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von klausjans.de
Leserbrief, abgedruckt in der F.A.Z.
Ein Text von Klaus Jans (1997)
DEUTSCH
LERNEN IM INTERNET-ZEITALTER
von
Klaus Jans
Deutsch lernen im Internet-Zeitalter
Zum Beitrag von Joachim Sartorius
"Der Dichter kommt, die
Mülldeponie geht – Das Goethe-Institut und die Kultur: Der
Deutschunterricht im Ausland muß sich ändern"
(F.A.Z.-Feuilleton vom 15. Januar): Sartorius, dem konservativen
Verfechter eines bloß noch „offenen“ statt „erweiterten“
Kulturbegriffs, seien einige Dinge ins Gedächtnis gerufen, die er
offenbar übersieht oder bewußt übersehen will. Das
Leben ist wie eine Eisenbahn oder ist es wie eine Eisenbahnfahrt? Es
war wohl Wittgenstein, der gesagt hat: Die Bedeutung des Wortes ist
sein Gebrauch in der Sprache. Die unzähligen Möglichkeiten
des Gebrauchs machen das Erlernen einer Sprache zum Mysterium. Und
genau darin liegt ein wesentlicher Reiz, auch des Deutschen. Literatur
ist ein Teil davon, nicht mehr. Und so wurde es in den letzten Jahren
gehalten. Wir wollen nicht mehr zurück. Wer (hohe?) Literatur und
schlichte Texte über Mülldeponien vereinfachend kontrastiert,
vergißt, daß sich der Unterricht für Deutsch als
Fremdsprache (DaF), wenn er die deutsche Sprache und die Lernenden
wirklich ernst nimmt, mit dem gesamten Spektrum der Schrift- und
Sprachkultur befassen muß.
Der
aufgedunsene Begriff einer deutschen „Nation von Dichtern und
Denkern“ ist über die letzten Jahre durch die Realität
sorglichst entzaubert worden. Gut so. Man soll die Deutschen nicht
klüger erscheinen lassen, als sie sind. Man setze ein breites
Spektrum reeller (banaler bis wunderbarer) Sprachäußerungen
und Texte (aus dem magischen Alltag und aus der magischen Phantasie)
gegen
Sartorius' überbetonte Rückführung auf Literatur. Goethe
bleibt uns, aber es gibt noch so viel mehr in unserer Sprache zu
entdecken. Das alte bildungsbürgerliche Ideal ist zum Glück
diverse Bäche hinuntergeschwommen. Jetzt sollte man auch nicht
vermittels der Trauer über die trist simplifizierenden
Lehrbücher diese reine Lehre von „wahrer“ Bildung wiederbeleben
wollen.
Sprache
hat etwas Universelles – und wir sprechen im Deutschunterricht
automatisch von und über die faktisch zu erlebende Realität
in allen Höhen und Tiefen. In dieser vielschichtigen Realität
ist die hehre Idee des geschlossenen, "reinen" Textes von ganz neuen
Darstellungsformen (siehe das Klick-System von bildlichen, tonalen,
textlichen Links im Internet) abgelöst worden. Der literarische
Text ist damit nur noch eine Facette des immer komplexer, teilweise
auch profaner werdenden Systems „Sprache“. Mehr Literatur kann nicht
die eine Antwort auf die neunziger Jahre sein, höchstens eine von
vielen. Hinter den neuen schrift(bild)kulturellen Entwicklungen und den
darauf folgenden rückwärtigen Reaktionen vieler
Intellektueller erkennt man als feinfühliger Mensch die Krise der
Aufklärung, die Krise Europas, die Krise Deutschlands.
Aber:
Alte Erklärungsmuster greifen nicht mehr – alte
Vermittlungsformen auch nicht. Der Masse der Deutschlernenden ist
heutzutage der Geist der Bilder viel näher als der Geist des
Textes. Das tradierte Verständnis von Sprache und Literatur (egal
ob Deutsch, Französisch, Koreanisch, Arabisch, Gujarati)
entspricht einer solchen Wirklichkeit nicht
mehr. Bibel und Koran bleiben, aber auch die damit befaßten
Wissenschaftler bewegen sich zeitlich mehr in einer Welt von Icons,
Registern, Datenbanken, Indices als in einer Welt des geschlossenen
Textes („Am Anfang war das Wort“ – und am
Ende?).
Zudem
beziehen sich Akademiker – sofern sie nicht gerade
Geisteswissenschaftler bestimmter Fachgebiete sind – in ihren so
überspezialisierten Welten kaum noch auf „Literatur“, sie ist
bisweilen aus der Arbeits- und Privatwelt völlig verschwunden. Wie
also sollen diese hochqualifizierten Menschen, die auch in ihrer
eigenen Kultur kaum noch die Namen (geschweige denn die Bücher)
der berühmten Autoren kennen, nun plötzlich den großen
Luft- und Textsprung zu den deutschsprachigen Koryphäen wie Heine
oder Thomas Mann machen?
Da
das Sprachenlernen zum Glück nicht mehr ein Privileg von Eliten
ist, sind auch viele Lerner darunter, die den funktionellen Charakter
(über)betonen: "Ich brauche Deutsch nur für die
Fachhochschule, nur dafür." Auch Sartorius erkennt: Die
enggestrickten Fachsprachler (Juristen, Ingenieure, Ökonomen,
Mediziner) dominieren mehr und mehr, während die oft umfassend
interessierten und wißbegierigen Stipendiaten der Alexander-
von-Humboldt-Stiftung nun mal eine absolute Minderheit im
DaF-Unterricht darstellen, auch beim Goethe-Institut.
Und
noch ein Problem: Das Erschließen unseres „kulturellen
Auslandskapitals“ (nach Sartorius das wichtigste) erfordert, sofern es
sich um Literatur handelt, einen Umgang mit Sprache auf höchstem
Niveau. Wenn sich die deutschen Industrie- und Handelskammern über
horrende Probleme der Auszubildenden beim Schreiben (vom Rechtschreiben
ganz zu schweigen) beklagen, wenn Berufs- und Hauptschullehrer kaum
noch wissen, was man an Literatur angesichts der geringen Sprachbildung
noch ernsthaft im Unterricht behandeln kann (das Buch "Die neuen Leiden
des jungen Werther" von Plenzdorf ist
noch das allerallerhöchste), wenn also selbst die Deutschen ihrer
Sprache nicht mehr Herr sind, dann läßt sich ermessen, wie
lange Ausländer Deutsch gelernt haben müssen, um
überhaupt ansatzweise mit anspruchsvollen literarischen Texten
umgehen zu können: mindestens zehn Monate täglich fünf
Stunden, wenn nicht zwölf oder gar 14 Monate. Erst dann ist
überhaupt ein Sprachstand erreicht, um mit Schiller oder Thomas
Bernhard zu beginnen.
Klaus Jans, Frankfurt am Main
Abgedruckt in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 27.1.1997
___
(Der Text wurde hier
für die Homepage-Variante NICHT auf die neuere Rechtschreibung
angepasst, nur noch einmal durchgesehen.)
EIN TEXT VON KLAUS JANS, 1997
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Ernst Faber, 1895, "China in
historischer Beleuchtung" ||| komplett
als offener Online-Text
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ernst-faber-1895-china-in-historischer-beleuchtung-komplett-als-online-text.htm
UND EINE KLEINE BIBLIOGRAFIE ZU ERNST FABER IST HIER:
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buecher-und-publikationen-von-ernst-faber.htm
ALS
(zudem mahnende) QUELLE: Das Schriftleitergesetz der
Nationalsozialisten von 1933 im
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