.
Linderung ist verschieden von Heilung, sowohl in der Armen- als in der
Krankenpflege. Die Ursachen zu beseitigen, ist oft nicht in der Macht
einzelner, selbst Gesellschaften sind
Seite 58
nicht immer dazu imstande, der Staat sollte hilfreiche Hand bieten, wo
es
erforderlich ist. Dasselbe gilt von Sparkassen und Versicherungswesen.
Doch es möge genug sein mit diesen Andeutungen. Wohl sind es nur
elementare Gedanken. Leider fehlt es China eben gerade an den gesunden
elementaren Grundlagen für eine frische Entwicklung und bessere
Zukunft.
Als Freund dieses Landes und seiner 400 Millionen bedürftiger
Einwohner
darf man es sich nicht verdrießen lassen, auf das, was Not thut,
hinzuweisen. Alle solche Reformen gleichen aber nur den Sternen der
Nacht,
sie sind tröstlich, freundlich, geben aber nur schwaches Licht und
keine
Wärme zum Leben.
Die Morgendämmerung verkündet den anbrechenden Tag. Ihr Licht
ist von der Sonne, doch nur die vorauseilenden Strahlen derselben,
nicht der
Sonnenkörper selber. Dieses gilt von der Kultur des Westens,
welche
nach China vordringt. Sie ist durchdrungen vom christlichen Geist, auch
wenn manche Träger dieser Kultur es nicht anerkennen wollen, ja
das
Christentum verleugnen. Das Christentum war dennoch und ist noch die
innerlich treibende Kraft in den christlichen Ländern. Es ist
auch Thatsache,
daß nur Christenländer auf der Höhe der Kultur stehen,
und weiter ist es
Thatsache, daß alle Länder der Erde immer mehr unter die
Herrschaft von
christlichen Staaten kommen. In Asien sind es nun drei christliche
Mächte,
welche vorwärtsdringen, Rußland,
das schon den
größten Teil beherrscht,
England, das den besten Teil
regiert, und Frankreich, das
einen
verhältnismäßig kleinen und schwierigen Teil unter
seine
Obhut genommen hat.
Wenn auch keiner dieser Staaten die Verbreitung des Christentums sich
als
Staatsaufgabe gesetzt hat, so ermöglicht doch jeder die Mission,
obschon jeder
in andrer Weise, Rußland und Frankreich leider bis jetzt nur in
exklusiv
sektiererischer Beschränkung. Diese drei Mächte haben auch
bereits an den
Grenzen Chinas gerüttelt und jeder Stücke für sich
abgebrochen. Aber es sind auch Strahlen westlicher Kultur ins Innere
Chinas gedrungen. Zu
oberst steht da der Handel.
Portugiesen, Spanier, Holländer, dann
die
Engländer und übrigen Westmächte versuchten schon seit
Ende des 15. Jahrhunderts erst sporadisch, dann bleibend
Handelsbeziehungen mit China.
Hier soll jedoch nur hervorgehoben werden, in welcher Weise der Handel
ein Träger der westlichen Kultur ist. Man wird zugeben
müssen, daß dies
der Fall schon dadurch ist, daß durch den Handel die Produkte der
westlichen Kultur andern Völkern bekannt und zugänglich
gemacht
werden. Allerdings dienen nicht alle Handelsprodukte zur materiellen
Hebung und
moralischen Förderung der Chinesen. Manches ausländische
Produkt
wird jedoch
bereits von den Chinesen im eigenen Lande und in immer
größern Quantitäten
Seite 59
produziert. Obenan steht Opium, dann Tabak, Baumwolle, Mais,
Kartoffeln,
Erbsen, verschiedene Gemüse und Obstarten. Weiter sind es
Gegenstände
des täglichen Gebrauchs, welche schöner und billiger
eingeführt werden, als
der Chinese sie herstellen kann. Dahin gehören Baumwollen- und
Wollen-
Zeuge, Nadeln, Messer u. dgl., Waffen und Kriegsmaterial, auch
Maschinen
zu allerlei Zwecken, Farben etc. Leider erkennt der Chinese
zunächst haupt-
sächlich die Macht der Zerstörungswerkzeuge und den Nutzen
solcher Maschinen,
die schnell Geld einbringen. Bei diesem Trachten nach augenblicklichem
Vorteil wird die Bedeutung des einzelnen für das Ganze, des
jetzigen Zustandes für die Zukunft nicht beachtet. Ferner
werden Habgier und Genußsucht gesteigert. Dadurch wird die
Konkurrenz verschärft und in deren Gefolge gehen Lug und Trug.
Soll der Handel sich kräftig entwickeln, so muß der
erhöhten Einfuhr eine erhöhte Ausfuhr das Gleichgewicht
halten. Dieses ist nur möglich, wenn die jetzt gangbaren Artikel
eine erhöhte Nachfrage im Westen finden, oder wenn neue
Ausfuhrartikel gefunden resp. produziert werden. Für die
früheren Artikel kommt auch der Mitbewerb anderer Völker in
Betracht, wie z. B. der indische Thee die Ausfuhr des chinesischen
vermindert. Der Aufschwung des Imports ist abhängig von der
Zahlungsfähigkeit der Chinesen, und diese ist bedingt vom Export.
Was darum die Zunahme des Exports stört, hemmt auch die Zunahme
des Imports. Eine bedeutendere Zunahme des Exports wäre wohl
erreichbar, aber nicht ohne mancherlei innere Verbesserungen. Noch
dringender ist, daß die zahllosen Arbeiter, besonders Weiber und
Kinder, welche durch die billigen Einfuhrartikel ihren Erwerb
verlieren, sich neue Berufszweige schaffen können, sonst fallen
sie ihren Landsleuten zur Last und mindern die Kauffähigkeit. Zu
dem allen wird eine fortschreitende und zweckmäßige Bildung
gebieterische Notwendigkeit. Man kann sagen, daß der Handel einer
höher gebildeten Nation ruinierend auf jede halbcivilisierte Rasse
wirkt, außer wenn zugleich energisch an deren Erziehung
gearbeitet wird, bis das gleiche Niveau annähernd hergestellt ist.
Des auswärtigen Handels wegen hat China mehrere
Hundert Ausländer im Zolldienst.
Man muß anerkennen, daß sich manche ausgezeichnete
Männer unter dieser Zahl befinden. Die gute Bezahlung
ermöglicht eine sorgfältige Auswahl. Die oberen Zollbeamten
sprechen gut chinesisch und sind auch mit chinesischer Schrift, dem
Geschäftsstyl, vertraut. Sie sind alle daran gewöhnt, die
chinesischen Beamten und auch das Volk mit gebührender Achtung zu
behandeln. Viele treffliche Einrichtungen sind der tüchtigen
Leitung des Zolldienstes zu danken, wie Leuchttürme und andere
Merkzeichen, Ordnung in den Häfen, genaue Vermessungen an der
Küste und gute Karten, genaue Statistiken über Einfuhr und
Ausfuhr, auch Monographien über die Haupthandelsartikel. Die
Einnahmen für die chinesische Regierung
Seite 60
sind
in steter Zunahme begriffen. Man sollte also annehmen,
daß
diese
Herren bei den Chinesen in hoher Gunst ständen, aber das Gegenteil
ist
der Fall, man möchte sich dieser Fremden sobald als möglich
erledigen.
Viele Chinesen blicken mit Neid auf die hohen Gehälter und das
herrliche
Leben, das diese Ausländer auf Kosten des chinesischen Reiches
führen.
Die Leistungen für China als Ganzes berücksichtigt eben der
geldgierige
Chinese nicht. Ob einer der Herren Zöllner schon einen der
Mandarine,
mit welchen sie mancherlei Verkehr haben, zu westlichen Kulturgedanken
bekehrt hat, ist mir nicht bekannt.
Außer den Zollbeamten stehen noch eine stets
zunehmende Anzahl
von
Technikern und Instruktoren im Dienste
chinesischer Mandarine resp.
der chinesischen Regierung. Solche sind in den Bergwerken,
Eisenhütten,
Spinnereien, Seidenfiliaturen, Arsenalen, Pulvermühlen,
Schiffswerften,
Seemanns-, Militär- und Sprach-Schulen. Deren Schüler
zählen nach
Hunderten ja Tausenden. Man sollte also meinen, es müßte von
da aus
viel Licht verbreitet werden. Wirkungslos kann dieser Umgang auch nicht
sein, ist aber doch zunächst nur auf einen engen Kreis
beschränkt. Die
volle Tragweite kann sich erst in etlichen Generationen zeigen, wenn
diese
Zöglinge ins Greisenalter vorgerückt sind, und andere, noch
tüchtiger, im
rüstigen Mannesalter stehen. Die Zahl ist auch noch zu klein im
Verhältnis
zu den in altchinesischer Weisheit Vernagelten, etwa wie 1 : 1000 und
mehr.
Die Konsulatsbeamten
der Westländer bilden auch eine ansehnliche
Macht. Alle größeren Staaten haben Berufskonsuln in den
Hauptplätzen.
Das sind natürlich gründlich gebildete und in jeder Beziehung
Achtung
gebietende Männer. Sie gelten dem höchsten chinesischen
Beamten des Orts
als im Range gleichstehend. Manche unter ihnen sprechen chinesisch,
einige sind auch tüchtige Gelehrte. Sie haben geschäftlich
und
auch gesellschaftlich
mit den höchsten chinesischen Beamten mancherlei persönliche
Berührung.
Dieses geht schon seit etlichen Jahrzehnten in höflicher Weise
seinen Gang.
Manche Streitsache zwischen Chinesen und Fremden ist auf diese Weise
befriedigend erledigt worden. Aber eine Annäherung der Chinesen
an die
Ausländer, irgend welche vertrautere Beziehungen sind nicht
erreicht worden.
Die Herren Chinesen sind, wie man hört, fast ohne Ausnahme ebenso
erfreut über den Schluß einer Zusammenkunft wie die Herren
Konsuln.
Am meisten Erwartung sollte man hegen von den
Exzellenzen, den
Herren Ministern und Gesandten in Peking. Dieselben
stammen aus
den höchsten Kreisen ihrer betreffenden Länder, sind
ausgerüstet mit hervorragender Begabung und Bildung, sind umgeben
mit dem Glanz ihres hohen
Amts, sie haben tüchtige Gelehrte als Sekretäre, bedeutende
Sinologen als
Dolmetscher, alle Hilfsmittel der westlichen Kultur stehen zu ihrer
Verfügung.
„Wenn einen Menschen die Natur erhoben, ist es kein Wunder, daß
ihm
Seite 61
viel gelingt". (Sic! Punkt nach
Anführungszeichen,
K. J.) Leider bin ich jedoch nicht imstande die
großartigen
Leistungen dieser hohen Diplomaten hier aufzuzählen, denn
dieselben entziehen sich völlig meiner Beurteilung und sogar
meiner Kenntnis, da ich
noch nicht
Gelegenheit fand, der Hauptstadt Chinas einen Besuch abzustatten. Man
hört nur wohl flüstern, jeder der hohen Herren halte sich
einen Pudel, der
auf Deutsch den Namen „Handelspolitik“ trage. Der Abschluß
von
vorteilhaften Handelskontrakten sei aber des Pudels Kern. Dabei bleibe
freie
Zeit genug, sich eingehend abzugeben mit dem „Was man in China
ißt
und
trinkt" und der Mission hie und da einen
Fußtritt zu
versetzen.
Die chinesischen
Gesandtschaften und Konsulate
mit ihrem
Stab ausgesuchter Gelehrter in verschiedenen Staaten der
Westländer
tragen natürlich auch dazu bei, die Kenntnis der
eigentümlichen Civilisation
des Westens unter den Gebildeten Chinas, ja in den höchsten
Kreisen eingehender bekannt zu machen. Daß das noch nicht mehr
bemerkbar
ist, hat
wohl seinen Grund in der oft recht mangelhaften sprachlichen Vorbildung
dieser Chinesen. Auch ist denselben sehr wohl bewußt, daß
sie sich nicht in
ausländische Sympathien verlieren dürfen, da dadurch
Haß und Widerwärtigkeiten von seiten der maßgebenden
Kreise in China auf
sie gezogen
werden würden. Ihre Aufgabe ist, keine Linie des althergebrachten
Chinesentums aufzugeben, sonst aber so freigebig mit Bücklingen
und
schönen
Redensarten zu sein, wie die jedesmalige Gelegenheit es erfordert.
Mehr Einfluß geht aus von den Tausenden von Arbeitern, welche
jährlich vom Ausland, meist nach mehrjähriger Abwesenheit,
zurückkommen.
Die Hauptemigrationsplätze für Chinesen sind Singapore und
die
malaiischen
Besitzungen der Engländer, Borneo, Sumatra, Java, die Philippinen,
Tongkin und Annam, Siam, Birma, Japan, die Hawaiischen Inseln,
Vereinigten Staaten, Canada, Peru, Chili, Australien, Neuseeland,
Westindische Inseln, Congostaaten und andere Teile Afrikas, Korea und
Sibirien
ebenfalls. Natürlich sind die Erfahrungen dieser Arbeiter nicht
überall
gleich, auch durchaus nicht immer erfreulich. Doch aber werden sie mit
andern Verhältnissen bekannt und finden gar manches besser als in
der
Heimat, sie bringen auch gewöhnlich eine Summe Geldes zurück.
Wenn sie
dann wieder längere Zeit in der Heimat zubringen, so empfinden gar
manche
die drückende Lage daselbst, und die fremden Lande erscheinen im
rosigen Lichte.
Auch die Zeitungen
üben Einfluß aus. Englische, welche auf
Hongkong und in Shanghai erscheinen, werden in den Yamens der
höheren
Mandarine gelesen. Chinesische Zeitungen nehmen von Jahr zu Jahr zu
an Zahl und an Abonnenten. Es werden die wichtigsten Nachrichten aus
der ganzen Welt dadurch einem großen chinesischen Leserkreis
bekannt gemacht.
Manches altchinesische Vorurteil wird damit durchbrochen. Die
Zirkulation
ist aber noch zu sehr auf die Hafenpläge und deren nächste
Umgebung be-
Seite 62
schränkt.
Die vielen
Millionen des Innern leben noch dahin
in
ihrer althergebrachten Finsternis.
Übersetzungen
verschiedener wissenschaftlicher Werke hat die
chinesische
Regierung anfertigen und veröffentlichen lassen, z. B. Werke
über Geographie,
Geschichte, Schiffsbau, Navigation, Pulverbereitung, Chemie, Bergbau,
Physik, Maschinenbau, Botanik, Eisen, Materia Medica etc. Wenn
dieselben
auch nur für bestimmte Zwecke, Arsenale und Schulen
brauchbar
sind, so dienen sie doch dazu, von diesen Centren aus etwas Licht
über
ernstliche Wissenschaft und Industrie zu verbreiten. Aber der Masse
chinesischer Gelehrten fehlen die ersten Elementarbegriffe
ausländischer Wissenschaft, als daß sie Werke der Art mit
Verständnis und Gewinn
lesen
könnten. Eine große Anzahl Elementarschulen ist erstes
Bedürfnis. Immerhin können wir uns freuen über alle
solche Lichtstrahlen,
welche, wenn auch
gebrochen durch die Schichten der irdischen Atmosphäre, doch
Vorboten des
Hellen Tages sind.
Christus
ist das Licht der Welt und das Licht scheinet in die
Finsternis. Die Mission ist
so alt als die christliche Kirche. Nach
China kamen, soviel wir wissen, zuerst Nestorianer als Glaubensboten,
dann
Katholiken. Von den Protestanten war im 17. Jahrhundert ein Anfang
auf Formosa gemacht worden, doch lokal zu sehr begrenzt und für zu
kurze Zeit, um tiefe Wurzeln schlagen zu können. Man erwarte hier
indes
keine
Geschichte der protestantischen Mission, nur einige Grundlinien seien
gezeichnet
zur besseren Beurteilung derselben. Unsere Mission will nichts anderes
als
den Befehl Christi ausführen: „Gehet hin in alle Welt und lehret
alle
Völker!" Unser Motiv ist also der Befehl Christi, nicht das Elend
der
Heidenwelt. Elend ist noch viel in allen Landen, so daß jeder
Missionar
genug Arbeit in seinem Vaterlande finden könnte. Mit dem Elend
wird
die Christenheit nie fertig, bis zum Ende der Tage. Die ganze Welt,
sein Heil ist für alle Menschen.
Botschaft ist die Heilspredigt, die Einladung in das Reich Gottes.
Der Missionar
ist aber nicht nur ein Verkündiger in Worten,
sondern
der Träger des christlichen Lebens. Nicht daß er eine
allseitige wissenschaftliche.
Erkenntnis davon besitzen sollte oder könnte, aber das Leben
selber muß in ihm vorhanden sein in inniger persönlicher
Aneignung, gesund und
kräftig.
Ganz kann sich jedoch kein Mensch loslösen von der Gemeinschaft,
in welcher
er sein Gepräge empfangen hat. Jeder Missionar steht im
Zusammenhang
mit einer bestimmten Kirche und auch mehr oder minder mit einer
theologischen Richtung. Das sind die menschlichen und örtlich
bestimmten Verschiedenheiten innerhalb des Protestantismus, welche
bemerklich genug
auch
Seite
63
in
der
Mission zu Tage treten. Wir haben in China die Vertreter von
nahezu 50 abgegrenzten Missionsgesellschaften, welche fast ebenso viele
getrennte Kirchenkörper repräsentieren. Manche Missionare
sind statutarisch verpflichtet, ihre heimatlichen
Eigentümlichkeiten strenge festzuhalten und auf die
Missionsgemeinden zu übertragen. Dazu kommen noch die nationalen
Verschiedenheiten von Engländern, Amerikanern, Kanadiern,
Deutschen, Schweden, Australiern und Dänen in Betracht. Das
erschwert sehr die Einigkeit im Geiste unter etwa 1500 Glaubensboten
(männliche und weibliche). Dennoch ist die ideale Einheit
vorhanden und kommt auch gelegentlich zum Ausdruck. Oberflächliche
Beobachter werden jedoch leicht irre geleitet. Die Mannigfaltigkeit ist
durchaus kein Schade (Sic! Schade,
K. J.), sondern ein Gewinn. Verderblich wirkt die
Verschiedenheit nur, wenn sie zur Sektiererei und gegenseitiger
Verketzerung ausartet. Die Wahrheit ist allerdings nur eine, aber die
Auffassungen derselben Wahrheit sind immer verschieden, individuell
bedingt. Die eine Geisteswahrheit zerlegt sich aber auch in unendlich
viele Einzelwahrheiten und kein Mensch wird je die Gesamtheit aller
Wahrheiten in seiner Erkenntnis vereinigen. Wo Leben ist, da muß
Mannigfaltigkeit herrschen, und je besser das Leben gepflegt wird,
desto größer und zahlreicher werden die Variationen. So ist
es in jeder Kultur. Wir sollten uns darum freuen über die
reiche Mannigfaltigkeit im Protestantismus und Gott dafür danken,
aber uns dessen auch bewußt bleiben, das in allen lebendigen
Gliedern
dasselbe Leben, Leben aus Gott, pulsiert und daß der Geist
Christi das
Band der Liebe ist.
Weiter ist der Missionar aber auch ein
Träger der westlichen Kultur, er mag wollen oder nicht, ob ein
Gelehrter von Haus aus oder ein ehemaliger Handwerker. Es giebt viele
Gewohnheiten resp. Sitten, woran jedermann Teil hat, z. B.
Reinlichkeit, Wahrhaftigkeit, dann kennen wir wissenschaftliche
Resultate, welche ein Gemeingut aller geworden sind, z. B.
Erklärung der Sonnen- und Mondfinsternisse. Vieles ist dem
Elementarschüler der Westländer geläufig, was noch
jenseits des Horizonts der Gelehrten Chinas liegt. Die allgemeinste
Verbreitung elementarer Wahrheiten unter den Massen des chinesischen
Volks ist aber von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Die Macht
des Aberglaubens und der Vorurteile wird dadurch gebrochen. Selbst
der einfachste Missionar kann auch manche Not lindern und manches Gute
anregen. Ferner ist die allgemeine Moralität der Missionare
höher als die beste der Chinesen, z. B. in Monogamie,
Wahrheitssinn, Reinlichkeit und Reinheit, Ehrlichkeit, Mitgefühl
etc. Der Einfluß der Missionare auf die Chinesen kann deshalb in
der
Regel nur segensreich sein und ist es auch. Nur sollte man nicht
erwarten, daß ein sittliches Ideal in einer Generation erreichbar
sei.
In China steht der einzelne zu sehr im Zusammenhang mit der
Gesellschaft,
Seite 64
als daß er sich ungestört entwickeln könnte. Durch die
Mission sind aber
auch selbst die chinesischen Heiden zu mancherlei Wohlthätigkeit
und moralischem
Streben angeregt worden, wie die Errichtung von Findelhäusern,
Freischulen,
Hospitälern, Predigtlokalen, bessere Fürsorge für
Blinde, Arme und Alte bezeugen.
Der Missionar ist ferner aber auch
Staatsangehöriger seines
Heimatlandes und als solcher von seinem Konsul mit einem Paß
versehen.
So
lange Pässe ausgestellt werden, ist es auch Ehrensache jeder
Staatsregierung,
daß der betreffende Staatsangehörige den bestehenden
Verträgen gemäß
behandelt werde. Abgesehen vom Recht wäre es auch sehr
unpolitisch, der
Mandarinwillkür irgend welchen Spielraum einzuräumen. Den
Herren
Konsuln und Ministern sollte es in jedem Falle gleichgültig sein,
ob der
Schutz- oder Rechtsbedürftige Forschungsreisender (Sic!, Endung ...er, K. J.)
Kaufmann,
Missionar
oder sonst was ist, vor dem Gesetz ist er Paßinhaber und hat ein
Recht,
als solcher behandelt zu werden. Es ist sehr zu bedauern, daß
Aufklärung über diesen Punkt an manchem Orte nötig
scheint.
Natürlich ist damit
nicht gesagt, daß der Missionar unter allen Umständen auf
sein Recht bestehen soll. Doch genug davon. Viel Wirrwarr kann in
Zukunft vermieden
werden, wenn die obigen drei Gesichtspunkte stets unterschieden werden:
Der Missionar als Träger der Heilswahrheiten und göttlichen
Lebens, als
Träger westlicher Kultur und als Träger eines Passes der
Staatsangehörigkeit.
Über gegenwärtige
Missionsarbeit und Missionserfolge in China
will ich jetzt nicht reden. In einigen Monaten wird ein Handbuch die
Presse verlassen, welches alles Material darlegen wird. Unsere Arbeit
an
den Chinesen ist nicht vergeblich. Ich habe mich überzeugen
können, daß
das Evangelium eine Kraft Gottes an den Herzen ist und aus Sündern
selige Gotteskinder macht. Aber so muß es auch verkündet
werden als
Gotteskraft, welche die Herzen erneuert. Alle christlichen Tugenden,
sozialen
Reformen und auch die politische Regeneration erscheinen dann als
natürliche
Folge des neuen Lebens, wie Blüte und Frucht am
lebenskräftigen Baum,
zu rechter Zeit.
Diese
bitte ich den gütigen Leser nun für sich
selber
anzustellen und
dabei auch etwas nachzudenken über die eigene Stellung zu
Christus,
seine Erlösung der Welt, seinen Missionsbefehl, das Reich Gottes
und
China in historischer Beleuchtung.
ENDE TEXT: erschlossen von K. J.
::: Es folgt nun noch ein Anhang aus diesem Buch mit Verweis auf andere
Bücher des Verlages.
VERLAG
VON A. HAACK IN BERLIN.
Zeitschrift für Missionskunde und
Religionswissenschaft. Organ des Allgemeinen
evangelisch-protestantischen
Missionsvereins. ausgegeben von Prediger Dr. Th. Arndt in Berlin,
Pfarre E. Buss in Glarus und Pfarrer J. Happel in Heubach.
Jährlich erscheinen vier Hefte im Umfang von 16-17 Boge Durch jede
Buchhandlung und Postanstalt zu beziehen. 4.-
I. Schmiedel, Otto,
Pfarrer
und Missionar. Eine Woche in
japanischen Christengemeinde zu Tokyo. Mit 2 Tafeln: Abbildungen
von
Kirche und Pfarrhaus. 4. Aufl. brosch. -.5 Partiepreis: 50 Exemplare
10.-
II. Schmiedel, Otto, Pfarrer
und Missionar. Kultur- und
Missionsbilder aus Japan. brosch. .5 Exemplare 10.- brosch. .5
Partiepreis: 50 Exemplare 10.-
III. Munzinger, Carl, Pfarrer.
Aus dem Lande der aufgehenden Sonne.
brosch. -.5 Partiepreis: 50
Exemplare 10.-
IV. Lipsius, D.
Richard Adelbert, Geh. Kirchenrat Prof. Unsere Aufgabe in Ostasien. Mit
einem Lebensbilde des Verfassers Pred. Lic. Dr. Paul Kirmss. Mit 1
Abbildung: Richard Ade brosch. Lipsius. 2. Aufl. -.5 Partiepreis: 50
Exemplare 10.-
V. Kranz, Paul*, Pfarrer und
Missionar. Eine
Missionsreise auf Yang tze kiang in China im Mai 1894. Mit einer
Abbildung einer Kartenskizze. 2. Aufl. brosch. -.5 Partiepreis: 50
Exemplare 10.- Zu beziehen durch alle Buchhandlungen. ―
VI. Faber,
Ernst, Missionar Dr. theol. China
in historischer Beleuchtung. Eine
Denkschrift zu seinem 30jährigen Dienstjubiläum als Missionar
in
China. Mit zwei Abbildungen und einer Karte (Doppelflugschrift.)
brosch.
1.- Partiepreis: 50 Exemplare 20.-
* ANMERKUNG K. J: Der Ernst-Faber-Kollege in Shanghai,
Missionar Paul Kranz (* 13.3.1866, Gutenberg bei Halle | + 2.4.1920,
Wolmirstedt, das liegt heute im Landkreis Börde, Sachsen-Anhalt)
schrieb
über Fabers Leben ein Buch. Paul Kranz, der ab 3.10.1992 als
zweiter AEMP-Missionar (nach Faber) in China eintrifft, verfasste die
ausführliche Biografie: „Ernst
Faber.“, Berlin 1901, mit einer Bibliographie seiner zahlreichen
Publikationen in Deutsch, Englisch und Chinesisch. Kranz und Faber
waren ab 1892 beide gemeinsam für den AEPM, den Allgemeinen
Evangelisch-Protestantischen Missionsverein, in Shanghai (für
China) ansässig. Faber sollte dann 1898 nach Tsingtau wechseln, um
dort eine weitere Missionsstation für den AEPM aufzubauen. Kranz
hat ihn dort (weil Faber erkrankte) auch ein paar Monate noch
vertreten. Er, Kranz, wird aber dann weiterhin in Shanghai bleiben, wo
er auch Pfarrer für die deutsche Gemeinde war. 1902 tritt Kranz
aus dem AEPM aus. 1910 wird er China für immer verlassen und nach
Deutschland zurückkehren. (Siehe auch die Angaben bei
tsingtau.org.) Richard
Wilhelm (1869–1935) hingegen wird der Missionsnachfolger für den
verstorbenen Faber in Tsingtau.
UND EINE
KLEINE BIBLIOGRAFIE ZU ERNST FABER FINDEN SIE HIER BEI DIESEM LINK:
DIREKT-LINK
LISTE Bücher und Publikationen von Ernst Faber
Hier unten ↓ auf der Karte der Baseler Missionsgesellschaft von etwa 1930 sehen wir die große Stadt Kanton und Fumun (hier als Taiping-Fumun = Missionsstation nun bezeichnet), wo Faber seine Missionsarbeit begann. 1865 kam er in China an, in der Provinz Canton/Kwantung und nahebei arbeitete er dann offenbar bis 1886, zuletzt dort aber in Hongkong wohnend. 1885 schloss er sich neu an den Allgemeinen Evang.-protestantischen Missionsverein (AEPM) (spätere "Ostasienmission") an. 1886 dann ein Wechsel nach Shanghai. (Die weißen Pfeile sind von K. J., Kartenausschnitt hier auch von ihm verkleinert.) [X]
WO
ERNST FABER ANFANGS ↓ WIRKTE,
IN
CHINA, BIS ER NACH SHANGHAI UMZOG: IN FUMUN (heutiger Name "Humen
Town", darin übrigens auch Taiping aufgegangen, nun, 2023, hat all
das knapp
600.000 Einwohner), Fumun ... am Perlflussdelta gelegen.
Da war seine Basis. In der Provinz Canton bzw. Kwang Tung. Die
große
Stadt hieß selber auch Canton/Kanton. Unten "hängen" links
((bezogen auf (halblinks in der Mitte) diese große Bucht)) Macao
... und rechts Hongkong.↓
Auszug/Ausschnitt aus "Originalkarte
der Provinz Kwang Tung (Canton) zur Übersicht der Deutschen
Missions-Stationen"
von J. Nacken (angefertigt) aus: Mittheilungen aus Justus Perthes'
Geographischer Anstalt über Wichtige Neue Erforschungen auf dem
Gesammtgebiete der Geographie von Dr. A. Petermann. [[ Volume 24, Tafel
22, 1878. ]] Ausschnitt hier angefertigt von K. J. am 28.10.2023. [X]
Public Domain.
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Ernst Faber, 1895, "China in
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